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Schöner MüllDas Popolappen-Projekt

Was tun mit einem Kuchenspringformrand ohne Boden? Unsere Autorin bastelt einen Hygienetuchspender daraus – passend zum neuen Waschlappentrend.

Die Kuchenform ist jetzt ein Regal Foto: Waltraud Schwab

Ob man einen Kuchen mitbringen kann zum Fest wird gefragt und, ja klar, die Kuchenbäckerin legt sich ins Zeug. Käsekuchen mit Aprikosen, Streuselkuchen mit Marzipan, Elsässischer Apfelkuchen, Schokoplotzer oder Nusstorte ohne Mehl – man ist bereit, einiges in die Waagschale zu werfen, um Freude zu bereiten. Und Anerkennung zu bekommen. Ein „Hmmm“, ein „Toll“, ein „Lecker“. Frauen kriegen für ihre Haushaltsarbeiten doch sonst kaum Lob.

Den Kuchen zu backen ist das eine, aber wie wird er zum Fest transportiert? An dieser Stelle wird mitunter eine Entscheidung getroffen, die sich später als Fehler herausstellt: Der Kuchen wird in der Springform transportiert; das ist für ihn am sichersten.

Für Backlaien: Eine Springform ist diese runde Kuchenform, deren Rand mit einer Schnalle geöffnet werden kann, und die sich dabei vom Backformboden löst. Ich hatte mir – überzeugt, dass eine Springform ein wertvolles Backgerät ist – eine mit emailliertem Boden gekauft, auf dem der Festkuchen dann auch aufgeschnitten werden kann, ohne Kratzer auf dem Springformboden zu hinterlassen oder gar die Beschichtung zu zerstören. (Niemals würde ich eine beschichtete Backform kaufen. Ich halte Beschichtungen für Sondermüll.)

Und ja, der mitgebrachte Kuchen war ein Erfolg.

Als ich gehen wollte, lagen allerdings noch ein paar Stücke auf dem Springformboden. Ein klügerer Mensch hatte von seinem mitgebrachten Kuchen noch ein paar Stücke daraufgelegt, um sein Geschirr mitnehmen zu können. Okay, dachte ich, lass den Springformboden hier, auf dem der Kuchen lag. Nimm nur den Ring mit, die Gastgeberin ist deine Freundin. Sie ist es immer noch, aber der Springformboden tauchte nie mehr auf.

Der Springformrand ohne Boden Foto: Waltraud Schwab

Wofür kann ein Springformring noch gut sein?

Eine ganze Weile lag der Springformring noch in meinem Schrank, ich immer hoffend, dass eines Tages sein Boden wieder auftauchen würde. Doch irgendwann stellte sich die Frage, wofür ein verwaister Springformring noch gut sein kann? Mit einem Zwischenboden, vielleicht ein Miniregal. Bloß wofür? Dann kam die Pandemie und mit ihr die Sache mit dem Händewaschen.

Gut, dachte ich, der Springformring wird zu einem Spender für Minihandtücher. Einmal die Hände damit abtrocknen und dann ab in die Kochwäsche, so die Idee. Ich schnitt ein Brett zu in Durchmessergröße der geschlossenen Springform, fixierte es und besprühte mein neues Wandregal mit einem Rest orangefarbenem Acryllack. Ich schnitt etwas in die Jahre gekommene Handtücher in kleine Stücke, versäuberte die Schnittkanten an der Nähmaschine mit Zickzackstich, rollte sie zusammen und steckte sie in die nun an der Wand hängenden Springform.

Als die Pandemie Fahrt aufnahm, kam die Toilettenpapierkrise dazu. „Ähm, kann ich mir mit dem Gästehandtuch auch den Hintern abwaschen?“, rief eine jugendliche Besucherin durch die geschlossene Klotür, nachdem sie die Klopapierrolle aufgebraucht hatte und keine neue in Sicht war. Seither heißen die Handtüchlein „Popolappen“ und das Schöner-Müll-Projekt „Hygienetuchspender“.

Den unreflektierte Kretschmann

Das Popolappenprojekt würde als Pandemie-Erfolgsgeschichte schon reichen. Dann kam der Krieg in der Ukraine und mit ihm die Energiekrise. Es wurde noch klarer: Wer einen Hygienetuchspender im Badezimmer hängen hat, ist den Ereignissen einen Schritt voraus. Spätestens seit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann dem Waschlappen zum Energiesparen das Wort redet, wissen wir das. Zwar ist es geschmäcklerisch, wenn jemand, der steigende Energiekosten gut verschmerzt, den Armen Ratschläge gibt, aber sei’s drum.

Seit Kretschmanns Vorstoß wird nun allenthalben über die Vorzüge des Waschlappens gesprochen. Im Netz gibt es Anleitungen, wie man sich richtig damit wäscht, dass man einen für oben, einen für den Intimbereich und einen für den Hintern nehmen soll und so weiter. Die Info ist notwendig, denn für den Menschen des Dekadenzzeitalters war ja bislang alles im Überfluss da: Wasser, Strom, Kuchen, Klopapier. Mittlerweile ist ein Wettstreit entstanden, wer sich alles krisenfreundlich mit Waschlappen wäscht. Prominentester Bekenner: Der Astronaut Matthias Maurer. Auf der ISS ist nichts mit täglichem Duschen.

Präzisionswerkzeug war gerade keines zur Stelle Foto: Waltraud Schwab

Nicht nur als Gästehandtücher und Popolappen taugen die kleinen Stoffstücke im Springformregal also, auch für die Katzenwäsche sind sie gut. Und damit die nassen Lappen bis zur nächsten Kochwäsche nicht anfangen zu müffeln, werfen wir sie in einen Kinderfahrradkorb, der an der Badheizung hängt.

Anleitung

1. Sie brauchen einen verwaisten Springformring und ein Stück Holz. Ideal eignet sich ein Seitenbrettchen einer Obstkiste. Des Weiteren drei, vier Handtücher, die Ihnen nicht mehr gefallen. Ein Rest Acryllack dazu. Eventuell Heißkleber.

Heißleber hilft beim Fixieren Foto: Waltraud Schwab

2. Schneiden Sie das Handtuch in etwa 20 x 15 Zentimeter kleine Stücke. Muss nicht genau sein. Die Kanten mit der Nähmaschine mit Zickzackstich versäubern. Man muss es nicht unbedingt tun, aber wenn man es tut, halten sie länger und fransen nicht aus. Und da es hier um Ressourcenschonung geht, wird das Versäubern der Kanten empfohlen.

3. Schleifen Sie den Springformrand etwas an. (Dieser Punkt kann übersprungen werden.)

4. Schneiden Sie das Brettchen auf die Länge des Durchmessers der Springform und klemmen Sie es ein. Ich dachte, das sei easy – war es aber nicht, was wohl daran lag, dass es schnell gehen sollte und ich es mit der Akkuratesse nicht so genau nahm. Weil es nicht perfekt passte, habe ich es mit Heißkleber extra fixiert. Und das funktioniert wunderbar.

5. Besprühen Sie das Springformregal mit farbigem Lack.

6. Nachdem die Farbe getrocknet ist, hängen Sie das Regal mit einem großen Nagel an die Wand, rollen die Handtüchlein zusammen und stecken sie hinein.

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