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Alarmstufe bei GasversorgungSignal an die Privathaushalte

Das Wirtschaftsministerium hat die zweite Stufe des Gasnotfallplans ausgerufen. Welche Konsequenzen hat das für private Gasabnehmer?

Druck wird sichtbar: Anzeigen im Gasspeicher Wolfersberg bei München Foto: Peter Kneffel/dpa

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Was ändert sich dadurch für private Gaskunden?

Im Moment noch nichts. Gleichwohl sei der Schritt bereits als ein „klares Signal“ auch an die Privathaushalte zu verstehen, ihren „Gasverbrauch aus Vorsorgegründen weiter zu reduzieren“, betont das Ministerium.

Können weitere Schritte ­folgen?

Ja, wenn sich die Versorgungslage weiter zuspitzt. Die formale Entscheidung liegt dann bei der Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde des Energiemarktes. Wenn diese offiziell durch Verkündung im Bundesanzeiger eine „erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland“ feststellt, greift laut Energiesicherungsgesetz eine Sonderregel, die auch für Privathaushalte erhebliche Konsequenzen haben wird. Denn mit diesem Moment haben, so heißt es im Gesetz, „alle hiervon betroffenen Energieversorgungsunternehmen entlang der Lieferkette das Recht, ihre Gaspreise gegenüber ihren Kunden auf ein angemessenes Niveau anzupassen“. Dann kann Gas sogar auch für solche Kunden teurer werden, die langfristige Preisgarantien in ihren Verträgen stehen haben. Dass dieser Mechanismus der Preisfreigabe zu einem späteren Zeitpunkt notwendig werden kann, ist laut Bundesregierung „nicht ausgeschlossen“.

Was steckt hinter der Regelung der Preisfreigabe?

Preisänderungen an den Gasmärkten kommen in normalen Zeiten erst mit zeitlichem Verzug bei den privaten Endkunden an. Das hat zur Folge, dass aktuell viele Endkunden noch zu Preisen beliefert werden, die die reale Knappheit von Erdgas in Deutschland nicht widerspiegeln. Da die Endverbraucher im Wohnungssektor aber zum Teil erhebliche Einsparmöglichkeiten haben, würden sie durch steigende Gaspreise animiert, diese Optionen auch auszuschöpfen. Aber auch unabhängig von der Frage, ob die Netzagentur irgendwann die Mangellage feststellen wird, geht die Bundesregierung davon aus, dass die Gaspreise für Privatkunden weiter steigen werden. Für die meisten Kunden sind spätestens mit der turnusgemäßen Anpassung der Gaspreise (wie der Strompreise auch) zum nächsten Jahreswechsel erhebliche Aufschläge absehbar.

Wenn die Gasversorger die Option zur kurzfristigen Neufestsetzung ihrer Preise bekommen, können sie dann jeden beliebigen Preis verlangen?

Nein, natürlich nicht. Die Preise dürfen – so steht es im Gesetz – die Mehrkosten einer Ersatzbeschaffung, die dem Energieversorger aufgrund der Reduzierung der Gasimportmengen für das zu liefernde Gas entstehen, nicht überschreiten. Das heißt, die Versorger dürfen nur weitergeben, was bei ihnen selbst an Mehrkosten anfällt.

Wann kann eine solche Preiserhöhung im Fall der Preisfreigabe in Kraft treten?

Frühestens am Tag nachdem der Kunde informiert wurde. Dieser kann dann im Gegenzug „unverzüglich nach Zugang der Preisanpassungsmitteilung“, so heißt es im Gesetz, seinen Gasliefervertrag außerordentlich kündigen. Das dürfte aber in den wenigsten Fällen zu einem günstigeren Tarif führen, weil zuletzt sowohl im Gas- wie auch im Strommarkt die Preise für Neukunden stets die höchsten waren.

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9 Kommentare

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  • "Energiepolitik" der Bundesregierung:



    "Wir kaufen nicht mehr beim Russen!" "Wir kaufen nicht mehr beim Russen!" "Wir kaufen nicht mehr beim Russen!" - "OMG! Der Russe liefert nicht mehr!?!"

  • Mir fällt hierzu nur noch das britische Sprichwort ein:

    "Eat or heat" ...

  • Wie in den meisten anderen Artikeln auch wird hier wieder nur drum herum geredet. Andere Blätter sind da konkreter. Oft wird offen davon geschrieben, dass jeder Haushalt für dieses Jahr etwas 1000 bis 1500€ mehr für die Nebenkostenabrechnung bereithalten sollte. Und das soll erst der Anfang sein.

    Mich stört an der Berichterstattung hier, dass jede Zeile vermieden wird, die Leser dazu verleiten könnte an der Politik zu zweifeln. Ihr seid doch keine Regierungssprecher!

    taz könnte ruhig mal wieder die Regierung kritisieren. Gründe gibt es unendlich viele und die Energiepolitik gehört sicherlich dazu.

    • @Sengel:

      Soll man Putin jetzt nachgeben oder was ist Ihr konkreter Vorschlag?

  • Die Kleineinkommen-Bezieher



    als Ideologieopfer.

  • So wie ich das sehe achten die meisten Privathaushalte von allein darauf das sie nichts verschwenden und die Kosten nicht durch die Decke gehen, weil sie es sich schlicht nicht leisten können.



    Müßte man nicht zuerst bei der Industrie ansetzen, die zu weit mehr als einem Drittel zum Gesamtverbrauch vom Gas beisteuert? Ist es nicht auch die Industrie die am meisten zum sparen von Gas auffordert, aber bei sich selbst kaum Potential zum sparen sieht?!

  • In der schönen grünen Welt, kann nur der heizen und essen, der das nötige Geld hat. Das nennt die Gesellschaft dann sparen. Wobei das grüne Klientel ja gar nicht spart, sondern andere zur Aufgabe des Existenzminimums zwingt und dann behauptet, man würde sparen. Einfach nur peinlich...

  • So. Und wie sollen die Kunden ihren Verbrauch im Sommer reduzieren? Etwas weniger duschen, aber wie viel ändert das???

  • Morgen kauft sich jeder eine Wärmepumpe und übermorgen bricht das Stromnetz zusammen. Denn eines wird ganz sicher nicht passieren: Dass die Bürger im Winter freiwillig frieren. "Bestenfalls" frieren sie, weil sie sich Wärme nicht mehr leisten können.



    Willkommen bei Grün/Rot.