piwik no script img

Matthias Platzeck über Putins Russland„So viel Irrationalität“

Stets hat Matthias Platzeck um Verständnis für russische Interessen geworben. Nun hofft der Ex-SPD-Chef, dass Putin durch sein Umfeld irgendwie zur Umkehr gebracht wird.

2001 erhielt Putin viel Applaus im Bundestag – doch daraus folgte nichts, so Matthias Platzeck Foto: ap

taz: Herr Platzeck, Sie haben stets die russische Sicht und das Bedürfnis nach Sicherheitsgarantien verteidigt. Aber nun zeigt sich: Es ging Putin nie um Sicherheit, es ging um einen imperialen Machtanspruch. Wie fühlt es sich an, so falsch gelegen zu haben?

Matthias Platzeck: Ich teile die Einschätzung nicht, dass es nie um russische Sicherheitsinteressen ging. Fakt ist aber, dass hier ein Kulturbruch stattgefunden hat, ein durch nichts und niemanden zu rechtfertigender Überfall auf ein vom russischen Präsidenten selbst so bezeichnetes Brudervolk. Und ja, ich hätte das für undenkbar gehalten – ich wache nachts auf und hoffe immer, es sei ein böser Traum.

Sie haben erklärt, Putin habe uns alle hinters Licht geführt. Aber es gab ja tatsächlich immer wieder Warnungen. Von den baltischen Staaten, Polen, zuletzt auch von den USA. Warum wollten wir das nicht hören?

Wir haben, wenn man Jugoslawien ausklammert, sieben Jahrzehnte Frieden in Europa erlebt. Die Vorstellung, dass mitten unter uns ein Krieg ausbrechen kann, war durch Verhandlungen und Diplomatie so weit weggerückt, dass man das nicht mehr für möglich gehalten hat. Ich war noch vor Weihnachten in Russland, habe mit vielen Leuten gesprochen. Da war unisono zu hören, es wird alles Mögliche passieren, aber ein Krieg auf gar keinen Fall! Unvorstellbar war auch, dass sich Putin noch vier, fünf Stunden mit dem französischen Präsidenten und dem deutschen Bundeskanzler hinsetzen würde, um ihnen ins Gesicht zu lügen. Denn die Maschinerie muss zu diesem Zeitpunkt längst angelaufen sein.

Im Interview: Matthias Platzeck

68, war Ministerpräsident von Brandenburg von 2002 bis 2013 und Vorsitzender der SPD von 2005 bis 2006. Seit 2014 ist der gebürtige Potsdamer ehrenamtlicher Vorsitzender des Deutsch-Russischen Forums.

War es also ein Fehler, bis zum Schluss auf Verhandlungen zu setzen?

Nein, bis zuletzt zu versuchen, Krieg durch Verhandlungen zu verhindern, ist richtig. Was ich mich frage, ist, wie man eigentlich mit einem Staatsführer, der anderen offenkundig und wissentlich ins Gesicht gelogen hat, in Zukunft noch verhandeln, Abmachungen treffen, Verträge schließen will. Dazu fehlt mir im Moment die Fantasie.

Ist es nicht an der Zeit, generelle Überzeugungen infrage zu stellen? Sie und viele andere haben immer behauptet, die Nato-Osterweiterung sei ein Fehler gewesen. Das habe Russland unnötig provoziert. Heute muss man sagen: Wäre die Ukraine 2008 Mitglied der Nato geworden, dann wäre ihr dieser Überfall wohl erspart geblieben.

Man muss sehr vorsichtig sein mit solchen Einschätzungen und immer auch die Atommacht Russland mitdenken. Ich glaube aber, wir werden uns sehr wohl über die Entwicklungen der letzten 20 Jahre beugen müssen. Auch wir im Westen haben mit Sicherheit Chancen und Möglichkeiten liegen lassen.

Wann soll das gewesen sein?

2001 zum Beispiel. In seiner Rede vor dem Bundestag hat Putin von einem europäischen Haus gesprochen. Die Rede ist ja damals auch von allen Fraktionen mit stehenden Ovationen begleitet worden. Da waren die Türen offen. Wir werden später irgendwann rausfinden, warum diese Rede zwar beklatscht, aber in die Schublade gelegt wurde. Aber das ist jetzt alles vergossene Milch, denn mit dem, was der russische Präsident jetzt macht, schüttet er alles in den Abgrund.

Sie klingen jetzt so, als hätte man Putin einfach zu irgendeinem Punkt noch weiter entgegenkommen müssen und dann hätte man sich all dies ersparen können. Glauben Sie nicht, dass Sie darin demselben Irrtum weiter aufsitzen?

Sie können mir glauben, dass ich über meine Irrtümer sehr intensiv nachdenke. Aber wir können doch jetzt nicht so tun, als hätte es die 20, 30 Jahre davor nicht gegeben. Und da kann man doch nicht sagen, die eine Seite hat alles richtig gemacht über 30 Jahre und die andere Seite hat alles falsch gemacht. So fährt Konfliktlösung vor die Wand. Aber noch mal, das ist jetzt auch egal. Wir kehren wahrscheinlich zurück in die 50er, 60er Jahre, die Anfangsphase des kalten Krieges, wo es ganz wenige Verbindungen gab, wo es wenige Möglichkeiten gab, was untereinander und miteinander abzustimmen. In diese durchaus finstere Zeit können wir zurückfallen. Ich habe nur noch eine sehr, sehr kleine Hoffnung.

Welche?

Dass jetzt doch ein paar Leute um Putin herum aufwachen und sagen, das können wir so nicht machen. Ich nehme die Stimmung derzeit in Russland anders wahr als nach der Annektierung der Krim. Damals haben 90 Prozent der Russen, mit denen ich geredet habe, gesagt, das sei richtig. Doch nun hieß es in Gesprächen immer, um Gottes willen, kein Krieg.

Sie hoffen, dass Putin von seinen eigenen Leuten gestürzt wird?

Jedenfalls müssen sie ihn dringend zur Umkehr bringen. Dieser Präsident reißt neben vielem anderen auch die Russische Föderation in den Abgrund.

Die EU hat Wirtschaftssanktionen beschlossen. Russische Banken sollen zudem vom internationalen Zahlungssystem Swift ausgeschlossen werden. Finden Sie die Sanktionen richtig? Sie haben solche in der Vergangenheit abgelehnt.

Ich war kein Freund von Sanktionen. Die seit acht Jahren geltenden Sanktionen waren nicht erfolgreich, im Gegenteil. Aber auf der anderen Seite muss man auch ehrlicherweise sagen, da die militärische Option nicht zur Verfügung steht und die diplomatische nichts gebracht hat, bleibt nur noch dieses Feld der wirtschaftlichen Beeinflussung.

Klebte die SPD bislang zu sehr an den entspannungspolitischen Vorstellungen der späten 1960er Jahre? Sie selbst geben ja auch kein Interview, ohne Willy Brandt und Egon Bahr zu erwähnen.

Ich habe bei Egon Bahr eine ganze Menge lernen dürfen, wir haben auch seine letzte Russlandreise zu Michael Gorbatschow zusammen gemacht. Egon Bahr hat immer für Freiheit und Selbstbestimmung gestanden und betont: Nur der Erhalt des Friedens steht da drüber. Denn ohne Frieden sind alle anderen Werte am nächsten Tag gegenstandslos. Dieser Satz bleibt wahr.

Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, CDU, behauptet, wir hätten die Lehre von Schmidt und Kohl vergessen, dass Verhandlungen immer den Vorrang haben, aber man militärisch so stark sein muss, dass Nichtverhandeln für die andere Seite keine Option sein kann. Haben wir in unserer friedenspolitischen Fixierung die Wehrhaftigkeit vergessen?

Auch diese Frage gehört auf den Prüfstand. Ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass Rüstungsspiralen nie gut sind, sondern die Kriegsgefahr eher erhöhen. Aber wenn man es mit so viel Irrationalität zu tun hat wie jetzt bei Putin, dann muss auch dieser Punkt wahrscheinlich eine andere Beachtung finden.

Deutschland wird jetzt auch Panzerabwehrwaffen und Boden-Luft-Raketen liefern. Ein Paradigmenwechsel. Der notwendig ist?

Alles andere wäre moralisch und auch politisch kaum aushaltbar gewesen.

Sie stehen einer zivilgesellschaftlichen Vereinigung vor, dem Deutsch-Russischen Forum. Laut FAZ waren Sie am 5. Januar bei einem Treffen der sogenannten Moskau Connection der SPD, und zwar auch mit dem Gazprom-Lobbyisten Gerhard Schröder, mit Heino Wiese, der diese Woche seinen Posten als russischer Honorarkonsul niedergelegt hat, und mit Innenstaatssekretär Johann Saathoff. Worum ging es da? War das auch rein zivilgesellschaftlich?

Herr Saathoff, der bisherige Russlandbeauftragte der Bundesregierung, hatte eingeladen. Wir haben dort über Möglichkeiten geredet, auch über die zivilgesellschaftliche Ebene Kontakte weiter zu halten. Wenn nun schon eine Einladung eines Bundestagsabgeordneten zu einem Gespräch vorwerfbar ist, dann wird es ja ein bisschen skurril.

Was ist daran skurril, einmal nachzufragen, wenn Sie mit Ihrer zivilgesellschaftlichen Organisation jemandem wie Gerhard Schröder helfen, den Lobbyismus für Gazprom so zu gestalten, dass Putin sich hier energiepolitisch unverzichtbar macht? Sie haben doch über viele Jahre den Boden mit dafür bereitet, dass niemand mehr in Deutschland davon ausging, dass Putin die Ukraine angreifen würde.

Ich weiß nicht, welches Feld ich Herrn Schröder bereitet haben soll. Ich war in keine seiner Entscheidungen einbezogen oder daran beteiligt. Ich arbeite ehrenamtlich für die Verständigung zwischen zwei Völkern, ohne einen einzigen Pfennig dafür zu erhalten. Ich lasse mir vieles vorwerfen, aber nicht, dass ich viel Zeit und Energie darauf verwende, für Austausch und Begegnungsmöglichkeiten zwischen Menschen zweier Länder zu arbeiten.

Aber zum zivilgesellschaftlichen Austausch hat zu jedem Zeitpunkt die wirtschaftliche Verflechtung gehört. Das deutsch-russische Forum war ein Teil des Komplexes, in dem auch wirtschaftliche Kontakte geknüpft worden sind. Haben Sie nicht das Gefühl, dass Sie und das Forum nur ein Vehikel waren für Deals, an denen sich andere bereichert haben, die dann darauf hingewirkt haben, dass hier Putin systematisch falsch eingeschätzt wurde?

Ich weiß nicht, welche Kenntnisse und welche Vorstellungen Sie vom Deutsch-Russischen Forum haben. Wir organisieren zum Beispiel seit Jahren Austauschprogramme und den größten Sprachwettbewerb für Russisch in Deutschland, wir organisieren Jugendforen, Seminare für Führungkräfte und Journalisten und betreuen in Abstimmung mit der Bundesregierung die 90 Städtepartnerschaften zwischen unseren beiden Ländern. Aber wir verfolgen keine wirtschaftliche Tätigkeit.

Gerhard Schröder bekommt hohe Geldsummen für seine Tätigkeiten für russische Energiekonzerne. Nun auch für den Aufsichtsrat von Gazprom. Wäre es jetzt nicht moralisch geboten, seine Ämter sofort niederzulegen, so wie es auch Österreichs Ex-Kanzler Kern getan hat?

Das muss Gerhard Schröder ganz allein für sich entscheiden.

Setzt das Deutsch-Russische Forum seine Arbeit fort?

Wir hatten am Donnerstag eine lange Vorstandssitzung. Wir arbeiten als zivilgesellschaftliche Organisation seit 25 Jahren daran, Brücken zu bauen, damit das, was jetzt passiert ist, nicht passiert. Etliche Mitstreiter, ich selbst eingeschlossen, haben nun auch ein Gefühl der Sinnlosigkeit dieses Tuns. Wozu war das eigentlich alles gut?

Sehen Sie denn Möglichkeiten, die Kontakte des Deutsch-Russischen Forums zu nutzen, um in Russland die Opposition zu unterstützen und die Menschen, die aktuell gegen den Krieg protestieren?

Wir haben in unserer Erklärung ganz klar formuliert, dass wir an der Seite der Russinnen und Russen stehen, die den Mut haben, sich gegen diesen Krieg zu stellen. Das sagt jeder von uns auch in seinen privaten Gesprächen. Wir spüren, dass viele, vor allem junge Russinnen und Russen, diesen Überfall auf die Ukraine nicht mittragen. Bei allem sollten wir aber nicht vergessen: Die Russen und die Russische Föderation als größtes Land der Erde wird es weiter geben. Sie werden weiterhin die zweitgrößte Atommacht der Welt sein. Freundschaften kann man beenden, Nachbarschaft nicht. Das heißt, wir werden auch in Zukunft mit diesen Nachbarn umzugehen haben. Und dazu wird es mit Sicherheit auch irgendwann wieder zivilgesellschaftliche Kontakte und Begegnungen geben müssen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

22 Kommentare

 / 
  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    Bereits in 2014 gab es Querdenker und Lichtgestalten. Der Wahn von Maidan hat es vielen angetan.



    taz.de/Wladimir-Ka...e-Heimat/!5047129/ (viele Kommentare)

  • Haben wir in unserer friedenspolitischen Fixierung die militärische Wehrhaftigkeit vergessen?



    Nein, militärische Wehrhaftigkeit schafft nur neue Probleme. Aber wir müssen endlich alle lernen, dass es wichtig ist, jederzeit und rechtzeitig gegen alle Formen der Diktatur einzustehen. Das beginnt tagtäglich im Kleinen und dabei spielt jeder Mensch eine wesentliche Rolle. Situationen fallen ja nicht vom Himmel. Nun ist die Entwicklung auf vielen Ebenen durch fehlendes Bewusstsein so weit fortgeschritten, dass die einzige „gute“ Lösung darin liegt, dass man darauf hoffen und darum beten muss, dass Putin aus den eigenen Reihen aus dem Verkehr gezogen wird. Das hatten wir in Deutschland schon einmal....



    In diesem Konflikt treffen völlig unterschiedliche Systeme aufeinander, mit Weltbildern von Russland aus dem 19.Jahrhundert und den EU-Ländern aus dem 21.Jahrhundert. Aus Putin ist ein machtkranker, unzivilisierter Despot geworden, der in Kauf nimmt, die ganze Menschheit zu opfern. Er hält die Welt an und versucht uns alle Zuversicht zu nehmen.



    Die Menschheit steht sowieso mitten in der Aufgabe, zu zeigen, ob sie eine destruktive Fehlentwicklung ist. Oder es schafft, ein Bewusstsein und Handlungsweisen zu entwickeln, die ihr ermöglichen, integraler Bestandteil einer vielfältigen, lebendigen Flora und Fauna dieses Planeten zu bleiben.



    Klartext: Selbst wenn das irgendwie noch gutgehen sollte, wenn wir weiterhin auf diesem Planeten Despotismus in jeglicher Form (im Privaten, wie im Politischen) zulassen, und ihn nicht im Keim bereits erkennen und uns entschieden für die Freiheit aller dagegen stellen, werden wir als Menschheit versagen.

    • @Dagmar Schäfer:

      Ihren Optimismus möchte ich haben... Es steht hier ein Weltbild aus dem 19. Jahrhundert gegenüber einem Weltbild, welches ebenfalls aus dem 19. Jhr. stammt aber mal einen hübschen bunten neuen Anstrich bekommen hat. Sobald unsere Interessen tangiert werden agieren wir doch auch nicht anders - mal mehr - wie im Kosovo, mal weniger, wie im Irak... .



      Ich habe kein Problem damit, Russlands Krieg einen Angriffskrieg zu nennen - im Gegensatz zu den ganzen Schwurblern, für die Kosovo oder Irak immer noch nur eine humanitäre Intervention ist.

      Ich habe aber den Eindruck, viele Foristen wollen glauben, dass Deutschland endlich mal auf der richtigen Seite der Geschichte steht, da kommen dann auch Stilblüten wie die von Ricarda Lang heraus, die Putin einen Vernichtungskrieg vorwirft... Natürlich ist es ein Krieg, es ist völkerrechtswiedrig aber kein Vernichtungskrieg. Es ist ein Regime Change Krieg, wie er "leider" seit 1945 schon öfters versucht und durchgezogen wurde.

  • "Wir werden später irgendwann rausfinden, warum diese Rede {von Putin} zwar beklatscht, aber in die Schublade gelegt wurde." Trotz verschiedener Zwischentöne klang die Rede Putins damals auch für mich - noch jetzt beim Wiederanhören - wie eine Zusicherung vertrauensvoller Zusammenarbeit. Die Russ. Föderation hat zahlreiche Verträge mit völkerrechtlicher Verbindlichkeit mit Westeuropa und den USA ausgehandelt, die multilateral unterzeichnet wurden. Und?



    1. Zunächst geht es um die Frage der Souveränität aller Staaten, die nach dem Ende des Warschauer Paktes entstanden sind oder ihre politische Souveränität herstellen konnten: Durch die Anerkennung der Souveränität eines Staates sind die anderen Staaten automatisch völkerrechtlich gebunden, die Entscheidungen des anerkannnten Staates bezüglich der Integration in Bündnisse oder Unionen zu akzeptieren. Daher hat die Russ. Föderation niemals das Recht gehabt, die Zugehörigkeit etwa Polens oder Ungarns zur EU/NATO in Frage zu stellen. Gleiches gilt für die Ukraine.



    2. In der Rede signalisierte Putin die Bereitschaft, auf allen Ebenen zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit zu ermöglichen, was auch in der russischen Gesellschaft und in Europa dankbar angenommen wurde.



    3. In den folgenden Jahren zeigte sich jedoch, dass Putins Regime eine zunehmend reaktionär nationalistische, antidemokratische Schlagseite entwickelte, wobei der oligarchisch-militaristische Komplex die Spielräume der freiheitlichen Gesellschaft dank technologisch aufgerüsteter Geheimdienste und höriger Justiz im Kern zerstörte.



    4. Daher waren es nicht die westlichen Staaten, die die Rede Putins "in die Schublade" legten, sondern er und sein Regime selber etablierten die restalinisierte Kontrolle über die Gesellschaft, um Freiheiten zu zerstören, wobei besonders die ideologische Affinität mit den Rechtradikalen und Evangelikalen a la Trump in den USA ins Auge sticht.

  • Ich muss zugeben, als Blinken kürzlich detailliert Angriffspläne der Russen präsentiert, war mein erster Gedanke: ja klar und Hussein hat Chemiewaffen. So gesehen hat sich die CIA als Infoquelle einen Glaubwürdigkeitspunkt erarbeitet, während Herr Putin jegliche Glaubwürdigkeit in alle Ewigkeit verspielt hat. Ein hoher Preis für seinen feuchten Traum.

    • @Stechpalme:

      Alle Ewigkeit ist übertrieben oder ein Albtraum.

      Ich hoffe nicht, dass Putin ewig Russland dominieren wird. Aber die nächsten Jahre werden wir wohl auf russisches Gas und Öl verzichten.

      Und dann werden wir es wegen der Energiewende erst Recht nicht brauchen.

  • Das Grundproblem in der Orientierung der russischen Aussenpolitik ist, dass man nicht in der Lage ist auf einer freundschaftlichen Grundlage mit den Nachbarn zu verkehren, sondern sich nur sicher fühlt, wenn man diese beherrschen kann. Dass die Nachbarn von Russland einfach nur in Ruhe gelassen werden wollen, scheint für Lawrow in seinen Überlegungen keine Rolle zu spielen. Was der Nachbar braucht oder will, hat in Moskau entschieden zu werden. Warum?

    • @Galgenstein:

      Im Hintergrund von Putins Machtapparat hat sich eine nationalistisch-zaristische Mafia etabliert, die das ideologische Rüstzug liefert: Der Widergänger des Kolonialismus mit Atomwaffen im Gepäck.

  • Wenn man Lobbyismus für Diktatoren, Gazprom & Co. unentgeltlich macht, ist man kein Altruist, sondern ein nützlicher Idiot.

    • @Dorian Müller:

      Platzeck hat vollkommen Recht, dass man vorher anders agieren hätte müssen - und ja - Putin im Punkt der (Neutralität der Ukraine) entgegenkommen müssen. Das verletzt auch keineswegs die Souveränität der Ukraine, sondern ist eine Entscheidung, die die NATO hätte treffen können.



      Und da hier im Forum ja Platzeck sowieso als Putinfreund angesehen wird zitiere ich mal lieber den dessen völlig unverdächtigen Z. Breczinsky. Der kurze Text macht aus meiner Sicht folgendes deutlich: Er verurteilt Putin schon 2015 sehr deutlich, empfiehlt aber dennoch eine Neutralisierung der Ukraine (siehe letzten Absatz). Der Fehler unserer Außenpolitik ist, nichts angeboten zu haben außer leeren Phrasen und Platitüden. Neben der Peitsche sollte immer ein Zuckerbrot liegen.

      Zitat Wikipedia:"



      Am 3. März 2014, zwischen der Absetzung Wiktor Janukowytschs und dem Krim-Referendum, verfasste Brzeziński einen Gastkommentar für die Washington Post: „Was ist zu tun? Putins Aggression in der Ukraine braucht eine Antwort“.[54] Er verglich Putins „gangsterhafte Taktik“ und „kaum getarnte Invasion“ der Krim mit Adolf Hitlers Besetzung des Sudetenlands 1938 und charakterisierte Putin als einen Cartoon-Mussolini, er hielt aber kurz davor zurück, einen Kriegseintritt der USA zu empfehlen. Stattdessen empfahl er, die NATO solle in Hochalarm versetzt werden und „Kalkulationsfehler verhüten“. Andererseits stellte er ausdrücklich fest, Russland müsse versichert werden, dass der Westen die Ukraine nicht in die NATO hineinziehen oder gegen Russland einstimmen wolle. (“The West should reassure Russia that it is not seeking to draw Ukraine into NATO or to turn it against Russia.”)"

      • @LD3000 B21:

        @LD3000 B21

        Es ist mMn doch mehr als blauäugig anzunehmen, dass eine "Neutralitätsgarantie" der Ukraine (wie auch immer diese aussehen hätte sollen, um Russland zufrieden zu stellen) irgend etwas an Putins Agenda, nämlich die Abwicklung der westorientierten Post-Maidan-UKR und deren "Rückführung" in die russ. Einflusssphäre, geändert hätte.

        Die Reaktion der ukr. Bevölkerung auf die Invasion zeigt hoffentlich vielen Zweiflern, was anderen schon lange klar war: die Mehrheit der Ukrainer:innen wünscht sich eine Hinwendung an die EU, an den "Westen" generell, an einen gewissen Lebens- und (gesellschafts)polit Freiheitsstandard...alles Dinge also, für die die rus. Einflusssphäre nun wirklich nicht steht.

        Einfach gesagt: Putin hat(te) keine Angst vor einer ggü. RUS militärisch-aggressiv agierenden Nato. Putin war sich immer im Klaren darüber (entgegen aller gestreuten Propaganda), dass die Nato ggü Russland ein reines Verteidigungsbündnis darstellt, das keinerlei Nutzen, aber massivste Kosten (bis hin zur atomaren Eskalation) bei einem militärischen Angriff hätte einkalkulieren müssen.

        Nein, ein möglicher Nato- oder EU-Beitritt der Ukraine hätte diese nur fester in der westl. Sicherheitsarchitektur verankert, was Putin eine Einverleibung der Ukraine nach bewährten Mustern (asymmetrische Kriegsführung, allgemeine polit./gesellschaftl./philosoph. Destabilisierungen) weiter erschwert hätte - die Frage, ob er diese Invasion bei einem Nato-Land Ukraine gewagt hätte, könnte man sich schon stellen...

        Einfach gesagt: Putin wollte UKR nicht in der Nato, weil dies die Einverleibung ebendieser massiv erschwert hätte - aber Putin WILL die UKR einverleiben, weil sie ein gefährliches (weil kulturell, hist. und gesellschaftlich eng verbunden) Gegenmodell zu seiner Vorstellung von Russland darstellte.

        Dass für die Ukrainer:innen Freiheit & Demokratie keine hohlen Phrasen, sondern brennendes Verlangen sind, für die sie kämpfen, damit hat Putin in seinem Zynismus nicht gerechnet

    • @Dorian Müller:

      Platzeck hat einfach auch die Interessen seines (in dem er früher mal MP war) Bundeslands und der Wirtschaft seines Bundeslandes im Blick. Er tut das, wofür Politiker gewählt werden.

    • @Dorian Müller:

      Richtig, Platzeck und Co. wurden auch nicht von Putin hinters Licht geführt. Sie haben vielmehr Putin aktiv dabei unterstütz uns hinters Licht zu führen.



      Manche wie Schröder für viel Geld, manche aus Naivität oder weil sie sich selbst Posten erhoffen.

  • Das gesamte Geschehen der letzten Jahre erinnert sehr an die Polnischen Teilungen: Preußen/ Deutsches Reich und St.Petersburg einigen sich auf Kosten der Länder zwischen ihnen.

    • @nzuli sana:

      Das müssten Sie aber erklären.

      Die Parallelen springen nicht ins Auge.

  • Natürlich hat nicht eine Seite alles richtig und eine alles falsch gemacht, aber es ist nur eine Seite, die militärisch einen Nachbarn überfällt.

    Und ich glaube auch zu sehen, dass die Russen insgesamt sowas eigentlich überhaupt nicht wollen. Aber vielleicht sollten sie dann auch dafür sorgen, dass das nicht passiert, was sie nicht wollen?

    Anders als historisch in vielen anderen Konfrontationen ist hier nicht die russische Bevölkerung der Feind bzw. wird so empfunden. Es ist die Regierung, die das Problem ist. (Fast) die ganze Welt ist wütend, aber sie ist nicht wütend auf die Russen. Sie ist wütend auf Putin.

  • "Nun hofft der Ex-SPD-Chef, dass Putin durch sein Umfeld irgendwie zur Umkehr gebracht wird."

    Ich glaube das ist eine falsche Hoffnung. Putin hat seine OMON. Diese Miniarme befehligt er quasi direkt (der Leiter der OMON ist ein loyaler Freund Putins), sie ist loyal, hochgerüstet und skrupellos.

    Jeder der versucht Putin zu entmachten wird mit Sicherheit diese Erde verlassen

  • Starke Interviewführung.

    Meine Hochachtung.

    • @rero:

      Sehe ich genauso, guter Journalismus.

  • Ich habe mich geirrt und ich habe falsch gelegen!



    Einfacher Satz- schwer auszusprechen.



    Statt dessen geht man jetzt in die DSF-Gräben(passend) und hofft, das man nicht so sehr abgemagert ist, wenn es wieder los geht.



    Deutsch-Russisches-Forum erinnert mich an die Umweltstiftung von und mit(anderen)Manuela Schwesig.



    ..... „In diesem Aufruf wird auf den Kriegszustand in einigen Teilen der Ukraine und die Annexion der Krim mit keinem Wort eingegangen. Schon allein aus diesem Grund fühle ich mich als unabhängige Journalistin und Russland-Expertin vom Deutsch-Russischen Forum und seiner Leitung nicht mehr angemessen vertreten.“ ..



    .....„im Forum würde offenbar durch Neuaufnahmen gezielt die Pro-Putin-Mehrheit gefestigt“...



    de.wikipedia.org/w...h-Russisches_Forum



    ..... Der Leitgedanke, Krieg aus ihrem Verhältnis zu verbannen, sei bei Amerikanern, Europäern und Russen verloren gegangen. Folge sei die bedrohlich wirkende Ausdehnung des Westens nach Osten ohne gleichzeitige Vertiefung der Zusammenarbeit mit Moskau und die völkerrechtswidrige Annexion der Krim durch den russischen Staat unter dessen Präsidenten Wladimir Putin. Die Unterzeichner schrieben Deutschland eine besondere Verantwortung für die Bewahrung des Friedens zu. Das Sicherheitsbedürfnis der Russen sei so legitim und ausgeprägt wie das der Deutschen, der Polen, der Balten und Ukrainer. Die Medien wurden aufgerufen, ihrer Pflicht zur vorurteilsfreien Berichterstattung überzeugender nachzukommen als es bisher geschehe. Es gehe nicht um Putin, sondern darum, den Menschen wieder die Angst vor Krieg zu nehmen. Dazu könne eine verantwortungsvolle, auf soliden Recherchen basierende Berichterstattung eine Menge beitragen. ....



    de.wikipedia.org/w...re_Russlandpolitik



    Interessant auch den Vorstand zu "zerlegen".



    Könnte hier nicht auch noch Hans Modrow mit untergebracht werden.



    Egal, es dürfte sich erledigt haben.

    • @Ringelnatz1:

      Klar ist der Satz für ihn schwer auszusprechen.

      Platzeck erklärt auch warum: weil er dann Lebenssinn verliert.

      Wahrscheinlich war er schon in der DSF besonders aktiv.

      Das ist wie in dem Interview mit dem Friedensaktivisten. Er sagt es auch selbst.

      Sie würden ihren Lebenssinn verlieren.

      Man kann diesen Satz von Viktor Frankl „Wer ein Warum zum Leben hat, erträgt fast jedes Wie“ eben auch umkehren.

  • > jemandem wie Gerhard Schröder helfen, den Lobbyismus für Gazprom so zu gestalten, dass Putin sich hier energiepolitisch unverzichtbar macht?



    Die Abhängigkeit vom Gas für nahezu alle Zwecke einschließlich Strom hat nichts mit Lobbyismus zu tun sondern der mutwilligen Außerbetriebsetzung aller Alternativen. Ja, im Jahressaldo gesehen haben wir erhebliche Beiträge aus Sonne und Wind. Das hilft nicht.



    Heute kommt der Strom aus der Steckdose und das Essen aus dem Supermarkt oder Bioladen. Früher war noch allgemein bekannt und jedem bewußt, es reicht nicht, zum Höhepunkt der Erntezeit genug zu Essen zu haben, um nicht zu hungern zählt allein, was davon am Ende des Winters noch unverdorben vorhanden ist.



    Nachdem die Voraussagen über eine mögliche Epidemie aus der Risikostudie der Bundesregierung von 2013 mit geradezu beängstigender Präzision eingetreten sind, wäre vielleicht auch ein Blick auf die Folgeabschätzungen für einen großflächigen Zusammenbruch der Stromversorgung nicht verkehrt. Die DDR hatte 1978/79 Ofenheizungen mit Schwerkraftkraftumlauf. Auch im Rheinland in meiner Jugend war es bei Stromausfall nur dunkel. Selbst das Telephon für Notarzt oder Feuerwehr lief noch. Wie sehr heute ohne Strom gar nichts mehr geht, ist nur wenigen wirklich klar.