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Kampf gegen Erderwärmung in BerlinSchlechtes Klima für Volksbegehren

Einen Monat vor Sammelende hat die Initiative Klimaneustart erst ein Drittel der Unterschriften zusammen. Interessiert Klimaschutz niemand in Berlin?

Jetzt aber flott: Jede Unterschrift zählt! Foto: Florian Boillot

Berlin taz | Jeden Morgen blockieren Ak­tis­t*in­nen der „Letzten Generation“ Autobahnzufahrten. Der Ausstieg aus den fossilen Energien ist seit dem Angriffskrieg auf die Ukraine und den damit verbundenen ausbleibenden Gaslieferungen inzwischen Konsens bis weit in konservative Kreise hinein. Und doch droht in Berlin ein laufendes Volksbegehren für radikal mehr Klimaschutz zu scheitern.

Nach drei von vier Monaten Sammelzeit hat die Initiative Klimaneustart Berlin gerade mal 76.000 Unterschriften eingereicht, wie der Landeswahlleiter am Montag bekannt gab. Damit es zu einem Volksentscheid kommt, braucht es gut 170.000 gültige Unterschriften von Berliner*innen, die über 18 Jahre alt, hier gemeldet und deutsche Staats­bür­ge­r*in­nen sind. Laut Landeswahlleiter ist jede vierte der bisher geprüften Unterschriften ungültig. Um sicherzugehen, dass es zu einem Entscheid kommt, benötigt die Initiative also rund 240.000 Unterstützer*innen.

Die hat – da zwischen Einreichen und Auszählen einige Tage vergehen – nach eigener Aussage jetzt bereits 100.000 Unterschriften zusammen und die Hoffnung daher nicht aufgegeben. „Wir sehen eine positive Entwicklung in den vergangenen zwei Wochen“, sagte Sprecherin Jessamine Davis am Montag der taz. Es würde sowohl schneller als auch mehr gesammelt. „Wir sind weiterhin zuversichtlich, dass wir unser Ziel, den Volksentscheid, erreichen können.“ Man brauche aber mehr Unterstützung in der restlichen Zeit bis zum 14. November. Der Engpass bleibe die weiterhin zu geringe Zahl an Sammler*innen.

Mehr Geld für Verkehrswende

Die Initiative Klimaneustart fordert ein Gesetz, wonach Berlin bis 2030 klimaneutral wird. Fände das eine Mehrheit bei einem Volksentscheid, müsste das Land erheblich mehr Geld und Anstrengungen etwa in die Verkehrswende und die Dämmung aller Gebäude stecken. Laut der Initiative wäre das dringend nötig, um das Ziel, die Erderwärmung auf höchstens 1,5 Grad zu begrenzen, noch zu erreichen. „Uns geht es wirklich um das CO2-Budget. Wir möchten, dass das eingehalten wird“, hatte Davis im taz-Streitgespräch mit dem grünen Fraktionschef Werner Graf mehrfach betont.

Der rot-grün-rote Senat wie auch Graf halten die Ziele des zur Disposition stehenden Gesetzentwurfs jedoch für nicht umsetzbar aus finanziellen wie praktischen Gründen. Komme das Gesetz durch, wäre kaum mehr Geld da für andere Dinge als Klimaschutz; zudem fehlten schlicht die Handwerker*innen, um die nötigen Veränderungen an den Gebäuden in dieser Zeit vorzunehmen, hatte Graf in dem Streitgespräch argumentiert: „Wir dürfen den Leuten nicht vorgaukeln, dass durch das Gesetz auch nur eine Maßnahme für den Klimaschutz angegangen wird.“

Der Initiative geht es nun darum, alle jene Menschen in Berlin zum Sammeln zu motivieren, „denen etwas am Klimaschutz liegt“, sagt Sprecherin Davis. Aktiv sammeln würden derzeit rund 300 Menschen. Um diese Zahl zu steigern, habe man etwa auf dem jüngsten Klimastreik von Fridays for Future direkt Menschen um Unterstützung gebeten. Mit Erfolg, wie Davis berichtet.

Zudem werbe man in Gesprächen mit Influencer*innen, der Clubszene und auch Firmen um Unterstützung. So habe sich der Kriminalbiologe und Autor Mark Benecke öffentlich für sie eingesetzt, Luisa Neubauer habe für die Initiative geworben. „Das hat uns sehr gefreut“, sagt Davis. Von Unternehmen, die ähnliche Ziele befürworten, erhoffe man sich personelle Hilfe, etwa dass Beschäftigte einen Nachmittag sammeln gehen dürften. „Letztlich ist es aber eine gewaltige Herausforderung im Ehrenamt, diese Zahl von Unterschriften zusammenzubekommen – das war uns auch bewusst.“

Letztlich ist es eine gewaltige Herausforderung im Ehrenamt, diese Zahl von Unterschriften zusammenzubekommen.

Jessamine Davis, Klimaneustart Berlin

Die Initiative Klimaneustart ist damit in einer ähnlichen Situation wie das – letztlich deutlich gescheiterte – letzte Volksbegehren im Sommer. Die Initiative für einen Modellversuch zu einem bedingungslosen Grundeinkommen hatte nur gut 125.000 Unterschriften sammeln können, gut ein Drittel davon wurde auch auf Gültigkeit geprüft. Auch hier hätten Samm­le­r*in­nen gefehlt; man sei in der ersten Hälfte der Zeit nicht präsent genug auf den Straßen gewesen, hatte die Initiative gegenüber der taz selbstkritisch eingeräumt.

Sollte es dennoch gelingen, die Hürde für einen Volksentscheid zu nehmen, könnte das Klimathema unverhofft eine immense politische Präsenz bekommen. Denn falls das Berliner Parlament das Gesetz nicht doch noch annimmt – was als unwahrscheinlich gilt –, würde die Abstimmung mit der absehbaren Wiederholung der Wahlen zum Abgeordnetenhaus zusammenfallen. Landeswahlleiter Stephan Bröchler hat das auf taz-Anfrage bestätigt. Der Termin wäre wohl der 12. Februar.

Mit einer Abstimmung am Wahltag wäre so gut wie sicher, dass die Entscheidung nicht am Quorum, sprich an mangelnder Beteiligung, scheitert. Damit das Gesetz kommt, müssen eine Mehrheit und mindestens 25 Prozent der Abstimmenden dafür votieren. Das Thema Klimaschutz wäre damit auch zentral in dem voraussichtlich ab Januar beginnenden Wahlkampf: vielleicht sogar in dem Maße, wie es die Frage der Enteignungen von großen Wohnungsunternehmen im Wahlkampf 2021 gewesen ist. Auch diese Debatte wurde durch einen parallel anberaumten Volksentscheid befeuert.

Jessamine Davis hofft nun auf einen starken Endspurt, etwa durch vorfrankierte Briefumschläge mit Unterschriftenlisten. Davon hätten sie Zehntausende verteilt. Inzwischen würden täglich bis zu 300 dieser Briefe zurückkommen. Denn: „Wir zweifeln nicht an der Zustimmung für unsere Anliegen. Die meisten Menschen, mit denen wir sprechen, unterschreiben sehr gerne.“

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1 Kommentar

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  • Die Verkehrswende in Berlin wäre billig zu haben, wenn endlich flächendeckend Parkraumbewirtschaftung eingeführt wird, und wenn Falschparken konsequent kontrolliert und geahndet wird. Seit 2016 ist kaum etwas passiert. Viele teure, bunte Radwege, aber die Ursache des Problems - private Steh- & Fahrzeuge - wird nicht angegangen.