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Hintergrund EnergiespargesetzeSie müssen nur wollen

Es ist in Deutschland möglich, das Einsparen von Energie gesetzlich vorzuschreiben. Ein berühmtes Beispiel sind die autofreien Sonntage von 1973.

Das Kamener Kreuz am 2. autofreien Sonntag 1973 Foto: Klaus Rose/imago

Deutschland muss viel Gas sparen und auch Gas durch andere Energieträger ersetzen. Wenn dies nicht freiwillig gelingt, muss der Staat gesetzliche Vorgaben machen. Dass er das kann und darf, daran besteht kein Zweifel.

Ein Beispiel ist die Ölkrise 1973. Als Reaktion auf die US-Unterstützung für Israel im Jom-Kippur-Krieg verhängten die arabischen Ölproduzenten ein Embargo gegen die USA. Dies ließ den Ölpreis massiv ansteigen und führte zu einer weltweiten Rezession. Um Öl zu sparen, ordnete die Bundesregierung sehr kurzfristig vier autofreie Sonntage an und setzte ein Tempolimit von 100 Stundenkilometern auf Autobahnen fest.

Grundlage hierfür war das Energiesicherungsgesetz, das der Bundestag 1973 ad hoc beschlossen hatte. Dieses Gesetz war zunächst bis Ende 1974 befristet, wurde dann aber neu beschlossen und 1979 endgültig entfristet.

Das Energiesicherungsgesetz besteht noch heute und wird seit dem russischen Angriff auf die Ukraine auch wieder genutzt. So beschloss der Bundestag am 12. Mai, dass russisch kontrollierte Gasspeicher zeitweilig unter deutsche Treuhandverwaltung genommen werden können. Im Extremfall ist nun sogar eine Enteignung (gegen Entschädigung) möglich.

Eine weitere Ergänzung des Energiesicherungsgesetzes beschloss der Bundestag am 7. Juli dieses Jahres. Die Bundesregierung kann seitdem per Verordnung bestimmen, dass die gestiegenen Gaskosten gleichmäßig auf alle Gas­ver­brau­che­r:in­nen verteilt werden.

Mit diesem und anderen Gesetzen kann der Bundestag in diesem Herbst und Winter also noch viele Einschränkungen im wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und privaten Leben einführen. In der Regel sind die gesetzlichen Normen kurz und erlauben der Bundesregierung die Regelung der Details per Verordnung, etwa durch die Gassicherungs-Verordnung.

Wie bei jedem staatlichen Handeln gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch hier

Beachten muss der Bund dabei nur zwei verfassungsrechtliche Vorgaben: Wie bei jedem staatlichen Handeln gilt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch hier. Das heißt, die Energiesparmaßnahmen müssen geeignet, erforderlich und angemessen sein. Dabei hat der Gesetzgeber aber einen weiten Spielraum.

Die zweite Einschränkung betrifft den Gleichheitssatz des Grundgesetzes. Allerdings kann nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts jeder „sachliche Grund“ eine Ungleichbehandlung rechtfertigen. Mit guten Gründen können also entweder die Wirtschaft oder die privaten Ver­brau­che­r:in­nen bei bestimmten Maßnahmen bevorzugt oder benachteiligt werden.

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22 Kommentare

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  • Ja das mag alles möglich sein wird aber eher nur teilweise kommen wenn überhaupt weil bei kalten Wohnungen etc. hört für deutsche der Spaß auf oder warum haben alle Politiker Angst das es deswegen zum aufstand der ärmeren Teile der Gesellschaft kommen könnte?

  • Schade, unvollständig. In der Regierung sitzt der Bremser vom Dienst, der leider erst in den Kommentaren erwähnt wird. Die Kommunikation zwischen Blume und Lindner (eigentlich grüne Namen) gehört bis ins letzte i-Tüpfelchen aufgeklärt und dem Klientelminister bei jeder Gelegenheit von den Medien serviert, im Dienste aller. Dass Einsparungen ein riesiges Potenzial haben, ist seit vielen Jahrzehnten bekannt. Wären viel wirksamer als Sanktiönchen nach 2014 und Sanktionen jetzt. Kohl, Schröder und Merkel haben es aus populistischen Gründen immer ausgebremst. Billige Arbeitskräfte und billige Energie = maximale Gewinne der Industrie.

  • Wir haben eine Gaskriese, keine Ölkrise.



    Was sollen da Autofreie Sonntage und Tempolimits bringen?



    Die wenigen Automobile die mit Flüssig- oder Erdgas betrieben werden fallen nicht wirklich ins Gewicht beim deutschen Gasverbrauch.

    Statt dessen sollte Deutschland den Ausbau von Windkraft & Photovoltaik beschleunigen, um nicht nur aus der Kernkraft und der Kohlenutzung auszusteigen, sonder auch um einen beschleunigten Ausstieg aus der Erdgasnutzung zu erzielen.

    • @Alreech:

      Die autofreien Sonntage waren ein Beispiel dafür, was möglich ist.

    • @Alreech:

      Das mit der Ölkrise war ein Beispiel.

  • Was heisst hier autofrei??? Darf ich dann mit einem E-Auto, dass zuhause mit der PV-Anlage geladen wurde auch nicht mehr fahren?



    Ich hab grad das Äquivalent eines halben Jahregehalts für ein E-Auto ausgegeben, um schadstoffrei und extrem energiesparend zu fahren!

    • @Mitch Miller:

      Da ich davon ausgehe, dass das Standard E-Auto 50000€ kosten wird: Herzlichen Glückwunsch für diesen Reichtum von monatlich knapp 5000€. Wünschte mir, diesen können auch Hartz-IV-Leidende bekommen.

      Aber ja, besser wäre es. Individualverkehr ist scheiße. Schadstofffrei ist bei E-Autos garnichts. Schon alleine die Produktion des Autos und die Batterien sind ein Problem.

      • @Troll Eulenspiegel:

        Ihre Argumente sind keine. Soll ich jetzt irgendeine alte Rostlaube fahren, nur weil irgendwer Hartz bekommt? Was soll der Sozialneid? Durch den Kauf meines Fahrzeugs verschaffe ich hunderten von Menschen Arbeitsplätze.

        Ausserdem liegen Sie deutlich daneben.

        Es geht hier nicht um Schadstoffe, es geht ums Energiesparen, mensch.

        Individualverkehr ist ein bischen scheisse, aber den abzulehnen schaffen nur Stadteier und Angestellte. Als Handwerker auf dem Land: keinen Hauch einer Chance.

  • Autofreie Sonntage gehören zu den staatlich verordneten Maßnahmen, weil dies nur einheitlich angeordnet werden kann. Würde nur die Hälfte der Autos fahren, wäre es z.B. zu gefährlich, als Radfahrer zu Ausflugszielen zu kommen.



    Im übrigen bewegt sich der Spritverbrauch je km der meisten Autos in einer Spanne von +/-50%, der Effekt ist also recht ähnlich.

    Andere Maßnahmen wie z.B. kürzere Duschdauer oder die Innentemperatur wirken hingegen höchst individuell und können von jedem einzelnen beschlossen werden. Bei der Heiztemperatur haben 3 Grad weniger bei einem schlecht gedämmten Haus eine weitaus größere Wirkung als bei einem gut isolieren - das spricht dann gegen eine einheitiche Höchsttemperatur nach Verordnung.

    Das Preissignal kommt ganz automatisch bei denen an, die viel verbrauchen, und daher (meist) auch das größte Einsparpotential haben.

  • Ich hatte die Hoffnung, der Artikel belebt die Diskussion um autofreie Sonntage. Die dienen ja nicht nur der Energieeinsparung, Friedenssicherung (Haupeinnahme Russlands ist Öl) und dem Klimaschutz, sondern auch der Lebensfreude dank ruhigem Umfeld und für nicht-Autofahrer sicheren Verkehrswegen.

    Könnte im Grundsatz bundesweit eingeführt werden, mit dem Recht für Landkreise, daraus auszuscheren.

    • @meerwind7:

      // Könnte im Grundsatz bundesweit eingeführt werden, mit dem Recht für Landkreise, daraus auszuscheren. //

      Also ein totales Flickenteppich-Durcheinander.

  • "Deutschland muss viel Gas sparen und auch Gas durch andere Energieträger ersetzen"

    Wird täglich dreiundzwolfzig mal behauptet, während die Speicherstände sich nicht von denen vergangener Jahre unterscheiden.

    "Die Bundesregierung kann seitdem per Verordnung bestimmen, dass die gestiegenen Gaskosten gleichmäßig auf alle Gas­ver­brau­che­r verteilt werden."

    Aktueller Kurs an der Frankfurter Börse: ~2,7c pro kWh. Macht selbst wenn sich der Preis verdreifacht hätte eine Kostensteigerung von max 2c plus Steuern. Aber wie der BWLer in der ersten Vorlesung gelernt hat, muss sich der Preis mindestens verdreifachen, weil sonst die Marge schrumpft und alle sofort pleite gehen. FDP-Politiker, grüne FDP-Politiker und Journalisten glauben da auch besonders fest dran. Zwangsabgaben in Milliardenhöhe an "darbende* Versorger sind also alternativlos, ob große Teile der Bevölkerung ruiniert werden irrelevant.

    • @darthkai:

      (1) Eine Kostensteigerung von 2c / kWh sind schon eine ganze Menge, wenn man einige dutzend Millionen kWh pro Jahr benötigt, was selbst für einen mittelständischen Industriebetrieb ganz normal ist. Zudem ist 2,7 ct / kWh momentan weitab von jedem "aktuellen Kurs"

      (2) Den von Ihnen genannten Kurs von 2,7ct würde ich gerne mal sehen. Wenn sie momentan Gas einkaufen, auch als industrieller Großverbraucher, liegen sie bei einem vielfachen davon.

    • @darthkai:

      Wo haben Sie diese Idee her: "Aktueller Kurs an der Frankfurter Börse: ~2,7c pro kWh" ?

      • @meerwind7:

        Wohl von hier (Umrechnung beachten):



        www.boerse-frankfu...hstoff/erdgaspreis



        Allerdings sieht man dort eben auch, dass sich der Preis seit Januar verdoppelt und seit 2020 vervierfacht hat. Ganz abgesehen davon, dass der Zusammenhang von Spot-Markt- und Endverbraucherpreisen auch ein eher mittelbarer ist und in letzteren eben auch noch weitere Kosten wie Steuern und Netzentgelte einfließen.

      • @meerwind7:

        Für den Preis wird Strom gehandelt. Als Verbraucher zahlen Sie noch für die Infrastruktur + Verwaltungsaufwand, Zähler usw. und natürlich will der Betreiber etwas Gewinn machen. Plus Steuern.

        Ausserdem haben wir einen deutschlandweiten Einheitspreis, d.h. der Fakt, dass EE deutlich billiger sind, erreicht uns Verbraucher nicht, letztlich zahlen wir darüber die teuren Fossil-und Atomkraftwerke mit.

        • @Mitch Miller:

          Nein, für den Preis wird Gas gehandelt. Und der Aufwand für Infrastruktur, Verwaltung und "etwas Gewinn" für den armen Betreiber verdreifacht sich ebenfalls automatisch, wenn der Preis für den Rohstoff sich von 1c auf 3c verdreifacht? Sie glauben vermutlich auch die Preise für irische Butter und spanische Tomaten explodieren, weil in der Ukraine Weizen für Afrika festhängt, und nicht weil die Händler mit dem Argument "Wir sind im Krieg" mal testen, wie weit sie gehen können...

          • @darthkai:

            @Darthkai



            Die Qualität der Kommentare hier ist erschreckend. Da googelt sich jemand einen amerikanischen Gaspreis zusammen, kommt zu dem abwegigen Ergebnis, in Deutschland läge der Gaspreis bei 2,7 Cent/kWh und beglückt uns dann auf Grundlage dieser überragenden Faktenkenntnis mit seinen kruden Privattheorien über Betriebswirtschaft. Inhaltlicher Blödsinn, aber Hauptsache, es passt ins Weltbild.

            Der relevante Markt für Energie ist nicht in Frankfurt, sondern in Leipzig, und da finden sich dann auch die richtigen Preise für Deutschland: Aktuell zur Lieferung morgen 19,9 Ct/kWh Erdgas, und fürs Kalenderjahr 2023 16,4 Ct/kWh.

  • So langsam , sehr langsam insbesondere zu langsam für gut bezahlte 'Grüne' wird deutlich, was die Klimakastrophe -wir sind mitten drin und es wird nie wieder besser!- so mit sich bringt und wie widerlich die geschürten Ängste um Verzicht und Verbote der Herren Lindner und Consorten wirken. In einer solidarischen Welt gibt es nur vier Hauptkriterien, die für ALLE gelten bis nach Funafuti oder Malawi: Nicht hungern, dürsten oder frieren und das solidarisch. Alles andere ist Nebensache! Dann wird ganz klar, es geht nicht um Sicherung eines sowieso klimaschädlichen Daseins, sondern um Abrüstung bei allem Verzichtbaren, Überflüssigem. Angefangen bei klimaschädlichem 'Urlaub' auf Galeeren oder privaten Fernflügen (die bei jetzt zunehmender Armut auch in Europa eh' nur Privilegien der Schnorrer bleiben) und fortgesetzt bei allem, was diesen Planeten weiter vermüllt und zerstört. Wie bekommen wir diese überlebenswichtigen Prinzipien in die Köpfe und das gegen alles verharmlosende Politiker, das ist das Hauptproblem, wenn nicht gleichzeitig demokratische Errungenschaften dem rechten Mob geopfert werden. Mit Lindner , Merz & Co ist eine Trendwende nicht in Sicht, mit einer SPD, die den Kontakt zu ihrer Wählerschaft verloren hat auch nicht und ob Habeck in seinem Eifer, dem Kapitalismus, der alles zerstört, noch einmal eine Chance zu geben und der nicht die Vergeblichkeit seines Tuns einsehen kann, sei dahingestellt, noch scheint ihm das Handeln der Katastrophe Spass zu machen, wie pervers ist das denn ?

    • @Dietmar Rauter:

      Na, dann schaffen Sie mal Ihr Handy ab.

      • @Emsch:

        Anhand Smartphone kann mensch energiearm das Internet nutzen. Sparsamer als mit Tablet oder PC. Sinnvoll sind, denke ich, Reparaturen und Recycling. Diesbezüglich müsste strukturell und politisch was gemacht werden. Problematisch sind Neukäufe. Gerade Autos sind da offensichtlich wahnsinnig - 1,5 Tonnen extrem weiterverarbeitetes Material, wofür zuvor ein Vielfaches an Ressourcen geschürft und "konzentriert" werden musste. Derzeit werden 3 Mio. in Deutschland gebaut. Vor COVID waren es mehr als 5 Mio!