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Londoner Gender-Klinik wird geschlossenUmgang mit Kindern „ungenügend“

Die Gender-Abteilung der Tavistock-Klinik muss schließen. Eine Untersuchung wies Englands einziger solcher Einrichtung schwere Mängel nach.

Die Tavistock-Klinik in London Foto: Peter Nicholls / reuters

London taz | Das einzige Zentrum des öffentlichen Gesundheitssystems NHS in England für junge Menschen mit Geschlechtsdysphorie, der Gender Identity Development Service (GIDS) der Tavistock-Klinik in London, wird im Frühjahr 2023 schließen. Angeordnet vom NHS aufgrund großer Mängel, ist die am Freitag verfügte Schließung das Ergebnis des Zwischenberichts einer seit 2020 laufenden unabhängigen Untersuchung der in England verfügbaren Dienste und Behandlungszentren im Bereich der Geschlechtsidentität für Kinder und Jugendliche.

Es sollen nun neue „familiennahe regionale Zentren“ entstehen, welche „den holistischen Bedürfnissen von verletzlichen Patient:innen“ in diesem Bereich entgegenkommen sollen. Diese sollen zunächst im berühmten Londoner Kinderkrankenhaus von Great Ormond Street, im Alder-Hey-Krankenhaus in Liverpool und in der Kinderklinik von Manchester entstehen.

Das wurde offiziell von allen Seiten begrüßt, nicht zuletzt auch von der Tavistock-Klinik selbst, deren Warteliste für Behandlungen von 136 im Jahr 2010 auf knapp 5.000 im Jahr 2021 angewachsen ist. Laut dem Untersuchungsbericht, der bereits im Februar herauskam, wurde die Klinik diesem Andrang nicht mehr gerecht. Oft mussten junge Pa­ti­en­t:in­nen bis zu zwei Jahre auf einen Termin warten.

Die Untersuchung kritisierte vor allem die Methoden der Klinik selbst. Die Leiterin der Untersuchung, die Kinderärztin und ehemalige Präsidentin des britischen Kin­der­ärz­t:in­nen­ver­ban­des Dr. Hilary Cass, sagt, GIDS setze junge Menschen einem „beachtlichen Risiko der Beeinträchtigung ihrer psychischen Gesundheit“ aus und könne Pa­ti­en­t:in­nen schaden.

Kritische Fragen gab es seit Langem

Kritische Fragen zur Methodik der Klinik wurden vor allem nach einem Gerichtsfall gestellt. Keira Bell, heute 25, besuchte im Alter von 15 Jahren die Klinik. Zwecks ihrer Transition von Frau zu Mann wurden ihr ein Jahr später Pubertätsblocker und danach Testosteron verschrieben. Im Alter von 20 Jahren ließ sie sich beide Brüste entfernen. Später bedauerte sie diese Schritte, aber es war zu spät. Bell verklagte die Klinik und gewann zunächst, verlor aber vergangenes Jahr in der Berufung, als geurteilt wurde, dass Rich­te­r:in­nen nicht in einen klinischen Befund eingreifen dürften.

Bell lebt heute als lesbische Frau und sagt, dass das behandelnde Team im Tavistock auf ihrem Weg zur Gender-Transition nicht genug Fragen stellte. Bell erklärte der BBC, dass sie als Kind mit Zweifeln an ihrer sexuellen Identität einfach nur eine psychologische Therapie benötigt hätte, keinen körperlichen Eingriff.

Nach kritischen Berichten von Whilst­leb­lo­wer:­in­nen stellte eine NHS-Prüfung Mängel in der Tavistock-Klinik fest und erklärte das GIDS offiziell für ungenügend.

Schon vor einigen Jahren hatten einige Angestellte der Tavistock-Klinik das Vorgehen der Klinik in Frage gestellt. Zwischen 2018 und 2019 und in einem internen Bericht beschrieb der einst in der Klinik arbeitende Psychoanalytiker David Bell, dass die Klinik unzulänglich arbeite. Statt darauf einzugehen, habe die Klinik versucht, ihn und andere mit Disziplinarverfahren und dem Vorwurf der Transphobie zum Schweigen zu bringen, sagt er.

In ihrer Untersuchung stellte Kinderärztin Cass erhebliche grundsätzliche Mängel fest. So nahm die Klinik weder wichtige Daten zu ihren Pa­ti­en­t:in­nen auf, noch war sie in der Lage, Änderungen im Pa­ti­en­t:in­nen­pro­fil zu erklären. Immer öfter verschrieb sie physische Geschlechtsumwandlungen auf unsicherer Basis und behandelte sogar Kinder im autistischen Spektrum mit Gender-Transition.

Einerseits gebe es beim medizinischen Fachpersonal keinen Konsens darüber, was genau die Diagnose „Geschlechtsdysphorie“ heißt, auf deren Grundlage Kinder an das GIDS überwiesen wurden; andererseits nehme diese Diagnose keine Rücksicht auf Unterschiede im Alter oder im kulturellen Hintergrund, auf psychologische Bedürfnisse oder wie gefestigt die angegebene Selbstidentifikation der Kinder sei. „Manche Kinder und Jugendliche blühen beim Hinterfragen des Genders auf, für andere kann es von einem Ausmaß von Verzweiflung begleitet sein, das ihre Entwicklung signifikant beeinflusst“, so der Bericht.

Eine einheitliche Ursache für „Geschlechtsdysphorie“ sei „sehr unwahrscheinlich“ und damit führe eine einheitliche Therapie, vor allem wenn sie „potentiell irreversibel“ sei, zu „Streit und Polarisierung“, was aber mangels einer offenen Diskussionskultur nicht in Lösungen münde. Viele junge Pa­ti­en­t:in­nen hätten „komplexe Bedürfnisse“, die aber alle unter dem Label „Geschlechtsdysphorie“ vereinheitlicht und hormonell behandelt würden.

Für den Einsatz von Hormonblockern fehle ein klarer klinischer Nachweis, dass dies nicht zu späteren Gesundheitsschäden führe. „Pubertätsblocker könnten zur zwischenzeitlichen oder dauerhaften Unterbrechung der Entwicklung des Gehirns führen“, heißt es im Cass-Bericht. Die Anwendung von Pubertätsblockern soll Pa­ti­en­t:in­nen theoretisch Zeit geben, über die nächsten Schritte nachzudenken, und währenddessen den sexuellen Reifeprozess pausieren lassen – doch wie sich diese Behandlung auf den Körper insgesamt und auf den psychosexuellen und geschlechtlichen Reifeprozess nach seiner Wiederaufnahme auswirke, sei unklar.

Angestellte des GIDS sollen trotz solcher Unklarheiten unter Druck gestanden haben, weder Entscheidungen und Motive noch das Wort der jungen Pa­ti­en­t:in­nen zur Gender-Identität zu hinterfragen. Die Möglichkeit anderer potenziell vorliegender Probleme wurde ignoriert. Die Behandlung im GIDS gewähre langfristig keine Sicherheit für die jungen Patient:innen, so der Bericht. Der Endbericht der Untersuchung wird nächstes Jahr erwartet.

Ein in psychologische Dienste vernetztes System

Cass empfahl statt dem derzeitigen zentralisierten System ein dezentrales System von regionalen Zentren, die „von erfahrenen Kinderpraxen geleitet werden sollten und einen Fokus auf die Gesundheit von Kindern und ihrer Entwicklung anbieten, mit starken Verbindungen zu Diensten im Bereich der psychischen Gesundheit.“

In Zukunft dürfen Pubertätsblocker überdies an Kinder unter 16 Jahren nur noch verabreicht werden, wenn sie Teil eines klinischen Testverfahrens sind, welches die Behandlung und die Folgen aufs genaueste beobachtet und dokumentiert.

Viele in der Trans-Community glauben, dass Pubertätsblocker Leben retten können. Tatsächlich gibt es Studien, die eine starke Senkung von Depression und Suiziden feststellen. Doch weitere Forschung, vor allem bezüglich der Langzeitwirkung, ist notwendig.

Organisationen der Trans-Community heißen bessere Behandlungszentren für Gender-Identität generell willkommen. In der britischen LGBTQIA+ Zeitung Pink News begrüßten auch Eltern von Trans-Kindern die Entwicklung und bezeugten mangelhafte und traumatisierende Behandlung beim GIDS. Eine anonyme Mutter warnte jedoch vor einer „Überpathologisierung“ der Betroffenen.

Die Tavistock-Leitung erklärte, sie sei stolz auf ihre Leistung. Kritiker aber rechnen mit neuen Entschädigungsklagen, da einige Schritte der Geschlechtsumwandlung, wie im Fall von Keira Bell, nicht mehr rückgängig gemacht werden können.

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14 Kommentare

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  • Falls die Tavistock-Klinik tatsächlich Kinder und Jugendliche zu irgendwelchen Behandlungen „gedrängt“, und berufliche Sorgfaltspflichten missachtet haben sollte, wäre das natürlich ein Skandal erster Güte.

    In Deutschland sind die Hürden für die Behandlung von Jugendlichen mit Pubertätsblockern hoch und es wird in aller Regel sorgfältig geprüft, ob diese und/oder weitere Behandlungen indiziert sind. Also kein Grund für Massenhysterie.

    Dass indes kritisiert wird, dass „sogar Kinder im autistischen Spektrum mittels Gendertransition“ behandelt wurden, ist merkwürdig. Aspergerautisten verfügen normalerweise über eine normal ausgeprägte Intelligenz und können über ihr Geschlechtsempfinden Auskunft geben. Es ist eine inzwischen bekannte Tatsache, dass Aspergerautismus und Transidentität gehäuft gemeinsam auftreten. Was also soll daran skandalös sein, diese dann auch zu behandeln?

    Aber klar, dass eine solche Meldung insgesamt wieder die ganze „Trans ist eine Mode-Erscheinung“-Fraktion auf den Plan ruft. Als ob geldgierige Ärzte messerwetzend durch die Gegend laufen würden, um Kinder mit Hormonen zu vergiften und zu „verstümmeln“.

    Der andernorts erwähnte, überproportionale Anstieg der Anzahl von Transjungs ist, über das „Gleichziehen“ mit der Anzahl von Transmädchen hinaus, im Übrigen in Deutschland nicht so stark zu beobachten. Doch selbst wenn es so wäre, dass es mehr Transjungs als Transmädchen gibt, was dann? Es gibt auch bei anderen Phänomenen einen Sex Ratio, z.B. bei Autismus (4:1, male:female) oder Borderline (3:1, female:male).

    Auch wenn es manche Feministin um liebgewonnene Klischees bringt: Manchmal ist das burschikose Mädchen oder die Butch von früher eben doch in Wirklichkeit ein (Trans)Mann, und wagt es jetzt eher als früher, sich damit zu outen.

  • Bell erklärte der BBC, dass sie als Kind mit Zweifeln an ihrer sexuellen Identität einfach nur eine psychologische Therapie benötigt hätte, keinen körperlichen Eingriff.

    Später bedauerte sie diese - Ihre Schritte, aber es war zu spät. Bell verklagte die Klinik und gewann zunächst, verlor aber in der Berufung .....



    Selber Schuld sage ich dazu.

    Leider - Denn und Aber - Krass ist die vertransphobisierung so weit fortgeschritten! Dass man bei Hinterfragungen oder wirklicher versuchter Betreuung und Psychologischer Findung abgerastert und als Raster Denker sowieso vermoobt und als Genderfeindlich - diskriminierend abgestempelt wird.

    Da gibt es etliche die bei sich - oder bei anderen - schon mit 14 Jahren oder früher begrüssen würden, wenn einfach mal ein bisschen am Körper - Kind - rumgebastelt oder mit Medikamenten gesteuert wird ... weil irgendwas nicht ganz stimmt und man das einfach jetzt will und glaubt dass es so ist!

    In Bezug auf Kaira Bell - Sie war 20 Jahre alt, Bewusst - bei der Brustentfernung und hat diese Entscheidung vorgängig über 5 Jahre -> selbst im Rahmen der Transition gesucht - und angestrebt.

    In Bezug auf Geschlechtsdysphorie - empfehle ich gerne nachfolgenden Artikel der TAZ;

    taz.de/Jugendpsych...bb_message_4316708

    Heute ist Sie eine lesbische Frau ohne Brust - und bereut es. Vielleicht wäre Sie bei Herrn Korte besser aufgehoben gewesen.

    Irreparable Entscheidungen - sind keine Sandkasten Spiele.



    Wie in England, alle paar Jahre einfach die ganze Sache neu aufrollen - geht auch - Neue Anlauf Stelle das 1852 gegründete Kinder Spital - Was für ein Fortschritt !!

     

    Kommentar gekürzt. Bitte bleiben Sie sachlich.

    Die Moderation

    • @Tourist im Leben:

      Kinder und Jugendliche haben das Recht auf eine spezifische und solide medinische Diagnostik und Behandlung. Die gesundheitliche Sorge üben auch in Großbritannien die Erziehungsberechtigten aus und das sind in den meisten Fällen die Eltern. Symptome der Geschlechtsdysphorie sind sehr ernst zu nehmen. Dahinter können sich nämlich auch schwere psychiatrisch-neurologische Störungen verbergen oder aber Traumafolgeschäden wegen komplexen, chronischen sex. Missbrauchs. Wer Kinder und Jugendliche, die von Geschlechtsdysphorie betroffen sind, untersucht und behandelt, benötigt umfassende Expertise und sollte Entscheidungen nur im multiprofessionellen Team treffen. Bei uns in Deutschland gibt es dafür medizinische Leitlinien.

      • @Angelika Oetken:

        Es freut mich, dass wir andere Worte finden, aber im Grunde das gleiche meinen.



        Ein selbstbestimmungsprozess braucht Gedanken und Anregungen, Selbstreflexion und weise Schritte.



        Das Gesetz und die Möglichkeiten sollten entsprechend laufend optimiert werden.



        Dies im Dialog und Zielgerichtet mit Betroffenen und deren Interressengruppen.



        Konstruktive Kritik sollte auch die Leitlinien International in den Menschenrechten verbessern.



        Eine Geburtstechnische -1 mit 2-3 oder 3+ Sexualzuweisung mit evtl. "Anpassung" spiegelt dabei nur den Körper und nicht den Geist - den "denkenden" sich entwickelnden Menschen.



        Er wächst in der Regel mit seinem Körper bis zum 25 igsten Altersjahr - in Sein Leben - Wachstums- und Reifetechnisch hinein und bildet sein persönliches - individuelles Fundament.

    • @Tourist im Leben:

      "Irreparable Entscheidungen - sind keine Sandkasten Spiele."

      Ja. Aber die Frau war damals noch fast ein Kind. IHR kann man keine Vorwürfe machen.

      "Selber Schuld sage ich dazu."

      Das ist einfach nur völlig gefühllos.

  • Ein Laber-Emotions-Absatz nach dem anderen. Schade. Die Geschädigten dürfen ruhig zu Wort kommen, das eignet sich sehr gut als Hüll-Story. Aber irgendwann sollte man auch zum Kern vorstoßen.

    Leider kein einziges Wort über die finanziellen Hintergründe. Das hätte mich durchaus interessiert. War es Ideologie oder Gewinnstreben, warum wurden Menschen offenbar Behandlungen aufgeschwatzt?

    • @Fabian Wetzel:

      > Ideologie oder Gewinnstreben

      Ich arbeite im Gesundheitswesen, und ich kann Ihnen versichern, dass die Motivation hinter praktisch allen Handlungen dort Gewinnstreben ist. Ohne Geld würde das niemand machen.

      Ideologie mag mit reinspielen, aber ohne Geld würden auch Ideologen dort nicht arbeiten.

  • Die menschen machen sich hoffnung auf eine erlösung und wiedergeburt als neuer mensch mit neuem namen, die nicht immer in erfüllung gehen.

    • @MontyTonty:

      Nein. Es geht nicht um Religion.

      Wer so an Transsexualität herangeht, ist auf dem falsche Pfad.

  • Kein transfreundlich, tolerant, offen... schlichtes Business. Àhnlich zu beobachten in US- und europäischen Konzernen. Queer- und LGBT-freundliches Verhalten ist im Management incentiviert. Der Jahresbonus hängt von der Frauenquote ab, Hehre Motive gibt es da einfach nicht.

  • Also ich habe im Internet gelernt, dass jegliches kritische Hinterfragen bei dieser Thematik transphob sei.

    • 6G
      659975 (Profil gelöscht)
      @Zille:

      Das ist leider so und einige ÄrztInnen steigen gerne in diesen Zug ein, um den Gewinn ihrer Praxis zu erhöhen.



      Das Wohl, körperlich wie geistig, der PatientInnen steht da hinten an.

      • @659975 (Profil gelöscht):

        @ Oskar Wilde



        Sorry, das ist leider völliger Schwachsinn.



        Es gibt keine einzige Patientengruppe, für die man als Behandler mehr "ehrenamtlich" arbeiten muss, weil man bei Transpatient*innen ständig und stundenlang in seiner Freizeit am Berichteschreiben für die Krankenkassen ist.



        Kaum eine Patientengruppe, die mehr Kopfzerbrechen und kollegiale Intervision erfordert, weil man ja keinesfalls einen Fehler machen will, der dann das Leben des Patient*innen langfristig beeinträchtigen würde - so oder so.

    • @Zille:

      Leider sehen das einige "Aktivisten" so.

      Dabei ist es vor irreparablen Eingriffen angebracht. Besonders bei jugendlichen.