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RBB in der KriseUnd alle gucken weg

Gastkommentar von Katharina Körting

Die Affäre Schlesinger demonstriert, wie die beitragsfinanzierte Mitnahmementalität funktioniert. Je höher der Status, desto größer das Ego.

Patricia Schlesinger wollte den RBB rocken, das ist ihr gelungen Foto: Thomas Ernst/rbb

D ie ARD-Intendanten entziehen ihr das Vertrauen, der RBB-Verwaltungsrat entlässt sie fristlos – Patricia Schlesinger, zuletzt Intendantin des Rundfunks Berlin-Brandenburg, hat keine FreundInnen mehr. So schnell kann man gar nicht gucken, wie sich da nun alle von ihr abwenden – und nichts gewusst haben wollen. Aber es muss doch jemand gesehen haben! Wozu ist denn so ein Büro wie das von Schlesinger gut, wenn nicht, um gesehen zu werden?

Es soll „Repräsentationszwecken“ dienen, Gäste in Empfang nehmen, entsprechend der grandiosen Bedeutung des Rundfunks und seiner Intendantin. Zumal diese seit Januar auch noch Vorsitzende der noch bedeutenderen ARD war – es muss also so großartig wie möglich sein. Da muss doch jemand mitbekommen haben, wie sehr die Intendantin über ihre und unser aller, der BeitragszahlerInnen, Verhältnisse lebte.

Mit gutem Grund sind wir BürgerInnen, die monatlich 18,36 Euro fürs öffentlich-rechtliche Radio, Fernsehen, Internet bezahlen müssen, wütend. Die grandiose Überschätzung des eigenen Verdienstes auf unsere Kosten ist eine grandiose Unverschämtheit. Erst die Honorare für die freien MitarbeiterInnen kürzen und sich dann selbst 16 Prozent Gehaltserhöhung gönnen.

Die Aufregung darüber ist daher keine Neiddebatte, sondern eine um die fahrlässige Gefährdung demokratisch notwendiger Institutionen durch das eigene Personal. Schlesinger betrieb gewissermaßen Sabotage an der Glaubwürdigkeit der Demokratie. Eine bessere Angriffsfläche hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen GegnerInnen von weit rechts gar nicht bieten können.

Bild: privat
Katharina Körting

ist freie Autorin und Journalistin in Berlin. In Buchform erschienen zuletzt die Essays „Kontakttagebuch“ und „Liquidierung der Vergangenheit“ sowie die Erzählung „Margret & Fritz“.

303.000 Euro Jahresgehalt

Und jetzt recherchiert der eigene Sender gegen sie – wir BeitragszahlerInnen bezahlen, dass endlich ans Licht kommt, was doch für viele offensichtlich sein musste! In ihrer ersten „Panorama“-Sendung im Jahr 1997 hatte Schlesinger noch die Verschwendung von „unserem Steuergeld“ beklagt – es ging um Opferrenten für Naziverbrecher in Höhe von monatlich mehreren Tausend Euro.

Sie selbst bezog mit 303.000 Euro ein deutlich höheres Jahresgehalt als jedeR deutsche MinisterpräsidentIn – warum? Und ob sie tatsächlich kein „Ruhegeld erhalten wird, wie vom RBB-Verwaltungsrat gewünscht, werden wohl erst Gerichte klären müssen, denn Schlesinger sieht sich als „Sündenbock“ missbraucht, ihre Kündigung sei „durch die Faktenlage keineswegs gedeckt“. Na wunderbar.

Dem eigenen Ehemann besorgte sie, mutmaßlich in Vetternwirtschaft – die Staatsanwaltschaft hat erst nach einigem Zögern die Ermittlungen aufgenommen – einen honorierten Beraterjob, sie selbst ließ sich mal eben 20.000 Euro Bonus auszahlen – wofür? Und warum meinte diese oberste Angestellte – und mit ihr offenbar ihr gesamtes ge- und verblendetes Umfeld –, sie habe einen Dienstwagen für 145.000 Euro „verdient“, samt Massagesitzen und der Möglichkeit, ihn auch privat zu nutzen, zwei Chauffeure inklusive?

Dienstwagen mit Massagesitz

Warum nur ging sie davon aus, dass der schicke neue Fußboden in ihrem Büro, Sofas vom Feinsten, Pflanzen mit automatischer Berieselung und so weiter und so fort – insgesamt kostete der Umbau der Indendantinnenetage rund 1,4 Millionen Euro – von Beiträgen zu entrichten seien? Noch dazu an den vorgeschriebenen internen Prüfinstanzen vorbei? Größenwahn? Oder welche Mentalität steckt dahinter?

Je höher der Status, desto größer das Ego, desto mehr Gestaltungsspielraum, desto ungehemmter das Wirtschaften in die eigene Tasche. Die mit den dicksten Gehaltsansprüchen machen dann gern auf volkswirtschaftlich unentbehrlicheN „LeistungsträgerIn“. Aber auch unterhalb der oberen Zehntausend treibt nicht wenige der Anspruch durchs Leben, die Welt sei ihnen etwas schuldig. Mal eben den To-go-Müll auf die Straße werfen? „Macht jemand anders weg!“ Energiesparen im Büro? „Wieso?

Zahlt doch die Firma!“ Die Schultoiletten sind verdreckt? Ungeheuerlich! Schon, aber warum sind sie es denn? Weil offenbar zu viele SchülerInnen, Lehrkräfte und Eltern davon ausgehen, sie seien nicht dafür zuständig, Devise: „Gehört mir nicht, machen andere sauber.“ Kaum jemand sieht sich in der Verantwortung fürs allgemeine, und jeder exzessiv fürs eigene Wohl.

Die Marktwirtschaft hat das großartig gerichtet, so wie sie angeblich alles zum Guten wendet. Nach dem pseudoliberalen Motto: „Geht es mir gut, geht es allen gut“. Da wird Egoismus zum moralisch vertretbaren, weil gemeinnützigen Akt. Nehmen und Fordern, statt selbst mit anpacken – und andere bezahlen lassen. Und noch wichtiger: Man kann sich wahnsinnig bedeutend dabei fühlen und sich entsprechend wichtig machen, in Gestus, Kleidung, Büroausstattung, Luxusessen.

Heillose Selbstüberschätzung

Dumm nur, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk seine Einnahmen nicht auf dem freien Markt erwirtschaftet, sondern beitragsfinanziert. Er ist der Allgemeinheit verpflichtet. Die kapitalistische Mitnahmementalität funktioniert in einer Institution mit öffentlich-moralischem Anspruch nicht ganz so gut. Aber offenbar versagten alle Kontrollmechanismen. Ich war immer ein Fan des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und habe ihn bei jeder Gelegenheit verteidigt.

Er leistet oft gute, demokratiewichtige Arbeit. Die Qualität vieler Beiträge ist hoch. Ich habe meine Beiträge stets gern gezahlt. Doch meine Überzeugung gerät nun ins Wanken. Anders als die ein oder andere verunglückte Sendung und mitunter arg regierungsnahe Berichterstattung lässt sich das nicht so einfach schlucken: dass wir alle für den weltfremden Luxus und die heillose Selbstüberschätzung derer „da oben“ unsere Beiträge gezahlt haben.

Schlesinger wollte „den RBB rocken“. Nun, das ist ihr gelungen. Den Volkszorn darüber sollte man nicht den GegnerInnen der Demokratie überlassen. Denn es gibt einen Trost: Eigentlich ist es beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie mit den Schultoiletten: Es handelt sich um Volkseigentum. Das ist unsere Firma. Sie gehört allen. Wir sind alle verantwortlich. Und sie ist uns allen Rechenschaft schuldig.

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19 Kommentare

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  • Ein Geschäftsmodell, wie der öffentliche Rundfunk sucht seines Gleichen. Wir machen einfach jeden, der eine Haus oder eine Wohnung bewohnt oder ein Auto hat, zu unserem Kunden. Kein Radio- oder Fernsehgerät? Aber sicher doch einen Computer mit Internetzugang oder ein Smartphone. Ja, na dann sind Sie unser Kunde, ganz gleich ob Sie unseren Service nutzen.



    Damit das mit dem Internet aufgeht, müssen wir nun auch Inhalte in einer Mediathek anbieten. Auf die können wir dann auch schön verweisen, wenn jemand weiterführende Informationen möchte. So kann man auch den Informationsgehalt in den Nachrichten etwas schmaler halten. Ja gut, doof für den, der kein Internet hat (z.B. die Alten). Mit der Zeit muss man ja auch gehen, kaufen wir uns doch ein paar Youtube-Kanäle ein und packen sie unter dem Oberbegriff Funk zusammen. Ob die Inhalte dem ursprünglichen Auftrag der öffentlich Rechtlichen dann noch entsprechen, interessiert doch eh keine Sau. Hauptsache wir können viele Gebühren eintreiben. Von irgendwas müssen wir ja die großen Immobilien, die Gehälter, die Pensionsansprüche, die schönen Dienstwagen und den ganzen Bums bezahlen.



    Wie alles was öffentlich ist, was eine Behörde ähnelt fängt an über seine ursprüngliche Daseinsberechtigung hinaus zu wuchern. Das gilt für Behörden, Ministerien und auch z.B. den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Und somit steigt auch der Bedarf an Geld, viel Geld und immer mehr Geld. Wo so viel Mittel zur Verfügung stehen werden Begehrlichkeiten geweckt und schon wird in die eigenen Taschen gewirtschaftet.



    Und jetzt noch mal für mich. Warum bezahle ich noch mal diese Gebühren? Nur mal so, an der Qualität kann es nicht liegen.

  • "Anders als die ein oder andere verunglückte Sendung und mitunter arg regierungsnahe Berichterstattung lässt sich das nicht so einfach schlucken"

    --> Genau anders herum wird ein Schuh draus.

    Die Luxussucht könnte man vergeben, wenn wenigstens die inhaltliche Leistung stimmte. Das ist der Kern des ÖRR. Wenn sich bewahrheitet, was jetzt beim NDR im Raum steht, die Unterdrückung regierungskritischer Berichterstattung, ist der Skandal um die Luxussucht der Patricia S. tatsächlich ein Luxusproblemchen.

    Denn dann stimmt, was die Feinde des ÖRR seit Jahrzehnten (bisher gleichwohl fälschlich) behaupten: Der ÖRR wäre zwangsgebührenfinanzierter Staatsfunk.

  • "Eine bessere Angriffsfläche hätte der öffentlich-rechtliche Rundfunk seinen GegnerInnen von weit rechts gar nicht bieten können."

    Wenn der öffentlich-rechtliche Rundfunk nur Kritik von rechts oder weit rechts erhält, braucht man sich nicht wundern. Besser wäre es gewesen, auch von links wäre genauer hingeschautund nicht jede Kritik als "rechts" diskreditiert worden.

  • Und alle gucken weg

    Die Überschrift stimmt nicht. Es müsste heißen, alle gucken hin, aber keiner tut was.



    Wir sind alle so bequem geworden oder verweisen auf andere Zuständigkeiten. Der ÖRR hat ein wirklich gutes Potential, aber das sollte mal genutzt werden.

  • Eine Veruntreuung der finanziellen Mittel ist eine Sache, die Parteinähe der Chefetage der Sender eine Andere. Da wird noch eine weitere Skandalwelle auf uns zurollen. Siehe NDR, wo die Chefetage auf Grund ihrer Parteinähe (da werden die Minister noch mit dem Vornamen genannt, so Nahe steht man sich) aktiv negative Berichterstattung zu Politikern behindert hat.

  • Schultoiletten: auch hier hilft keine wild in den Raum gestreute Verteilung der Verantwortung.



    Stattdessen muss Kritik sich auf die konkrete Einzelverantwortung beziehen, um wirksam zu sein:



    - Stadt ist für Reinigung verantwortlich



    - Stadt ist für Investition verantwortlich, aber muss staatlich genug Geld zur Verfügung haben



    - Lehrer sind für Durchsetzung des Verhaltenskodex in der Schule verantwortlich



    - Eltern sind verantwortlich, ihren Kindern den Respekt vor anderen und deren Dingen beizubringen



    Letzteres ist zentral, denn ohne Bewusstsein für Fehlverhalten können alle anderen nichts erreichen.

    Genauso ist auch der RBB spezifisch zu kritisieren:



    Wer hat wann wo versagt?



    Pauschales Gemecker drückt die Stimmung, aber hilft nicht. Kritik ist Arbeit!

  • Ja, mich nervt es auch.

    Für die die den Laden seit 2,5 Jahren ohne Privilegien am Laufen halten, ist es mit den Sparmaßnahmen und Einschränkungen zu arbeiten.



    Und ja ein pseudoliberales System in einem õffentlich rechtlichen System xu installieren fõrdert die vermeintlich charismatischen durchsetzungsstarken Menschen, aber die haben immer eine Gefolgschaft und Unterstützer, die ihre schützenden Hände über sie halten. Doch fuer die die das jahrelang sehen konnten, weil offensichtlich blieben nur 2 Mõglichkeiten, die weit weg von einer konstruktiven Kritik waren.

  • Bravo. Endlich eine rundherum vernünftige Stimme. :)

  • Man solle doch auch hier an Georg Thiel denken, der wegen 600 (!!) Euro nicht bezahlter Rechnungen ins Gefängnis gehen musste, Wie lange müsste dann Frau Schlesinger für die von ihr veruntreuten Gebühren sitzen?

  • "Wenn alle an sich denken und sich dementsprechend verhalten, ist doch für alle gesorgt", hier ist etwas vollkommen aus dem Lot geraten. Es braucht andere Kriterien für die Besetzung der Spitzenpositionen im ÖRR/ ÖR-TV. Wer gute journalistische Arbeit leistet, ist nicht automatisch Manager oder charismatische Persönlichkeit mit Führungsqualitäten. Vielleicht sollten Personalagenturen befragt werden im Vorfeld von relevanten Entscheidungen im Umfeld der Macht dieser Medien, in einzelnen Bundesministerien hatten die Politiker:innen auch hohen Bedarf an Beratung. Die Besetzung aus den eigenen Reihen mit eigenen Proporzregeln oder anderweitigen Einschränkungen erinnert an systemrelevante Organisationen, die über das Wanken zum Sturz kamen. Wir werden weitere Fallbeispiele erleben, da bin ich mir sehr sicher.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    "Erst die Honorare für die freien MitarbeiterInnen kürzen und sich dann selbst 16 Prozent Gehaltserhöhung gönnen."

    Frechheit siegt - aber nicht immer!

  • ' ...wie die gebührenfinanzierte Mitnahmementalität funktioniert....

    Nein,



    so wird insinuiert, dass Mitnahmementalität eine Signifikanz für gebührenfinanzierte Medien habe.



    Was ich für Stammtischrhetorik halte.

    • @Jossito:

      Haben Sie den Artikel gelesen? Klingt mir nicht so ...

    • @Jossito:

      Das ist korrekt. Mitnahmementalität gibt es in allen möglichen Bereichen, auch in der sog. "freien" Wirtschaft, in der Politik, in Verbänden und Stiftungen. Unabhängig davon, wo das Geld her kommt.

  • 0G
    06792 (Profil gelöscht)

    In den letzten Jahren wurde jede Kritik an der Struktur der ARD immer mit dem Argument abgetan das öffentlich rechtlicher Rundfunk so wahnsinnig Wichtig für die Demokratie ist.

    Hoffentlich wird das in der Diskussion Mal endlich getrennt und diese Unmengen an Mehrfachstrukturen und Versorgungsposten werden entfernt und man konzentriert sich Mal auf sowas verrücktes wie Inhalte.

  • RS
    Ria Sauter

    Sie gehört uns allen?



    Bezweifle ich stark!



    So wie die Politiker/innen den Eid leisten " zum Wohle des Volkes" zu handeln?



    Sie werden auch von uns bezahlt, zusätzlich zu diversen Lobbyvergünstigungen.



    Das System ist undurchschaubar und zum Teil korrupt.

    • @Ria Sauter:

      Es ist durchschaubar!



      Und jeder einzelne darf und kann kritisiert werden.



      Das ist genau der Vorteil unseres Systems!



      Also: bitte weniger pauschal verdammen, mehr konkret kritisieren. Dann kann etwas konkret verbessert werden.

  • Bei bei kommunalen Unternehmen werden noch ganz andere Gehälter abgezogen. Die hiesige Bäder GmbH, die ein mittelmäßiger Verwaltungsbeamter locker managen könnte, gibt es mit den obligatorischen Zulagen locker 300.000 €, völlig unnötige aber umso fettere Dienstkarosse obendrein. Bei den Stadtwerken ist die halbe Million selbstverständlich und von den Sparkassen wollen wir gar nicht erst reden.



    siehe z.B. hier, Bericht ist schon ein paar Jahre alt:



    kommunal.de/gehalt...munale-unternehmen

    • @guzman:

      Nicht pauschal meckern, sondern vor Ort immer wieder medienwirsam anprangern!



      Kommunalpolitiker arbeiten ehrenamtlich, da ist das Verständnis für überzogene Gehälter eher gering.



      Also kann öffentlicher Druck helfen...