: Gegen Linke und Langhaarige
Die Berliner GEW erinnert an den Radikalenerlass von 1972
Von Peter Nowak
„Wohl habe ich langhaarige Schüler zu mir zitiert und mit einer großen Schere in der Hand die Schneidebewegungen ausgeführt und dabei laut gerufen, um den Schülern Angst einzujagen: Schnipps, schnapp, Haare ab. Aber richtig abgeschnitten habe ich sie nicht.“ Mit solchen autoritären Methoden machte der sozialdemokratische Neuköllner Bezirksstadtrat für Bildung Gerhard Böhm in den 1970ern als Friseur Böhm Schlagzeilen.
Die Sprüche des heute zu Recht vergessenen SPD-Rechtsaußen sind in einer Ausstellung und Broschüre der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Berlin mit dem Titel „Berufsverbote und politische Disziplinierung in West-Berlin“ dokumentiert. Damit wollen die Gewerkschaftler*innen einen Beitrag zur historischen Aufarbeitung des sogenannten Radikalenerlasses leisten.
Dieser, 1972 vom damaligen Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) gemeinsam mit den Ministerpräsidenten der Länder verkündet, sah eine Überprüfung sämtlicher Bewerber*innen für den öffentlichen Dienst auf ihre vorbehaltlose Unterstützung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung vor. Das Kürzel FDGO wurde zum Synonym für eine autoritäre Staatspolitik und der Überwachung von Linken unterschiedlicher Strömungen.
Zum 50. Jubiläum fordert die GEW bundesweit eine Rehabilitierung der Betroffenen. Zu ihnen gehört Ewald Leppin, der als Kommunist nicht Lehrer werden durfte. Heute arbeitet er in der AG Berufsverbote in der GEW Berlin mit. Mit der Broschüre und der Ausstellung wolle man auch auf die Westberliner Besonderheiten bei der Verfolgung kritischer Linker eingehen, sagt er. Dazu gehört für ihn der besonders ausgeprägte Antikommunismus in der Mauerstadt, wo Linke schnell als DDR-Freund*innen bezeichnet wurden.
Als Beispiel führt die Broschüre die Notgemeinschaft für eine freie Universität (Nofu) an, in der in den 1970ern überwiegend konservative Professor*innen gegen kritische Linke agierten und offen mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeiteten. Im Visier der Nofu standen auch linke Sozialdemokraten wie der Volkswirtschaftler Klaus Dieter Kisker, der ihr ein Dorn im Auge war, weil er auch marxistische Texte in seiner Lehre verwendete.
Die Broschüre geht auch auf den Konflikt um den Radikalenerlass in der GEW ein. Während der Vorstand um den Neuköllner SPD-Politiker Erich Frister diesen noch ausweiten wollte, unterstützten große Teile der Basis die Opfer der Berufsverbote. Das führte für einige Jahre sogar zum Austritt der GEW Westberlin aus der Gesamtorganisation.
Ein eigenes Kapitel ist der Verfolgung von Homesexuellen in den 1970er Jahren gewidmet. So sollte dem Wilmersdorfer Lehrer Reinhard Koepp 1974 gekündigt werden, weil er laut Behörden „ein Gehabe an den Tag gelegt“ habe, das „nach allgemeiner Anschauung als tuntenhaft negativ bewertet“ wird. Eine Solidaritätskampagne verhinderte sein Berufsverbot.
Ab 18. August wird die Ausstellung in der Mediengalerie der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in der Dudenstraße 10 zu sehen sein.
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