piwik no script img

Tropeninstitut hinterfragt NamenspatronWer war Bernhard Nocht?

Hamburgs Bernhard-Nocht-Institut will erforschen, wie stark sein Namensgeber mit dem NS-System sympathisierte. Das könnte zu einer Umbenenung führen.

Gerechtfertigte Verehrung? Bernhard-Nocht-Büste im Bernhard-Nocht-Institut im Jahr 2016 Foto: Christian Charisius/dpa

Hamburg taz | Angefangen hat alles mit der Cholera-Epidemie. Damals, anno 1892, als die Krankheit durch Seeleute oder Auswanderer nach Hamburg kam und sich übers Trinkwasser schnellstens verbreitete. Denn während andere Städte – auch das benachbarte, damals preußische Altona – längst Filteranlagen hatten, war Hamburgs Senat dafür bislang zu geizig gewesen. Die Folge: über 8.000 Tote durch die Seuche.

Um solches künftig zu verhindern, ernannte man den Bakteriologen und Robert-Koch-Schüler Bernhard Nocht zum Hafenarzt, um einen hafen- und schiffshygienischen Dienst zur Abwehr von Seuchen aufzubauen. Und die wurden mehr: Aufgrund des Kolonialhandels schleppten Seeleute und Reisende immer mehr unbekannte tropische Krankheiten ein. Also gründete Hamburg 1900 auch noch das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“.

Nocht wurde Direktor, und der Kolonialgedanke war dabei explizit: Es ging um die Heilung der Europäer, nicht der Einheimischen. 1911/12 reiste Nocht selbst in die damalige deutsche Kolonie Ostafrika und schrieb – so eine im NDR zitierte Akte aus Hamburgs Medizinhistorischem Museum, die dessen Direktor Philipp Osten fand – dass es „leider nicht erreicht worden ist, eine Schule für Schwarze Kinder als Lieferanten von Malaria-Parasiten aus dem Europäerviertel zu verlagern“.

Dieser Haltung blieb Nocht ein Leben lang treu. „Er war zwar nie in der NSDAP, sympathisierte aber mit dem Regime und war im Reichskolonialbund“, sagt Markus Hedrich, der Nochts Biographie an der Forschungsstelle „Hamburgs (post-)koloniales Erbe/Hamburg und die frühe Globalisierung“ an der Hamburger Uni eruiert. „Und obwohl er schon pensioniert war, unterschrieb Nocht 1933 das Bekenntnis der deutschen Professoren zu Adolf Hitler“, sagt Hedrich.

Nocht hielt Eingeborene für unsauber

Auch wusste Nocht sehr genau, dass Institutsmitarbeiter Ernst Nauck, der später Direktor wurde, 1940 im Warschauer Ghetto eine – noch nicht genauer erforschte – Fleckfieberforschung betrieb. „Man ging davon aus, dass Fleckfieber vor allem von Polen und Juden übertragen wurde, und man sie daher ghettoisieren müsse“, sagt Hedrich. Dabei ist Fleckfieber eine durch Läuse übertragene Armutskrankheit, die erst durch die mangelnde Hygiene in KZ und Ghettos entstand.

Nocht indes blieb auf Segregationskurs: „Im selben Jahr, 1940, sagte er in einem Vortag, Eingeborene seien unsauber und sollten in der kommenden deutschen Tropenmedizin mehr oder weniger passive Objekte behördlicher Maßnahmen sein“, weiß Hedrich. Und dass Hamburg dem Tropeninstitut 1942 Nochts Namen gab, lag nur zum Teil an dessen 85. Geburtstag: „Angesichts der sich abzeichnenden Kriegsniederlage nach dem gescheiterten Russlandfeldzug im Winter 1941/42 war das auch ein Propaganda-Coup“, sagt Hedrich.

Auch dass sich Nocht kurz nach Kriegsende – und dem Ende de NS-Regimes – das Leben nahm, lasse sich als politisches Statement deuten.

Fachliche Verdienste sind unbestritten

Bei all dem soll nicht unterschlagen werden, dass das Institut unter Nochts Ägide wichtige Verbesserungen der Chinintherapie bei Malaria initiierte, und dass er gezielt und systematisch die Zusammenarbeit vom Ärzten, Mikrobiologen Chemikern und Pharmakologen förderte – damals ein echtes Novum.

Malariaforschung zählt bis heute zu den Schwerpunkten des Instituts. Auch lieferten Mitarbeitende wichtige Erkenntnisse über HIV, entwickelten eine Therapie gegen Flussblindheit sowie, 2003, den ersten SARS-Test. Seit 2017 baut man in Ostafrika mobile Diagnoselabore, um grenzüberschreitende Epidemien früh zu erkennen. In anderen Worten: Das Institut ist weltweit renommiert.

Umso wichtiger, dass diese wichtige Forschungsarbeit nicht im Namen eines NS-Sympathisanten geschieht. Deshalb sucht der Institutsvorsitzende Jürgen May jetzt GutachterInnen, die dies genau erforschen. Spätere Umbenennung nicht ausgeschlossen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!