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Gleichstellung im FußballIn der Falle des Gönnertums

Der Fußball der Frauen braucht keine Geschenke und joviale Unterstützung. Es braucht eine Debatte darüber, was ihm zusteht.

Alexandra Popp weckt bei vielen das Fanherz Foto: Christoph Gollnow/dpa

G ut gemeint hat es diese Woche der Bundeskanzler Olaf Scholz, als er einen Tweet zur Bezahlung der deutschen Fußballerinnen und Fußballer absetzte. Frauen und Männer sollten im Jahre 2022 gerade bei den Nationalteams gleich entlohnt werden. Spanien habe da die Nase vorn. Fuchsig reagierte da der DFB-Direktor Oliver Bierhoff vor dem TV-Mikrofon, weil er zeigen wollte, dass der Verband es auch gut meint mit den Frauen. Er wolle den Kanzler „ein bisschen aufklären“ über Zahlen, sagte er.

Bierhoff hat recht. Spanien ist nämlich gar nicht so gut zu den Frauen, sie bekommen nicht das gleiche Geld wie die Männer. Wenn der DFB also weiterhin ungleich bezahlt, ist er aus Bierhoffs Sicht vergleichsweise gar nicht so schlecht. Weil der PR-Profi aber ahnte, dass er damit allein nicht punkten kann, rieb er dem TV-Publikum noch unter die Nase, dass der DFB die derzeit viel besprochene Doku über die deutschen Auswahlfußballerinnen „Born for this“ mitfinanziert habe.

Der DFB meint es also mit den deutschen Fußballerinnen so gut, dass er Hilfe organisiert hat. Er arbeitet mit seinen Sponsoren und Jour­na­lis­t:in­nen Hand in Hand, um deren Lage zu verbessern. Aus Sicht des DFB mag das die richtige Entscheidung sein, hängt man es jedoch an die große Glocke, tappt man unweigerlich in die Falle des Gönnertums hinein. Der Verband drückt sich darum, zu sagen, was den Frauen zusteht, er beschenkt sie lieber vor aller Augen.

Und der bereits erwähnte kollaborierende Journalismus hängt mit in der Falle des Gönnerhaften. Das eigene Produkt wird zuweilen noch schöner geredet als es ohnehin schon beim Männerfußball der Fall ist. Das krasse Ungleichgewicht zwischen beiden Sphären, die in den Redaktionen gepflegte Ignoranz, weckt gerade anlässlich größerer Turniere das Bewusstsein einer gewissen Bringschuld. Mit der Abnahme dieser Dysbalance wird auch wieder das Bewusstsein für journalistische Standards gestärkt werden. Bereits bei diesem Turnier lässt sich eine Zunahme des fachlich begründeten Lobs erkennen.

Die in nationaler Mission tätigen Boulevard-Zeitungen, die einst den Schweini-Poldi-Journalismus pflegten, haben in diesen Wochen sowieso kurzfristig auf Poppi-Journalismus umgeschult. Dieser patriotische Fanjournalismus erfährt bei dieser EM interessanterweise aus ganz anderer Richtung Unterstützung.

Alexandra Popp alias Poppi und die deutschen Fußballerinnen werden in den sozialen Netzwerken auch von sich als feministisch definierenden Journalistenkreisen abgefeiert. Dort, wo Ken­ne­r:in­nen des Frauenfußballs sich immer wieder unzählige misogyne Kommentare einfangen. Eine aufgeheizte Atmosphäre, die Bündnisbildungen gewiss verstärkt. Es bleibt kompliziert. Die Leibesübungen-Redaktion erhielt diese Woche eine Beschwerde aus der Leserschaft. Beanstandet wurde eine Geschichte über das historische 8:0 von England gegen Norwegen. Eine Vorschau auf das deutsche Spiel, hieß es, hätte man lieber gelesen.

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taz-Sportredakteur
Jahrgang 1971, bis Ende März 2014 frei journalistisch tätig. Seither fest mit dem Leibesübungen-Ressort verbunden.
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4 Kommentare

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  • Profifussball ist ein Wirtschaftszweig. Alles, was an Gehältern ausbezahlt werden soll, muss vorher erwirtschaftet werden. Wenn das Zuschauerinteresse nicht groß genug sein sollte, damit Profifussballerinnen davon leben können, dann ist das halt so. Auch ein Mindestlohn muss erwirtschaftet werden.

  • Die Entschädigungen des DFB sollten sich am Verhältnis zw. Männer und Frauen bei der durchschnittlichen Vergütungen in den Ligen orientieren. Einen Zuschlag für die Frauen wäre zu diskutieren und sollte klar benannt werden. Equal wird es aber nicht sein und wäre vermutlich auch nicht gerecht gegenüber anderen Sportarten.

  • Gleicher Prozentsatz von den eingenommenen Einnahmen ist doch eine faire und gerechte Lösung.

    Wenn der Frauenfussball zukünftig mehr Geld erwirtschaftet, steigen auch die Zahlungen an die Spielerinnen. Und wenn der Frauenfussball irgendwann genauso viele Zuschauer- und Sponsoreneinnahmen hat wie der Männerfussball, sind dann auch die Gehälter/Prämien identisch.

    • @gyakusou:

      Eben ! "Steht" dem Profisportshowbusiness IRGENDETWAS "zu" ??? Die Käufer machen da den Preis - wenn die Liga Komma weiblich Komma plus Pokal erst mal hinter 5 verschiedenen Bezahlschranken verschwunden ist (gepefferter Stadioneintritt + vier verschiedene Streamingdienste für Freitag Samstag Sonntag Montag ...), dann is Geld da. Dass ausgerechnet die TAZ so tut, als sein Profisport ne Staatsaktion oder hätte irgendwas mit Gesellschaft zu tun: traurigtraurig.