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Abtreibungsverbot in MaltaVerletzung der Menschenrechte

Für Länder mit Abtreibungsverbot wie Malta sollte es Reisewarnungen geben. Denn wer schwanger werden kann, riskiert dort im Zweifel sein Leben.

Demo gegen das Abtreibungsverbot in Malta am 22. Juni 2022 Foto: Darrin Zammit Lupi/reuters

Will man in Ländern Urlaub machen, deren Regierungen Menschenrechte verletzen? In China, das Ui­gu­r*in­nen in Zwangslager sperrt? In der Türkei, wo kritische Jour­na­lis­t*in­nen im Knast verschwinden? In Ägypten, wo die Menschen unter den Repressionen des Militärstaats leiden? Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Doch wenn es um bestimmte Menschenrechte geht, ist diese Frage nicht nur eine ethische. Für Reisende, die schwanger werden können, kann es um ihr Leben gehen.

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Eigentlich wollten die US-Amerikanerin Andrea Prudente und ihr Partner bloß Urlaub machen. Im Juni auf Malta die Sonne genießen, das Meer, und sich auf die Zukunft zu dritt freuen. Prudente war in der 16. Woche schwanger. Doch es kam anders. Sie verlor die Schwangerschaft – und verklagt nun Malta wegen seines strikten Abtreibungsverbots. Der Vorwurf: Menschenrechtsverletzung.

Prudente musste mit Schwangerschaftskomplikationen ins Krankenhaus. Sie hatte Fruchtwasser verloren und die Plazenta hatte sich abgelöst. Der Fötus sei nicht lebensfähig, erklärten die Ärzt*innen. Doch sie weigerten sich, ihn aus ihrem Körper zu entfernen: Nach wie vor waren Vitalfunktionen darstellbar.

Die strengsten Abtreibungsgesetze weltweit

Das EU-Land Malta hat eins der strengsten Abtreibungsgesetze weltweit. Schwangerschaftsabbrüche sind unter allen Umständen illegal, auch in Fällen von Vergewaltigung oder bei Gefahr für die Gesundheit der Schwangeren. Man müsse warten, bis der Fötus tot sei, erklärten die Ärz­t*in­nen Prudente. Das kann lebensbedrohlich sein, zum Beispiel, wenn sich eine Sepsis entwickelt.

Prudente erreichte, dass man sie nach zwei zermürbenden Wochen im Krankenhaus nach Spanien ausflog. Dort erhielt sie die notwendige medizinische Behandlung. Eine Möglichkeit, die ihr als Touristin offenstand – die viele Malteserinnen aber nicht haben. Wer ungewollt schwanger ist, muss für einen Abbruch ins Ausland reisen oder sich heimlich Ab­trei­bungs­pil­len über das Internet besorgen. Wer aber eine Fehlgeburt erlebt, der droht im schlimmsten Fall das, was auch Prudente im Krankenhaus erlebte. Ak­ti­vis­t*in­nen berichteten ihr, es gebe jedes Jahr Fälle wie den ihren. Doch kaum jemand spreche darüber, zu groß sei das Stigma.

„Ich bin fest davon überzeugt, dass ich Opfer eines Gesetzes wurde, das Frauen schadet, und dass ich als Außenstehende in der einmaligen Situation bin, den Mund aufzumachen und Licht auf eine Sache zu werfen, die sich falsch anfühlt“, sagte Prudente dem Magazin Vice. Die maltesische Regierung habe gegen ihre Verpflichtung verstoßen, für Sicherheit und Würde zu sorgen. Das Abtreibungsverbot verstoße gegen ihr Recht auf Freiheit, den Schutz des Rechts auf Leben, das Recht auf Achtung des Familienlebens und den Schutz vor unmenschlicher Behandlung. Es handle sich zudem um Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Das Recht auf Gesundheit ist ein Menschenrecht. Dazu zählen auch reproduktive Rechte – also auch: das Recht jeder Person, selbst zu entscheiden, ob und wenn ja, wann, mit wem und wie oft sie Kinder bekommt, und dabei die bestmögliche medizinische Versorgung zu erfahren. Auch wenn viele Länder es bis heute nicht wahrhaben wollen: Dieses Recht ist nicht realisierbar, ohne auch den Zugang zu legalen und medizinisch sauberen Schwangerschaftsabbrüchen sicherzustellen.

Nicht immer gehen Fälle wie der Prudentes am Ende gut aus – und zwar längst nicht nur dort, wo es ein Totalverbot gibt. Erst im letzten Jahr starb in Polen eine junge Frau an einer Sepsis, weil die Ärz­t*in­nen sich weigerten, einen nicht lebensfähigen Fötus aus ihrem Körper zu entfernen. Dabei sind dort Abbrüche, die das Leben der Schwangeren retten, erlaubt. Und auch in den USA häufen sich Berichte von Ärzt*innen, dass Frauen mit einer Fehlgeburt die notwendige Behandlung verwehrt wird, seit der Supreme Court das Recht auf Zugang zu Abtreibungen gekippt hat und zahlreiche Bundesstaaten ihre Gesetze verschärft haben.

Diese Fälle zeigen in aller Deutlichkeit, warum ein Abtreibungsverbot kein Leben rettet, wie die Anti-Choice-Bewegung oft behauptet – sondern Leben kostet. Zum einen zwingen sie ungewollt Schwangere in die Illegalität – und zu unsauberen und gefährlichen Methoden. Zum anderen kann ein Abtreibungsverbot eben auch jene betreffen, die eigentlich gewollt schwanger sind.

Ärz­t*in­nen stellen fest, dass ein Fötus keinerlei Überlebenschancen hat. Dennoch verweigern sie den Eingriff, solange Vitalfunktionen darstellbar sind. Es könnte ihnen von der Justiz ja als Abtreibung angelastet werden. Und so muss eine Situation, die lebensbedrohlich werden kann, erst tatsächlich lebensbedrohlich werden, bevor sie handeln. Manchmal ist das zu spät. Und immer werden auf diese Weise Menschenleben im Namen des sogenannten Lebensschutzes wissentlich aufs Spiel gesetzt.

„Falls du eine Frau kennst, falls du eine Frau liebst, falls du vorhast, jemals eine Frau zu kennen oder zu lieben, oder falls du eine Frau bist: Fahr nicht nach Malta.“ Das hat Prudentes Partner im Guardian gesagt, nachdem die beiden die Insel verlassen hatten.

Falls du eine Frau kennst, falls du eine Frau liebst, falls du vorhast, jemals eine Frau zu kennen oder zu lieben, oder falls du eine Frau bist: Fahr nicht nach Malta

Jay Weeldreyer, Partner von Andrea Prudente

Und er hat recht: Eigentlich müsste es für Länder mit Abtreibungsverbot Reisewarnungen geben. Menschen, die schwanger werden können, sollten sich genau überlegen, ob sie Reisen nach Malta, Brasilien, Polen, in Teile der USA oder viele andere Länder riskieren. Und alle Menschen sollten sich ein Beispiel nehmen an Andrea Prudente und Abtreibungsverbote als das benennen, was sie sind: Menschenrechtsverletzungen, die überall auf der Welt ein Ende haben müssen.

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5 Kommentare

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  • "Erst im letzten Jahr starb in Polen eine junge Frau an einer Sepsis, weil die Ärz­t*in­nen sich weigerten, einen nicht lebensfähigen Fötus aus ihrem Körper zu entfernen. Dabei sind dort Abbrüche, die das Leben der Schwangeren retten, erlaubt. Und auch in den USA häufen sich Berichte von Ärzt*innen, dass Frauen mit einer Fehlgeburt die notwendige Behandlung verwehrt wird, seit der Supreme Court das Recht auf Zugang zu Abtreibungen gekippt hat und zahlreiche Bundesstaaten ihre Gesetze verschärft haben."

    In den USA kommt es übrigens immer öfter vor, dass Patient:innen Medikamente verweigert werden, die neben ihrer Funktion als Abtreibungspille auch bspw. gegen rheumatoide Arthritis eingesetzt werden können. Apotheken in entsprechend repressiven Staaten trauen sich oft nicht mehr, sie zu bevorraten - was dann dazu führt, dass auch cis Männer nicht mehr an ihre Medizin kommen. Die Angst ist dort so groß, dass vorhandene Spielräume gar nicht erst ausgenutzt werden. Zum Leidwesen aller.

    Das und der Fall aus Polen zeigen, ebenso wie die sinkende Zahl von Abtreibungskliniken in vielen Ländern, auch Deutschland, dass der Wahn der Freunde erzwungenen Gebärens Kreise zieht, die viel weiter gehen als die offizielle Gesetzeslage. Es ist Ziel solcher Bewegungen, ein Klima von Angst und Verunsicherung zu schaffen und Frauen systematisch zu terrorisieren.

    Es ist überfällig, gegen solche Übergriffe zu handeln. Bspw. bin ich der Meinung, dass Demonstrationen vor allen medizinischen Einrichtungen nur noch streikendem Personal vorbehalten sein sollten. Wir müssen Fanatikern, die Frauen in einer der schwersten Stunden ihres Lebens drangsalieren wollen, endlich ihre Grenzen aufzeigen.

  • Die Liste sollte fortgesetzt werden, z.B. durch alle Staaten der EU, die es dulden oder aktiv betreiben, dass Menschen an ihren Außengrenzen im Meer ertrinken, Helfer:innen vor Gericht gestellt werden, Afrikaner:innen an der Grenze gejagt und manche getötet werden, mit Milizen in Libyen kooperiert wird, die Menschen in Folterlager verbringen, und nicht zuletzt dem Klimawandel weiterhin aktiv Vorschub geleistet wird.

    Leider macht die Liste ohne diese Fortsetzung keinen Sinn, weil sie dann zu augenfällig sich vorwiegend auf Staaten bezieht, zu denen die EU-Staaten in Gegnerschaft stehen.

    Das wird durch den Fokus auf Malta zu einem Zeitpunkt nicht ausreichend gutgemacht, wo jeden Tag Menschen an den Außengrenzen der EU sterben, oder wo die EU keine Entschädigung im Sinne einer Wiedergutmachung an die 30 Millionen Menschen in Pakistan zahlt, die ihre Häuser wegen Überflutungen räumen mussten.

    Allerdings ist bei vollständiger Auflistung das Ergebnis, dass wir nirgendwo mehr Urlaub machen können.

    Das ist frustrierend, aber Frustration sollte uns nicht daran hindern, die Realität zu sehen.

    Die Welt zerfällt nicht in Staaten, die Menschenrechte verletzen und andere Staaten, die sie schützen. Vielmehr unterscheiden sich die verschiedenen Staaten lediglich in der Art der Menschenrechte, die sie verletzen, und ihren jeweiligen strategischen Gründen hierfür.

    Wenn wir diese Wirklichkeit nicht endlich so benennen, wie sie ist, anstatt uns implizit permanent zu loben, werden diese weltweiten Missstände nie überwunden werden können.

    Die EU könnte sofort entschiedenen Maßnahmen gegen den Anteil des Klimawandels treffen, den sie verursacht und sie könnte sofort die Länder des globalen Südens für den historisch durch die EU-Staaten verursachten Schäden entschädigen. Ebenso könnte die EU sofort das Sterben an ihren Außengrenzen stoppen.

    Es wäre hilfreicher für die Menschenrechte, wenn die EU dies täte, anstatt nur zu warten, dass andere Menschenrechte einhalten.

  • So ist das eben bei uns in der christlich abendländischen EU, aber wir könnten ja mal im Iran nachfragen, wie man wenigstens das Recht auf therapeutische Abtreibung mit religiösem Fanatismus vereinbaren kann. Im Gegensatz zum EU Recht haben die dort trotz kürzlichen Verschärfungen halbwegs brauchbare Gesetze mit denen in Notfällen die Frau gerettet wird... Oder sollen die EU Bürgerinnen nach Saudi Arabien gehen? Da darf man im Notfall auch abtreiben. In China geht es absolut problemlos, aber auch Russland ist im Vergleich zu machen EU Ländern ziemlich modern in Sachen Frauenrechte. Es gibt viele Möglichkeiten für uns, aber halt nicht überall in der EU.

  • Auch die deutsche Gesetzgebung (§218 StGB) betrachte ich als Verstoß gegen die Menschenrechte. Trotz der vergleichsweise liberalen Auslegung des Gesetzes.

  • Es tut mir sehr leid, was Andrea Prudente und ihr Partner da durchmachen mussten. Danke, dass sie so mutig sind und den Mund aufmachen. Hoffentlich bringt das den einen oder anderen "Lebensschützer" zum Nachdenken.