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Affenpocken in DeutschlandNichts dazugelernt

Kommentar von Kathrin Zinkant

Die Affenpocken sind in Deutschland auf dem Vormarsch. Und was tun die politisch Verantwortlichen? Sie wiederholen die Fehler ihrer Coronapolitik.

Impfstoff gegen die Affenpocken ist da – aber was passiert? Nichts Foto: ap

M an erinnert sich an viele Dinge im Zusammenhang mit Corona höchst ungern, aber die Affenpocken wühlen es einem wieder aus dem Gedächtnis: Wenn es um Impfungen geht, ist Deutschland einfach schlecht. Schlecht in der Organisation, schlecht in der Kommunikation, schlecht darin, Menschen zu schützen – und besonders schlecht darin, aus dem Scheitern zu lernen. Für Situationen nicht nur im Zusammenhang mit Corona. Sondern für den Kampf gegen Infektionen generell.

Nun steht Deutschland gerade an der Spitze eines neuen Ausbruchs. Außer in Spanien und UK gibt es weltweit in keinem Land so viele Fälle dieser Erkrankung wie in der Bundesrepublik. Insbesondere in Berlin haben sich die Affenpocken rasant ausgebreitet – und werden sich weiterhin rasant ausbreiten. Denn eine schützende Impfung gibt es zwar. Die Bundesregierung hat auch ganz viel davon bestellt. Aber erst wurde der Impfstoff wieder einmal später als angekündigt ausgeliefert, nämlich in der zweiten statt der ersten Junihälfte. Und jetzt, Anfang Juli, liegt er halt rum. Nicht zuletzt in Berlin. Und die Kommunikation? Beschränkt sich, auch das ist nicht neu, auf Ankündigungen.

Was immer die Ursache dafür sein mag, dass sich – von zwei ausgewählten Bundesländern abgesehen – noch niemand in Deutschland gegen Affenpocken impfen lassen kann, gerade in der Hauptstadt – Formulare, Abrechnungsfragen, Bürokratie. Vielleicht spielt auch Hemmnis eine Rolle, weil Impfungen in diesem Land ja oft so kritisch gesehen werden. Aber als Entschuldigung gereicht das alles nicht. Ausbrüche von Infektionserregern lassen sich, wenn man keine anderen Maßnahmen ergreifen oder einfach viele Menschen gefährden möchte, nicht ohne Impfungen eindämmen oder bewältigen. Corona hat das gezeigt, Corona zeigt es immer noch. Mit den Affenpocken ist es genauso.

In vielen Ländern, den USA etwa oder Großbritannien, weiß man das und setzt dieses Wissen um. Nur Deutschland hat infektionsmedizinisch nicht dazugelernt – wieder einmal.

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18 Kommentare

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  • Lieb Frau Kathrin Zinkant,

    fyi:

    "Eine Gefährdung für die Gesundheit der breiten Bevölkerung in Deutschland schätzt das RKI nach derzeitigen Erkenntnissen als gering ein. Das RKI beobachtet die Situation weiter sehr genau und passt seine Einschätzung dem aktuellen Kenntnisstand an."

    www.rki.de/DE/Cont...net072?nn=16732866

  • Erstaunlicher Bericht mit sehr seltsamer Schlussfolgerung. Hier mal die Fakten:

    Es gibt einen wirksamen Impfstoff, Pockenimpfstoff, gut verträglich.

    Es wurde sofort Impfstoff bestellt und zwar so viel wie möglich.

    Es gibt eine Impfempfehlung seitens STIKO und zwar gerichtet an die Gruppe, die bisher die einzige Gruppe mit Infektionen in Deutschland ist: Männer die häufig wechselnden Sex mit Männern haben.

    Der Impfstoff dürfte in wenigen Tagen vor Ort verfügbar sein.

    In der Community läuft eine intensive Aufklärungskampagne (z.B. schwule Datingportale), sowohl was Impfung als auch Schutz vor Infektion betrifft.

    Das Affenpockenvirus ist durch intensiven längeren Haut-Haut-Kontakt übertragbar, nicht durch die Luft. Maßnahmen wie bei COVID sind vollkommen aus der Luft gegriffen.

  • Was ich nicht verstehe: warum impft man nicht mit dem normalen Pockenimpfstoff, der doch wohl auch gegen Affenpocken schützt? Man muss diese Impfstoffe ja nun beim besten Willen nicht noch vorher testen und irgendwas abklären. Einfach bestellen bzw. produzieren und dann verimpfen. Und zwar gerne auch offen und in ad-hoc-Impfzentren, die sich offensiv an die schwule Community wenden. Es kann doch nicht so schwer sein.

    Abgesehen davon: in anderen Ländern werden ganz explizit schwule Männer bzw. Männer, die Sex mit Männern haben, angesprochen und z.B. Warnungen vor Gruppensex o.ä. ausgesprochen. Hier heißt es dann gleich "Stigmatisierung!", obwohl bislang nun einmal 99 Prozent aller Infektionen bei MSM auftraten.

    • @Suryo:

      Gegenfrage: Wo soll denn der normale Pockenimpfstoff herkommen, wenn seit Jahrzehnten nicht mehr gegen normale Pocken geimpft wird?

      Und im übrigen war der normale Pockenimpfstoff nicht so gut verträglich.

      • @Gesunder Menschenverstand:

        Die Frage ist doch, warum man den Impfstoff nicht z.B. für genau solche Fälle weiter produziert bzw. lagert.

        Schlechter verträglich, okay - aber auch so unangenehm wie vier Wochen Fieber, zum Teil erhebliche Schmerzen und Läsionen am ganzen Körper? So ging es nämlich einem spanischen Bekannten, der sich leider mit Affenpocken angesteckt hatte.

        • @Suryo:

          Was für solche Fälle? Der Pockenimpfstoff war ein altertümlicher Impfstoff mit nicht so guter Verträglichkeit, der gegen Pocken schützen sollte. Diese Erkrankung ist ausgerottet. Warum soll man einen solchen Impfstoff produzieren, liegen lassen, verfallen lassen und wegschmeißen?

          Nur damit man nach Jahrzehnten einige Leute wieder impfen kann, weil der Impfstoff zufällig auch gegen Affenpocken hilft?

  • Genau, der Bericht zu Corona hat doch deutlich gezeigt, Lockdowns bringen es nur am Anfang!



    Sofoertiger Lockdown, deutschlandweit, bis alle durchgeimpft sind!!!

    • @Tripler Tobias:

      So ein Quatsch. Affenpocken bekommt man nur bei engem körperlichen Kontakt; die werden nicht durch Aerosole übertragen. Hier kommt es vor allem auf das eigene Verhalten an.

  • Gant ehrlichen?



    Man könnte auch einfach mal für ein paar Wochen seine Kontakte freiwillig beschränken.



    Dann hätte der Spuk ein schnelles Ende.

    • @Leichtmatrose:

      "Stigmatisierung!!!"

      Natürlich haben Sie recht. Wobei natürlich auch nicht völlig auszuschließen ist, daß die Übertragungen z.B. über kontaminierte Oberflächen geschehen. Diese können hochinfektiös sein - und in keinem Club und keiner Bar, die ich kenne, werden z.B. ständig die Toilettensitze desinfiziert. Aber natürlich dürfte die überwältigende Mehrzahl der Infektionen durch Körperkontakt geschehen. Bei einer Inkubationszeit von drei Wochen müssten also eigentlich alle nur mal 4 Wochen lang nicht promiskuitiv sein. Aber mal ehrlich: das klappt nie.

  • So lange das Gesundheitswesen nicht überlastet wird, besteht ja nach Auffassung breiter Kreise kein Anlass, etwas gegen die Ausbreitung einer Epidemie zu unternehmen.

    Und zur Überlastung wird es erst kommen, wenn sich das Virus noch besser an den Menschen angepasst hat.

    • @meerwind7:

      Das Affenpockenvirus ist ein sehr komplexes Virus, hat ca. 200 Proteine, (im Vergleich dazu SARS-CoV-2 nur 29 Proteine). Mutationen sind nicht so leicht wie bei COVID-19 möglich.

  • Es ist unverantwortlich. Im ganzen Land sind noch Impfzentren geöffnet und haben dort nichts zu tun. Da könnte ganz einfach die Bevölkerung mit den ersten Affenpockenimpfungen versorgt werden. Und am besten alle, da es sonst zu diskriminierend für die eigentliche Zielgruppe wäre. Schadet ja nix...

    • 8G
      83191 (Profil gelöscht)
      @magier:

      „Schadet ja nix“ … ich hab mal spontan gegoogelt und die 1. Quelle redet von 1 Toter und 1300 schweren Nebenwirkungen pro Million Impfungen (Stand 2003, also alter Pockenimpfstoff). Also 80 Toten in Deutschland. Wieviele sind bisher durch die Affenpocken gestorben?

      Die Zahl der Infizierten ist im Moment irgendwo bei 1000-2000 deutschlandweit. Das ist keine Pandemie, sondern eine krankheitswelle. Die im Artikel geforderten Maßnahmen entsprechen meiner Laienmeinung nach nicht den tatsächlichen Gefahren.

  • Eine Schwierigkeit ist aber auch das man hier mit der Sprachregelung besonders aufpassen muss - was diese Art der Pocken sind, wen sie hauptsächlich betreffen etc. Es ist ein allgemeiner Aufruf zum Impfen nicht angebracht.

  • wir müssen erst prüfen. und abwarten.



    die Politik handelt nach "protect your neck" erst muß das Gefahrenpotential so groß sein, dass es offensichtlich ist, dann kann gehandelt werden, denn dann ist die Gefahr geringer von irgendeinem Bedenkenanmelder an den Pranger gestellt zu werden (was meistens gleich zur Folge hat, dass ein gegnerischer Politiker den Faden dankbar aufgreift)



    In D ist nichts schlimmer, als wenn sich im Nachhinein eine Handlung als nicht passgenau herausstellt. Das verzeiht diesem Politiker in D niemand, schon gar nicht die kritische Presse. Der Versuch einer Schadensabwehr ist nicht so viel wert, wie die Tatsache, dass etwas nicht geklappt hat.

    • @nutzer:

      was könnte am ANGEBOT einer Impfung falsch sein?

      • @Herma Huhn:

        für die Menschen? nichts, außer das es kein Angebot gibt.



        Für den Politiker oder die Verwaltung sieht das anders aus, wenn sich im Nachhinein herausstellt, dass es einen besseren Impfstoff gab, wenn der Impfstoff nicht wirkt, das ganze Geld was für den Impfstoff deshalb "sinnlos" ausgegeben wurde, obwohl er nicht optimal wirkt/nicht wirkt etc. Die öffentliche Person, die dann vorher die Stimme erhoben hat und sich irgendwie befürwortend gemeldet hat, bekommt die Schuld zugewiesen.... das macht keiner freiwillig.



        Die Schweinegrippe war ein Beispiel: "was da an Geld verschwendet wurde" und "dann war die Impfung sogar teilweise schädlich", diese Vorwürfe kamen, weil die Schweinegrippe ausgefallen war, wäre sie gekommen hätte sich keiner mockiert.



        Mit dieser Vorgeschichte und der aufgeheizten Coronaimpfthematik, würde ich mich auch nicht aus dem Fenster lehnen.