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Schweiz lehnt Medienförderung abEin Nein zur Aufklärung

Anina Ritscher
Kommentar von Anina Ritscher

Eine Mehrheit der Schwei­ze­r:in­nen stimmt gegen staatliche Hilfen für Medien. Rechte Stimmungsmacher können das als ihren Erfolg verbuchen.

Wetterten gegen staatliche Hilfen: die reichen konservativen Verlagshäuser der Schweiz Foto: Anthony Anex / Keystone/dpa

D ie Prognosen waren zwar knapp, das Resultat ist nun eindeutig: Die Schweizer Stimmbevölkerung stimmt gegen eine ausgebaute staatliche Subvention für Medien. Große Medienkonzerne wie Ringier warben zwar für das Gesetz, werden aber auch ohne Unterstützung über die Runden kommen.

Anders sieht es für unabhängige und lokale Medien aus, von denen viele kurz vor dem Bankrott stehen. Das Nein wird einige alteingesessene Zeitungen endgültig über die Kante stoßen. Ungewiss ist auch die Zukunft vieler junger Onlinemedien, die auf Unterstützung angewiesen wären. Wer sich nicht ohne Subventionen über Wasser halten kann, müsse sich ein neues Geschäftsmodell ausdenken. So argumentierten etwa die wirtschaftsliberale FDP, die rechte SVP und Kom­men­ta­to­r:in­nen der bürgerlichen NZZ.

Sie sehen Medien im besten Fall als marktfähige Produkte, nicht als Institutionen der Aufklärung. Dabei ist es gerade in der Schweiz mit ihrem Modell der direkten Demokratie fatal, wenn sich Bür­ge­r:in­nen nicht ausführlich über Abstimmungsvorlagen informieren können. Das Nein-Komitee hat auch vor dieser Abstimmung mit verdrehten Zahlen und verkürzten Fakten um sich geworfen.

Doch fundierte Berichterstattung wollten viele Geg­ne­r:in­nen der Vorlage nicht. Für Leute wie den SVP-Politiker und Weltwoche-Chefredakteur Roger Köppel sind Medien nur Vehikel, um eine politische Ideologie zu transportieren. Ihnen ist es ein Dorn im Auge, wenn kritisch und ausgewogen berichtet wird. Das Geld ist bei Köppel auch ohne raffiniertes Geschäftsmodell vorhanden: Seine Par­tei­kol­le­g:in­nen sind Mil­lio­nä­r:in­nen wie Christoph Blocher.

Erfolg beim zweiten Versuch

Schon 2018 versuchten diese Kräfte mit der „No Billag“-Initiative, dem öffentlich-rechtlichen Schweizerischen Radio und Fernsehen SRF die Finanzierung zu entziehen. Damals scheiterten sie an der Urne, nun waren Köppel und seine Entourage erfolgreich.

Nicht zuletzt dürfte die Stimmungsmache bei den Anti-Corona-Demos für dieses klare Resultat mitverantwortlich sein. Dort warben Transparente schon Monate vor der Abstimmung mit dem Slogan „Nein zu Staatsmedien“. Die über zwei Jahre hinweg hartnäckig verbreitete Rhetorik von „Lügenpresse“ und „Systemmedien“ scheint zu fruchten.

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Anina Ritscher
Geboren 1994, arbeitet als freie Journalistin zu den Themen Rechtsextremismus, Desinformation und Verschwörungsglauben. Schreibt außerdem über die Schweiz. Teil des Selbstlautkollektivs, ein Zusammenschluss aus freien Journalist:innen.
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13 Kommentare

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  • Journalisten sind wie Künstler,



    suchen sich einen Job aus der ihnen Spass macht und erklären dann anderen das er super wichtig das sie ihn bezahlen müssen ohne das sie seine Arbeit benötigen/konsumieren.



    Nen Streik würde ja keiner mitbekommen also ruft ma nach nen Gesetz…..

  • Randdetail: Roger Köppel ist Duzfreund (und informeller Strategieberater) von Sahra Wagenknecht. Wenn man das weiß, macht eine Menge Dinge schlagartig sehr viel mehr Sinn.

  • Ein nicht zu unterschätzendes Argument war, dass die Medien dann nicht mehr unabhängig sind. Es ist nicht alles Rechts, was in der taz als solches bezeichnet wird.

  • Liebe Frau Ritscher,

    Ein Nein zur Aufklärung? Ihr Artikel ist ja mal kein Beispiel für Aufklärung.

    Es gibt soviel gute Gründe für ein Nein. Nur einer:

    Die Medienförderung soll von 1 Milliarde auf 2 Milliarden für sieben Jahre, was für die Schweiz schon ne Hausnummer ist, verdoppelt werden, weil die Post die Zustellgebühren um 20% erhöht.

    Ausser vielen regionalen Käseblättchen profitieren die größten vier größten Medienhäuser profitieren mit min. 30% davon.

    Also z. B. Herr Blocher, den man mit Weidel als Boss von Springer vergleichen könnte und Ringieraxelspringer.

    Würden die Tazleser*innen zustimmen, wenn der Springer Verlag so mit ihrem Steuergeld gefördert wird?

    • 1G
      164 (Profil gelöscht)
      @Leichtmatrose:

      So ganz unbekannt ist das Phänomen Fördergelder für Verlage bei uns auch nicht: www.sueddeutsche.d...-verlage-1.4954897

  • "Wer sich nicht ohne Subventionen über Wasser halten kann, müsse sich ein neues Geschäftsmodell ausdenken." - da würde ich mitgehen, denn Subventionen sind ein Zeichen für Abhängigkeit. Unabhängige Medien müssen ohne Subventionen auskommen, sonst sind sie nicht mehr unabhängig.

    Die Schweizer Wähler haben in direkter Demokratie über diese Frage entschieden. Viel mehr Demokratie kann man sich kaum wünschen. Die Schweiz steht bei mir nicht bei den Ländern oben auf der Liste, wo Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit in Gefahr wären.

    In Deutschland haben wir ein gemischtes Modell, das sich im Wesentlichen ebenfalls bewährt hat. Die "Grundversorgung" wird von den Öffentlich-Rechtlichen übernommen. Das ist gut so und sollte so bleiben. Aber wir sollten nicht die Illusion haben, dass die "unabhängig" sind, weil dort ja Staat und Regierung mit Parteipolitikern in den Aufsichtsgremien sitzt.

  • Das ist eine falsche Analyse

    Ja, die rechtsbürgerlichen Kräfte haben stark Stimmung gemacht, aber eine deutliche Mehrheit hat es nicht darum abgelehnt, sondern weil das Gesetz einfach schlecht war.



    Es war ein fauler Kompromiss, in dessen Rahmen einfach einerseits allen etwas Geld zugeschoben wurde für Zustimmung, eben auch den grossen Verlage , dazu hätte das Gesetz nicht den Journalismus gerettet, fast die Hälfte der Summe wäre ab Dinge gegangen wie subventionierte Frühzustellung, Sonntagszustellung und Druckereien.



    Es ging um die Rettung des Print, nicht die Rettung kleiner Verlage.

    Das Gesetz war einfach dreistes bedienen an Staatsgeldern.

    Solche schlechten Gesetze haben es zurecht schwer hier in der Schweiz.



    Das eigentliche Ansinnen, kleine Verlage zu unterstützen, hatte eine Mehrheitliche Zustimmung, aber dazu muss man nicht den alten Status Quo zementieren, Vorschläge wie Mediengutscheine, wurden im Gesetz abgelehnt, zu sehr war man alte Strukturen am bedienen.

  • Zugegeben, ich bin mit mir selbst uneins: Nachrichten-Medien sind idealerweise unabhängig, von Medienkonzernen ebenso, wie von Werbeeinnahmen.



    Soweit, so ideal. Leider bedeutet die staatlich Medienfinanzierung auch keine ehrliche Unabhängigkeit der Berichtserstattung. Die Verflechtungen und Seilschaften um die ÖR sind ja selbst in Deutschland leider höchst beeindruckend…



    Insofern ärgere ich mich schon auch über die mir aufgebrummten Rundfunkgebühren, welche ich seit Jahr & Tag für ziemlich viel Medien-Schwachsinn zu zahlen habe.



    Vielleicht wäre ja ein erster Ansatz zur Qualitätssicherung, dass man die öffentliche Medienfinanzierung auf echte Information begrenzt und sämtlichen Unterhaltungs-Seich, von der Vorabendserie bis zur Polit-Unterhaltungs-Talkshow, davon ausnimmt…

  • Der Beitrag macht es sich zu leicht. Es gibt gute Gründe, eine staatliche Medienförderung zumindest skeptisch zu sehen, die mit "rechter Stimmungsmache" nichts zu tun haben. Im Kern geht es um die Frage, ob man mit staatlichen Hilfen die Unabhängigkeit der Medien gefährdet, ob also Medien auch dann noch kritisch über den Staat berichten, wenn sie finanziell von ihm abhängig sind. Ich bin vor allem unter diesem Gesichtspunkt eher gegen eine staatliche Förderung, die den ohnehin schon verbreiteten Vertrauensverlust in die Unabhängigkeit der Berichterstattung im Übrigen noch weiter befördern würde. Die von der Autorin im Kern vertretenen These, Aufklärung sei nur mit Mediensubventionen zu haben, wackelt daher aus meiner Sicht erheblich. Man kann auch das Gegenteil richtig finden.

  • @GOTTFRIED SCHERER

    Sie haben den Artikel gelesen? Auch verstanden?

  • Kritischer Journalismus käme an der Frage nicht vorbei, warum die Wirkung der großen regierungsfreundlichen Medien an der Urne sich nicht zeigt. Haben die Regierungsfreunde womöglich Fehler de Regierung nicht gesehen oder sehen wollen? Statt dessen Framing, das auf die Meinungsmacher immer passt, abr eigentlich nichts über die Dignität der dort geäußerten Meinungen sagt - ganz abgesehen davon, dass Meinungsvielfalt systematisch vor Blindheit schützen kann...