Repression in Ägypten: Staatspartei mag keine Kritik

Im November tagt die Weltklimakonferenz in Ägypten. In der Zwischenzeit attackiert das Regime die letzte unabhängige Nachrichtenplattform.

Eine Frau hat kurze schwarze Haare, trägt eine Bluse und lacht

Lina Attalah, Chefredakteurin von Mada Masr Foto: Tania/laif

KAIRO taz | Wenige Wochen bevor Ägypten als Gastgeber der Weltklimakonferenz im November in Scharm al-Scheich auftritt, steht Mada Masr, die letzte unabhängige und investigative Nachrichtenplattform, dort in der Schusslinie.

Vier Journalistinnen, darunter die Chefredakteurin Lina Attallah waren am vergangenen Mittwoch zur Staatsanwaltschaft in Kairo zu einem stundenlangen Verhör geladen. Am Abend kam dann die offizielle Anklage, Falschnachrichten verbreitet und den öffentlichen Frieden gefährdet zu haben. Alle vier Frauen, neben Attallah auch Rana Mamdouh, Beesan Kassab und Sara Seif Eddin wurden zunächst auf Kaution freigelassen. „Der Fall wird aller Voraussicht nach vor Gericht verhandelt werden, wenn nicht genügend politischer Druck aufgebaut wird“, fürchtet Raja Omran, eine der Anwältin der Journalistinnen, im Gespräch mit dieser Zeitung.

Grund der Anklage ist ein Artikel vom 31. August, in dem mehreren Mitgliedern der Zukunftspartei der Nation Korruption vorgeworfen wurde. Die Partei wurde von Loyalisten des ehemaligen Militärchefs und heutigen Präsidenten Abdel Fatah al-Sisi gegründet und ist die größte Partei im ägyptischen Parlament. Laut dem Artikel sollen mehrere hohe Parteimitglieder wegen Korruption von einem Ausschlussverfahren bedroht sein. Er zitiert vier anonyme Quellen, die davon sprechen, dass innerhalb der Partei eine Reinigungsaktion gegen hohe Parteimitglieder laufe.

Daraufhin wurde vonseiten der Parteimitglieder gegen Mada Masr Anzeigen wegen Beleidigung und Verleumdung erstattet. „Da mehr als 500 Anzeigen aus allen Teilen des Landes eingegangen sind, war das offensichtlich eine organisierte Aktion“, glaubt die Anwältin Omran.

Letzte Bastion der Pressefreiheit

Mada Masr hat sich in den in den letzten Jahren immer wieder wegen seiner kritischen und investigativen Berichterstattung über Ägypten einen Namen gemacht. Sie gilt als die letzte Bastion der Pressefreiheit in einem Land, in dem die restlichen Medien gleichgeschaltet und vom Sicherheitsapparat kontrolliert werden.

Das US-Magazin Time bezeichnete die Chefredakteurin Attalah 2020 als „die Enthüllungsjournalistin der arabischen Welt.“ Im gleichen Jahr wurde sie vom International Center for Journalists mit dem „Knight International Journalism Award“ ausgezeichnet und in Darmstadt mit dem Hermann-Kesten-Preis des PEN-Zentrums geehrt.

Mada Masr wehrt sich in einer ersten Erklärung gegen die Anklage der Verleumdung von Mitgliedern der Zukunftspartei der Nation. Der Bericht über die Partei, die die meisten Stimmen im Parlament innehabe, sei von öffentlichem Interesse.

Vor drei Jahren wurde die Redaktion Madas von Sicherheitskräften durchsucht. Auslöser war ein Bericht Attalahs über den ältesten Sohn des Präsidenten, Mahmud al-Sisi, einem damals leitenden Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes. Im Mai 2020 wurde Attalah während eines Interviews mit Laila Soueif, der Mutter des prominenten Aktivisten und politischen Gefangenen Alaa Abdel Fattah, vor einem Gefängnis in Kairo für mehrere Stunden in Haft genommen.

Ägypten rangiert auf der Pressefreiheits-Liste von „Reporter ohne Grenzen“ auf Rang 168 von 180 Ländern.

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