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Petition der Fusion-Veranstalter:innenHeimliche Nacktaufnahmen verbieten

Das heimliche Fotografieren nackter Körper ist in Deutschland nicht strafbar. Der Kulturkosmos Müritz e. V. möchte das ändern, mit einer Petition.

FKK-Treffpunkt in Berlin

Stell dir vor, du gehst nackt im See baden, drehst dich um und siehst, wie jemand dich fotografiert. Was tun? Strafrechtlich gesehen nichts. In Deutschland ist eine solche Tat bislang straffrei. Das möchte der Kulturkosmos Müritz e. V. – der Verein, der auch das Fusion Festival veranstaltet – ändern. Per Gesetz.

Die Petition „#EgalWo – Spanner abschalten!“, die der Verein auf der Petitionsplattform innn.it gestartet hat, richtet sich an Bundesjustizminister Marco Buschmann. Sie fordert eine Erweiterung des sogenannten Upskirting/Downblousing-Paragrafen, wie §184k StGB genannt wird. Demzufolge wird mit bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe sanktioniert, wer „absichtlich oder wissentlich“ unbefugt eine Bildaufnahme „von den Genitalien, dem Gesäß, der weiblichen Brust oder der diese Körperteile bedeckenden Unterwäsche einer anderen Person“ macht, soweit diese Bereiche gegen Anblick geschützt sind.

Ginge es nach den In­itia­to­r:in­nen der Petition, müsste die Strafe auch gelten, wenn unbefugte Aufnahmen des unbekleideten Intimbereichs, also Genitalien, Gesäß, weiblich gelesene Brust gemacht werden. „Es ist eine bizarre Situation: Mit dem aktuellen Gesetz ist der bedeckte Intimbereich besser geschützt als der nackte. Das sollte nicht so sein“, sagt die Rechtsanwältin Julia Schmidt. Sie ist Rechtsanwältin bei Hogertz Rechtsanwälte in Berlin. Der Kulturkosmos Müritz e.V. ist langjähriger Mandant der Kanzlei.

Für den Verein ist die Petition seit einem Vorfall auf dem Fusion Festival 2019 besonders drängend. Damals wurden Fes­ti­val­teil­neh­me­r:in­nen im Duschbereich mit versteckter Kamera gefilmt, die Aufnahmen später auf einer Pornoplattform veröffentlicht. Der Täter konnte nicht belangt werden.

Kein Schutz von „Spanner:innen“ in öffentlichen Räumen

Denn strafbar sind heimliche Nacktaufnahmen nur, wenn die Betroffenen sich in einem „gegen Einblick besonders geschützten Raum“ befinden. Zum Beispiel in einer Wohnung oder in einer geschlossenen Toilette. Öffentliche Saunen oder Duschen wie auf dem Festivalgelände fallen nicht darunter. Auch der im Sommer 2020 nach langem Gesetzgebungsverfahren beschlossene „Upskirting“-Paragraf hilft da nicht.

Eine Strafverfolgung des Vorfalls auf der Fusion sei überhaupt nur möglich gewesen, weil die Aufnahmen im Internet verbreitet worden waren und dies gegen das Kunsturhebergesetz verstößt. Nur mit Einwilligung der Abgebildeten wäre die Verbreitung erlaubt. Das Verfahren wurde aber eingestellt, da die abgebildeten Personen, die den Strafantrag hätten stellen müssen, nicht ausfindig gemacht werden konnten. Würden die Videos nur privat verwendet, wäre Strafverfolgung überhaupt nicht möglich. Gerade deswegen fokussiert die Petition auf die Herstellung solcher Aufnahmen. Handyverbote in den Duschen aber reichten bei Weitem nicht, sagt Schmidt.

„Dem Gesetzgeber war das Problem bei Beschluss des Upskirting-Paragrafen bereits bekannt“, sagt Schmidt. „Mehrere Ju­ris­t:in­nen, auch wir für den Kulturkosmos Müritz e.V., sowie einige Fraktionen hatten ausdrücklich hierauf hingewiesen und die Erfassung sämtlicher unbefugter Nacktaufnahmen des Intimbereichs gefordert.“ Da der Gesetzgeber den Paragrafen im Sommer 2020 schnell verabschieden wollte, entschied er sich jedoch, diesen Themenbereich vorerst auszuklammern und versprach, das Problem später aufzugreifen. Bis heute ist das nicht passiert.

Die Petition soll nun erstmal für Aufmerksamkeit sorgen, bislang zählt sie knapp 8000 Unterschriften. „Auch der Paragraf gegen Upskirting wurde auf Initiative einer Petition eingeführt“, erzählt Schmidt. Wer nächstes Wochenende bei der Fusion dabei ist und mehr erfahren möchte, kann dort am Freitag um 20 Uhr ins sogenannte ConTent-Zelt kommen. Hier stellt der Kulturkosmos Müritz e.V. zusammen mit Julia Schmidt diese nochmal vor.

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11 Kommentare

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  • Das Problem: Niemand hat Strafantrag gestellt.

    Logische Konsequenz: Es muss leichter werden, so einen Strafantrag zu stellen.

    Wirkliche Konsequenz: Lasst uns alle Festivalfotos durch Gefahr von Gefängnisstrafen verhindern!

    Um überhaupt noch Fotos machen zu können, bleibt Festivalbetreibern dann noch nur, jede Nacktheit zu verbieten.

  • Das hier ist die üble Folge der Kriminialisierung des Fotografierens von Hilflosigkeit. Dort wurde schon das Anfertigen verboten, wer also unvorsichtig auf den Auslöser drückt, macht sich strafbar.

    Weitergabe von Nacktfotos ist schon verboten. Hier geht es darum, dass schon die Anfertigung verboten werden soll.

    Da auch das spätere Löschen die Strafbarkeit nicht beendet, wird so Nacktheit un-normal gemacht und mit Hilflosigkeit gleichgesetzt

    Es geht also nicht um den Schutz nackter Personen, sondern um die Vernichtung sichtbarer Nacktheit in der Erinnerung.

    Dass in der Petition der Nutzen von Fotos auf „für die sexuelle Befriedigung der Täter“ reduziert wird, hilft da nicht gerade.

    Noch weniger, dass sie eigentlich gegen die Veröffentlichung gehen wollen, die ohne Einwilligung eh schon illegal ist, und da es keinen Strafantrag gab, gleich jegliche Fotos von Nacktheit verbieten wollen.

    Fotos vom FKK-Strand, um sie später den Kindern zu zeigen? Verboten. So wird der FKK-Strand irgendwann nicht mehr existieren.

    Stückweises Vernichten von Unerwünschtem aus der kollektiven Erinnerung.

    Der relevante Paragraf ist: www.gesetze-im-int...e/stgb/__201a.html

  • Bei allem Ernst, gibt es doch mindestens zwei weitere Komponenten:



    - Der Artikel über unbemerkte nacktbilder wird mit ebensolchen illustriert. Ist das Bild wirklich im öffentlichen Interesse? Das es unscharf ist, ist ja kein Kriterium.



    - jegliche weiblich lesbare Brust gehört laut Artikel zum Intimbereich und muss geschützt werden. Aber. siehe Diskussion über oben ohne Baden, bei der argumentiert wird, die Brust wäre nicht intim, und mit der männlichen vergleichbar.

    • @fly:

      Diese Diskussion würde, wenn die Petition zum Gesetz wird, nicht mehr existieren: Für jedes Bad und jedes Festival wäre klar, dass entweder Fotografieren ganz verboten sein muss (auch für die Betreibenden), oder die unbedeckte weibliche Brust verboten sein muss.

      Kind im öffentlichen Bad stillen? Nein, sonst würde Fotografieren schließlich zum Strafrisiko.

      Nacktheit verbieten, über Bande gespielt.

  • Man kann nicht alles haben - sich öffentlich nackt zeigen können und gleichzeitig nicht fotografiert werden dürfen. Man kann doch nicht erwarten, dass mit dem Ablegen der Kleidung automatisch eine bestimmte Art der Nichtöffentlichkeit eintritt, die danebenstehende Menschen mit Badehose nicht genießen können.

  • Das bisher geltende Recht hat natürlich damit zu tun, dass Smartphone und Internet deutlich jünger sind als das StGB. Der Gedanke, den Schutz auf nicht öffentliche Bereiche zu beschränken, hat aber schon Gründe, denn wer in der Öffentlichkeit nackt herumläuft, von dem geht man davon aus, dass er mit seiner Nacktheit kein Problem hat.

    Natürlich ist ein Foto etwas anderes als gucken, aber die Frage ist, wieso eigentlich nur der Intimbereich? Wieso darf man Bilder von Gesichtern denn straflos fertigen…und so weiter. Irgendwo muss man eben die Grenzen ziehen, nicht alles, was unanständig ist, muss auch strafbar sein.

    • @Dr. McSchreck:

      Lustig, dass ausgerechnet die Fusion-Macher so ein Gesetz fordern. Sind sie es doch selbst, die auf ihrem „privaten“ Gelände möglichst viel vom allgemeinen Rechtsstaat draussen lassen. Den Vorfall 2019 hätten sie doch erstmal selbst verhindern oder aufarbeiten/bestrafen können. Auf der Fusion passiert jedes Jahr ein Vielzahl von Dingen, die irgendwie nicht ganz korrekt, aber für die „Freiheit“ im Umgang mit Drogen in Kauf genommen werden. Von allen, sogar von der sehr kooperativen Polizei. Jetzt nach mehr Staat zu rufen, passt da irgendwie nicht. Oder werden die Fusion-Macher langsam alt?

  • Schafft es in diesem unsern Lande überhaupt noch irgendwer brauchbare Gesetze zu machen ?

    Ich fürchte der Fachkräftemangel hat in den letzten Jahren dort besonders gewütet wo man es am wenigsten erwartet.

    • @Bolzkopf:

      Wir haben eine Menge Gesetze, die sind schon lange gültig und gut. Von einem Einzelfall auf alle zu schließen, zeigt nur, daß man entweder nicht willen oder nicht in der Lage ist, über den eigenen Tellerand hinauszuschauen. Suchen Sie sich etwas aus.

      • @Lars B.:

        Hmm.. Jetzt unseren Gesetzesmachern Unwillen oder Unfähigkeit, über den Tellerrand zu blicken, anzudichten finde ich aber auch nicht fair.

        • @Bolzkopf:

          Nicht? Wer hat denn behauptet oder gefragt, ob hier noch irgendwer brauchbare Gesetze machen kann? Und für ein Gesetzentwurf reicht eine juristisch ausgebildete Person. Die sollte sich finden lassen, ganz ohne Ihren herbeigerufenen juristischen Fachkräftemangel, oder?