Mann tötet Familie in Brandenburg: „Übersteigerte Befürchtungen“
Nachdem seine Frau mit falschem Impfpass auffliegt, tötet ein Mann in Brandenburg seine Familie. Er stand offenbar der Querdenken-Szene nahe.
Tatsächlich wühlt der Fall in Senzig viele Menschen auf – und er hat offenbar eine politische Komponente. Laut Ermittlern hatte in der Nacht zu Freitag ein 40-Jähriger seine drei Kinder im Alter von vier, acht und zehn Jahren und seine Frau erschossen, danach tötete er sich selbst. In einem Abschiedsbrief soll er die Tat mit einem gefälschten Impfausweis begründet haben, den er für seine Frau besorgte und der an ihrer Arbeitsstelle, der Verwaltung einer Hochschule, aufgeflogen sei. Er habe eine Verhaftung und die Wegnahme seiner Kinder befürchtet.
Das Wissenschaftsministerium Brandenburg bestätigte am Mittwoch, dass die Hochschule die Mutter wegen des gefälschten Ausweises angeschrieben hatte. Dazu sei sie auch verpflichtet und habe „alles richtig gemacht“.
Gernot Bartleon von der ermittelnden Staatsanwaltschaft Cottbus sprach von „völlig übersteigerten Befürchtungen“ des Vaters, die auch Fragen nach einer psychischen Erkrankung aufwerfen. So wurde zuletzt zwar der Strafrahmen für gefälschte Impfpässe erhöht. Nun drohen dafür eine Geldstrafe oder bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe, für einen „gewerbsmäßigen“ Handel bis zu fünf Jahre. Dem nicht Vorbestraften hätte aber wohl nur eine Geldstrafe bevorgestanden.
Offenbar in der „Querdenker“-Szene aktiv
Offenbar bewegte sich dieser zuletzt im „Querdenker“-Milieu. Ein Mann seines Namens war am 25. November der Gruppe „Freiheitsboten Königs Wusterhausen“ beigetreten. Dort hieß es nach den Todesfällen, er sei auch Mitglied der „Querdenker“-Partei Die Basis gewesen. Einige Nutzer dort schrieben die Verantwortung für die Todesfälle der Corona-Politik zu. Andere bezweifelten den Inhalt des Abschiedsbrief oder warnten vor einer Instrumentalisierung der Tat. Laut des Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas) war der 40-Jährige seit Juli 2021 auch in anderen Chatgruppen der Szene aktiv, etwa in der des prominenten Corona-Verharmlosers und Arztes Bodo Schiffmann. Ungeklärt ist noch die Herkunft der Schusswaffe, hier ermittelt die Staatsanwaltschaft.
In der Coronaprotestszene und auf deren Social-Media-Kanälen hatten sich zuletzt Endkampf- und Widerstandsaufrufe gehäuft. So erfolgten Gewalt- und Mordandrohungen gegen Politiker:innen wie Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU). In Sachsen zogen einige „Querdenker“ bis vor das Haus von Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD). In Mecklenburg-Vorpommern versuchten Demonstrierende am Montagabend, das Haus von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) aufzusuchen, wurden aber von der Polizei kurz davor gestoppt. Auch vor der Kölner Wohnung des neuen Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) waren am Freitag vier Impfgegner aufgetaucht.
Internes Lagebild des Innenministeriums warnt
In einem aktuellen internen Lagebild des Bundesinnenministeriums, das der taz vorliegt, ist die Rede von einer „in Teilen aggressiven und gewaltbereiten“ öffentlichen Auseinandersetzung über die Corona-Schutzmaßnahmen. Gerade teilnehmerstarke Versammlungen hätten ein „deutlich erhöhtes Eskalationspotenzial“. Bei Einzelpersonen oder Kleinstgruppen sei davon auszugehen, „dass die Radikalisierungstendenz voranschreitet“. Auch müsse weiter mit Straftaten gegen Objekte aus dem Gesundheitssektor oder auch gegen Personen, die für die Maßnahmen verantwortlich gemacht würden, gerechnet werden.
Auch mehrere Innenminister der Länder hatten zuletzt vor einer weiteren Radikalisierung der Querdenken-Szene gewarnt, die mit einer Impfpflicht noch zunehmen dürfte. Sie forderten als Gegenmittel Schnellverfahren gegen Straftäter oder eine Klarnamenpflicht für soziale Onlinemedien. Auch die jüngste Innenministerkonferenz hatte in einer Erklärung gesetzliche Regelungen für „eine eindeutige Identifizierbarkeit von Straftäterinnen und Straftätern im Internet“ eingefordert. Auch auf Messengerdiensten müsse „Hass und Hetze konsequent unterbunden und geahndet werden können“. Zudem brauche es zentrale Meldestellen für Hasskriminalität im Internet.
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