Klage vor dem Bundesverfassungsgericht: Kein Extra-Zins für AKW-Betreiber
Der Betreiber eines AKW wollte Zinsen auf die bereits erstattete Brennelementesteuer einklagen. Die Karlsruher Richter:innen lehnten das nun ab.
Die Brennelementesteuer war 2010 von der damaligen schwarz-gelben Koalition eingeführt worden. Sie wurde politisch mit den Kosten für die Sanierung des Atommüll-Endlagers Asse begründet. Im Schnitt erbrachte die Steuer rund eine Milliarde Euro pro Jahr.
Rückerstattung von 6,35 Milliarden Euro
Doch 2017 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Brennelementesteuer überraschend für verfassungswidrig. Der Bund habe keine Kompetenz, beliebige neue „Verbrauchssteuern“ zu erfinden, so die Begründung. Da die Richter:innen das Gesetz für „nichtig“ erklärten und nicht nur eine Änderung in der Zukunft forderten, musste der Bund die gesamten Einnahmen aus der Brennelementesteuer zurückzahlen. Insgesamt erhielten RWE, Eon, Vattenfall und Co so 6,35 Milliarden Euro zurückerstattet.
Im konkreten Fall ging es nun darum, ob die Atomkonzerne für die rückerstattete Steuer auch noch Zinsen verlangen können. Die KKW Lippe-Ems GmbH, die überwiegend zu RWE gehört, hatte für das AKW Emsland in Lingen rund 54,7 Millionen Euro Brennelementesteuer bezahlt und später erstattet bekommen. Zusätzlich forderte sie weitere 2,7 Millionen Euro Zinsen. Doch das zuständige Hauptzollamt Osnabrück verweigerte die Zahlung. Dagegen klagte der AKW-Betreiber, scheiterte jedoch beim Finanzgericht Hamburg und ebenso beim Bundesfinanzhof in München.
Keine Pflicht des Gesetzgebers
Auch der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts lehnte nun einen Zins-Anspruch der AKW-Betreiber ab. Es gebe „keine Pflicht des Gesetzgebers, sämtliche Folgen verfassungswidriger Eingriffe rückwirkend zu beseitigen.“ Diese Aussage wird sicher auch in anderen Kontexten noch eine Rolle spielen.
Im Fall der AKW-Betreiber stellten die Verfassungsrichter:innen fest, dass die Erstattung der verfassungswidrigen Steuer genügte. Ein Zinsanspruch ergebe sich aus dem Grundgesetz jedenfalls so lange nicht, wie die Marktzinsen und die Inflation niedrig seien und die Rückzahlung der zu viel bezahlten Steuer innerhalb weniger Jahre erfolge.
Auch wenn der Betreiber des AKW Emsland hier also keine Zinsen erstreiten konnte, so war dies jedoch offensichtlich eine Ausnahme. Denn in einer parlamentarischen Antwort teilte die Bundesregierung im Juli 2021 mit, dass sie den AKW-Betreibern neben der rückerstatteten Brennelementesteuer auch 1,26 Milliarden Euro an Zinsen überwiesen hat.
Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht spielte diese Summe keine Rolle. Deshalb gibt es auch keine Anweisung aus Karlsruhe, was mit der bereits bezahlten Zins-Milliarde geschehen soll. Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) konnte zunächst nicht mitteilen, ob es eine Rückforderung dieser 1,26 Milliarden Euro für möglich hält. Das Ministerium will zunächst den Karlsruher Beschluss prüfen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen