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EU nach der Italien-WahlKaterstimmung nach Rechtsrutsch

Jubel im rechten Lager, Empörung bei Grünen und SPD: Selten fielen Reaktionen der Europapolitiker so gegensätzlich aus wie nach der Wahl in Italien.

Die größten EU-Anhänger in Brüssel machen sich bei den Themen Rechtstaat und Russland Sorgen Foto: Oliver Weiken/dpa

Brüssel taz | Ein gefährlicher Dammbruch nach rechtsaußen – oder ein Sieg der Demokratie über die Eurokraten in Brüssel? Selten sind die Reaktionen der Europapolitiker so gegensätzlich ausgefallen wie nach der Rechtsruck-Wahl in Italien. Auch die Folgen für die EU werden sehr unterschiedlich bewertet.

Besonders negativ fiel die Reaktion bei den Sozialdemokraten aus. „Mit der Schützenhilfe der Konservativen gewinnen die Rechtsextremen Fratelli d’Italia die Parlamentswahlen“, twitterte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley (SPD). „Das werden schwere Zeiten für Europa“, warnt sie.

Auch die Grünen reagierten empört. Die Wahl in Italien markiere einen Dammbruch, sagte die Grünen-Politikerin Alexandra Geese, die lange in Italien gelebt hat. Der Rechtsrutsch in Rom sei „kein Ausrutscher“. Der Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, lasse eine „klare Brandmauer“ vermissen.

Weber hatte sich im Wahlkampf für den italienischen Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi stark gemacht. Berlusconi will nun eine Koalition mit den Postfaschisten von Fratelli d’Italia eingehen – ein in der EU einmaliger Vorgang. Bisher galt die Regel, dass demokratische Parteien kein Bündnis mit Rechtsextremen schließen.

EU-Skeptiker fordern einen Kurswechsel in ganz Europa

Die Parteien der Mitte seien mitverantwortlich für den Rechtsruck in Italien, twitterte Linken-Politiker Martin Schirdewan. Die jahrelange Kürzungspolitik habe den Rechten in die Hände gespielt, so der Co-Parteichef.

Anders klingt es im konservativen und rechten Lager. Michael Gahler, außenpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, erklärte, die Forza Italia um Berlusconi stehe für Verlässlichkeit: „Ich habe die Forza Italia viele Jahre lang im Parlament erlebt und insbesondere mit ihren führenden Leuten wie Antonio Tajani, der zehn Jahre Kommissar war und zweieinhalb Jahre Parlamentspräsident. Mit ihm fahren wir einen Kurs der Mitte.“

Allerdings sehen das Berlusconis künftige Koalitionspartner anders. EU-Skeptiker, Rechtspopulisten und Nationalisten jubeln – und fordern einen Kurswechsel nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa. Die AfD, der Rassemblement National (RN) um Marine Le Pen in Frankreich und die PiS-Regierung in Polen wittern Morgenluft.

„Wir jubeln mit Italien“, twitterte die AfD-Bundestagsabgeordnete Beatrix von Storch. Mit einem Seitenhieb auf die Wahlen in Schweden, bei denen die Rechte ebenfalls erfolgreich war, schrieb sie: „Schweden im Norden, Italien im Süden: Linke Regierungen sind so was von gestern.“

Brüssel weist Mitschuld an Rechtsruck zurück

Auch der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki gratulierte. Die französische RN-Führerin Marine Le Pen schrieb, dass die designierte italienische Regierungschefin Giorgia Meloni „den Drohungen einer antidemokratischen und arroganten EU“ standgehalten habe.

Le Pen reagierte damit auf EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die vor der Wahl erklärt hatte, die EU könne gegen Italien zur Not dieselben „Instrumente“ einsetzen wie gegen Ungarn und Polen. In diesen Ländern hatte Brüssel Zahlungen aus dem EU-Budget blockiert, um Verstöße gegen den Rechtsstaat zu ahnden.

Dies sei jedoch, anders als von den Rechten behauptet, nicht als Einmischung in die Wahlen gemeint, stellte von der Leyens Sprecher Eric Mamer klar. Brüssel respektiere selbstverständlich das Wahlergebnis in Rom. Eine Mitschuld am Rechtsruck wies Mamer zurück. Die EU habe Italien mit Milliarden im Kampf gegen die Folgen der Corona­krise unterstützt, betonte er.

Unklar ist, ob das auch künftig so bleibt. Meloni will die Konditionen für den Corona-Wiederaufbaufonds nachverhandeln. Zudem hat sie eine harte Hand gegen Mittelmeermigranten angekündigt. „Das Thema Migration wird nun noch schwieriger“, warnt Grünen-Politikerin Geese. Auch der „Green Deal“ werde sich mit einer Rechtsregierung in Rom schwieriger umsetzen lassen.

Sorgen bereiten Reizthemen wie Russland

Die größten Sorgen machen sich die EU-Anhänger in Brüssel aber bei den beiden Reizthemen Rechtsstaat und Russland. Die EU-Kommission hat gerade erst die Kürzung von 7,5 Milliarden Euro aus dem EU-Budget an Ungarn vorgeschlagen. Für das Verfahren nach dem sogenannten Rechtsstaatsmechanismus ist jedoch eine qualifizierte Mehrheit im Ministerrat nötig. Wenn sich Italien gemeinsam mit Ungarn und Polen querstellt, könnte es eng werden.

Auch der kompromisslose Kurs gegen Russland steht infrage. Berlusconi und der italienische Rechtspopulist Matteo Salvini pflegen gute Beziehungen zu Kremlchef Wladimir Putin. Salvini hat auch die wegen des Ukrainekriegs verhängten EU-Sanktionen gegen Russland infrage gestellt.

Allerdings gilt Meloni nicht als Russland-freundlich. Und auf Meloni kommt es nach der Wahl in Italien an. Selbst wenn sie gemeinsam mit Ungarn und Polen auf Anti-EU-Kurs gehen sollte, gäbe es in der Russlandpolitik keine geschlossene Front. Denn Polen steht, anders als Ungarn, hundertprozentig hinter der harten EU-Linie.

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14 Kommentare

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  • 4G
    43354 (Profil gelöscht)

    Vor einigen Jahren erstellte ich eine großformatige Bildersammlung mit den „lächelnden“ Mündern der Wahlplakate. Nur die Münder, alles andere wurde gelöscht. Eine gruselige Sammlung. Wenn die Fotos mit den drei Wahlsieger*innen in dieser Weise betrachtet werden, dann werden Befürchtungen, Verlogenheit und Falschheit besonders deutlich erkennbar.

  • Ich hoffe sehr, dass das liebe Geld die italienischen Faschisten doch etwas einhegt. Die EU kann das und sollte das auch tun.

    Aber Meloni wird dort agieren, wo sie es kann. Dazu gehört Kultur und Bildung.

    In den USA werden gerade vermehrt Bücher für Bibliotheken und Schulen verboten ("gecancelt"). Dazu gehören Bücher von Elie Wiesel, Toni Morisson, Stephen King, Art Spiegelman, Aldous Huxley, Margaret Atwood...

    Wir leben wieder in finsteren Zeiten.

    www.heise.de/news/...bannt-7275886.html

  • warum eigentlich "postfaschistisch"?



    - da ist nix post. das sind einfach Faschisten.

    und neo ist da auch nix

  • @ZWEITKORREKTUR

    Wer ist "wir"?

  • Wir haben erstmal eine fette Spende an die Flüchtlingsrettung von United4Rescue losgelassen - wir werden Italien nicht den Faschisten überlassen!

  • Örks! Tatsächlich so übel wie vorab gemutmaßt. Und dann noch Berlusconi, die alte Grinseb ...

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Katharina Barley: ""Mit Giorgia Meloni kommt eine Frau an die Macht, zu deren politischen Vorbildern Orbán oder Trump gehören.



    Damit kommen schwere Jahre auf die EU zu."



    ==



    Hinzu kommt, das Meloni ihre tief - braune Herkunft zweifelsohne nicht bestreiten kann - Im Februar 2014 erweiterte die FdI ihren Namen zu Fratelli d’Italia – Alleanza Nazionale und nahm die grün-weiß-rote Flamme, einst Symbol der MSI und AN, in ihr Logo auf. (MSI/AN = Nachfolgeparteien von Mussolinis Faschistenpartei)



    ===



    ===



    Diese züngelt über dem durch einen schwarzen Strich symbolisierten Sarg des Diktators Benito Mussolini. Als Parteichefin Giorgia Meloni 2022 aufgefordert wurde, auf die Flamme im Parteilogo zu verzichten, weigerte sie sich mit den Worten:



    „Wir sind stolz darauf.“



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    ===



    Barleys treffsicherer Voraussage ist nichts hinzu zu fügen.

  • Die linksrotgrünen selbstgerechten Regierungen sind nicht mehr in der Lage das Volk mitzunehmen, immer mehr wenden sich frustriert als Nichtwähler ab. Und so kommt es, dass Minderheiten zu Mehrheiten werden, denn die rechten Wähler gehen immer wählen. So kam es zum Brexit, so kam es zu Orban und so werden auch bald andere EU-Länder einen Rechtsrutsch haben.

    • @Rudi Hamm:

      Welche "linksrotgrünen selbstgerechten Regierungen" gab es denn in Italien in den letzten 30 Jahren?

    • @Rudi Hamm:

      Rassistische, rechtradikale bis faschistoide Parteien und Gruppierungen sind doch längst integrierte Komponente der neoliberalen Dynamik mit enormen wirtschaftlichen Einfluss im Rücken und Hand in Hand mit konservativen Parteien wie Republikaner, Tories, ÖVP, Moderater usw usw.

      • @Nilsson Samuelsson:

        Rechtsradikale und Neoliberale machen seit 50 Jahren gemeinsame Sache. Fragen Sie mal in Chile nach.

        • @Kaboom:

          Ja stimmt!



          Im Fall Chile liegt doch alles inzwischen komplett offen für jede und jeden zu sehen und verstehen, wie konservative und neoliberale Kräfte auf engste mit Rechtsradikalen verbunden sein können.



          Wie hieß es noch mal?



          Von der Geschichte lernen?

    • @Rudi Hamm:

      Ja, so ist es.

  • "Brüssel respektiere selbstverständlich das Wahlergebnis in Rom."

    Mehr kann man eh nicht machen. Wir wollen unser Wahlergebnis ja auch respektiert wissen.