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Debatte um Opfer-EntschädigungHeimkinder stellen Forderungen

Ehemalige Haasenburg-Bewohner kämpfen um Anerkennung. Eine Fachtagung solidarisiert sich. Opferentschädigung auch bei „institutioneller Gewalt“?

Ehemalige Heimbewohner berichteten an der Uni-Hamburg von ihren Erfahrungen Foto: IG ehemaliger Haasenburgkinder

Hamburg taz | Was Renzo Martinez und Michelle L. am Freitag im Anna-Siemensen-Hörsaal der Uni Hamburg erzählten, hatte mancher vielleicht gelesen, aber nicht aus erster Hand gehört. „Dieses Haasenburg-System war darauf ausgelegt, die Kinder zu brechen“, sagte Martinez. Er, L. und andere Kinder der Heimerziehung kamen bei einer Tagung mit Fachleuten ins Gespräch. Uni-Professor Holger Schoneville von der Fakultät für Sozialpädagogik zeigte sich bei der Begrüßung dankbar, dass es möglich ist, „klar und unverstellt über Missstände zu sprechen“.

Martinez erzählte weiter: „Es wurde dir früh klargemacht: Du hast jetzt die Kontrolle über dein Leben verloren, wir bestimmen jetzt, was mit dir passiert.“ Für jeden Moment habe es Regeln gegeben, „sogar die Gestik und Mimik wurde kontrolliert“. Der junge Mann erzählte, wie er auf die Fixierliege kam, weil er sich weigerte, 50 Kniebeuge zu machen.

„Renzo hat recht“, begann Michelle L. ihren Beitrag. Sie wohnte 2004 im gleichen Heim in einem Zimmer mit Blick auf einen eingezäunten Sportplatz. Die Erzieher hätten ihre Macht ausgenutzt. Fast täglich hätten Jugendliche Strafsport machen müssen, bis in die Nacht. Sie hätten ihre Fehler sagen müssen und geweint.

Die beiden sind Teil der „Interessengemeinschaft Ehemalige Haasenburgkinder“, die am Freitag mit sieben Personen in Hamburg war, begleitet vom Verein Kinderseelenschützer. Sie sehen sich als Überlebende, die Anerkennung fordern. Im Saal wurde eine Deklaration verabschiedet: „Aufklärung, Unterstützung und Entschädigung für die ehemaligen Kinder und Jugendlichen der Haasenburg“. Das Plenum der gut besuchten Tagung, die vom „Aktionsbündnis gegen geschlossene Unterbringung“ und dem „Arbeitskreis kritische soziale Arbeit“ organisiert wurde, erklärte sich solidarisch mit den Betroffenen, von denen gemessen an der Platzzahl dieser Heime Hunderte geben muss.

Bundesrat war schon mal für Gesetzesänderung

Das Unrecht, das sie in Form von „Zwang, Gewalt, Misshandlung, drangsalierenden Regeln und Isolation“ erlitten hätten, wirke bis heute. Sowohl das Land Brandenburg, dass die Heime erst 2013 schloss und in seiner Aufsicht versagte, als auch Länder, die Kinder dorthin schickten, müssten Verantwortung für das „in staatlicher Obhut erlittene Leid übernehmen“.

Die Deklaration fordert eine Änderung des Opferentschädigungsgesetzes. So sollten künftig auch Opfer „institutionalisierter Gewalt“ Hilfen bekommen. „Das Problem ist, dass im Gesetz die Hürden immens hoch sind“, sagte die Brandenburgische Abgeordnete Isabell Vandre (Linke). Durch die Änderung könnte der Anspruch auch gelten, wenn Kinder in einem Heim waren, dessen Konzept gefährdend war.

Das Thema ist nicht ganz neu. Bei einer Reform des Gesetzes im Jahr 2019 hatte sogar der Bundesrat gefordert, diesen Weg zu gehen, um auch von Kindern erfahrenes Leid in Heimerziehung, Behindertenhilfe, Psychiatrien, Schulen und Internaten gerecht zu werden. Nur lehnte dies die Bundesregierung ab.

Vandre sagte, sie wolle nun im Land bei anderen Parteien um Unterstützung werben. Sollte daraus nichts werden, fordert die Deklaration für die Ex-Haasenburgkinder einen Entschädigungsfonds durch Brandenburg. Die Betroffenen seien zufrieden mit der Tagung, sagte Renzo Martinez zur taz. „Wir erwägen nun, einen Verein zu gründen, mit einem Expertenbeirat, der uns unterstützt.“

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