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Seilbahn in Berlin wird ÖPNVBilliges Vergnügen in luftiger Höhe

In Berlin gibt es eine Seilbahn. Pläne der neuen Landesregierung sehen vor, dass man diese bald mit einem normalem Nahverkehrsticket benutzen kann.

Die Seilbahn in Marzahn-Hellersdorf ist die Einzige in ganz Berlin Foto: Scherf/imago

Berlin taz | Geht es nach der neuen rot-grün-roten Landesregierung, dann wird Berlin Vorreiter in hohen Lüften: Als erste Stadt Deutschlands will die Hauptstadt laut Koalitionsvertrag ihre Seilbahn in den Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) integrieren. Die Seilbahn existiert seit der Internationalen Gartenbauausstellung 2017 in Marzahn; in Zukunft soll man sie mit einem Nahverkehrsticket benutzen können.

Bislang gilt die gerade einmal 1,5 Kilometer lange Schwebestrecke eher als Touristenattraktion. Sie verbindet die U-Bahn mit den Gärten der Welt, einem beliebten Ausflugsziel im Plattenbaubezirk Marzahn-Hellersdorf. Als Teil des ÖPNV wäre die Seilbahn dann auch im Berufsverkehr im Betrieb und würde nicht länger um 17 Uhr (sowie im Winter) den Betrieb einstellen.

Die Seilbahnstrecke wurde nicht etwa gebaut, weil der Kienberg, den sie überwindet, besonders hoch ist. Die ursprünglich nur kleine Erhebung wurde beim Bau der sie umgebenen Plattenbauten durch Bauschutt künstlich auf eine Höhe von lediglich 102 Metern über Normalhöhennull aufgeschüttet. Die Seilbahn soll vielmehr verhindern, dass das den Berg umgebende wertvolle Feuchtbiotop von den Besuchern der weitläufigen Parkanlage mit Gärten aus aller Welt zertrampelt wird.

Seilbahnen als Teil des öffentlichen Nahverkehrs kennt man bisher aus lateinamerikanischen Städten, innerhalb derer große Höhenunterschiede herrschen. Aber auch in Bremen, Bonn und München gab oder gibt es Überlegungen, Seilbahnen zur Lösung von Verkehrsproblemen zu nutzen.

Klimafreundlich, leise, schnell zu bauen

Eine Studie der neuen Bundesregierung soll nun bis 2023 zeigen, ob Seilbahnen den ÖPNV sinnvoll ergänzen können. Auch der Bund kann dem Verkehrsmittel etwas abgewinnen. Es ist klimafreundlich, leise, schnell zu bauen und kann den Verkehrskollaps auf den Straßen entlasten. Studienautor Sebastian Beck vom Beratungsunternehmen Drees & Sommer meint, der ÖPNV der großen Städte sei zwar gut organisiert, stoße aber an seine Grenzen. „Bei der Seilbahn geht es darum, Lücken zu schließen, zu entlasten, zu verlängern, zu überbrücken.“ Laut Lars Wagner vom Verband Deutscher Verkehrsunternehmen ist der verkehrliche Nutzen wichtig – weil dann eine Förderung durch den Bund möglich werde.

Der unmittelbare Nutzen ist für die 1,5 Kilometer kurze Ministrecke in Berlin eher bescheiden. Aber es gibt Überlegungen, sie zu verlängern. BezirkspolitikerInnen in Berlin fordern zudem, Seilbahnen an anderen Orten Berlins zu bauen, beispielsweise zur Erschließung neuer Wohngebiete in Berlin-Pankow und -Spandau, wo es weder S- noch U-Bahn gibt und die Straßen verstopft sind.

Auch Überlegungen von Seilbahnstrecken über den Wannsee, das Tempelhofer Feld oder zum Müggelturm am Müggelsee waren schon aufgekommen; hier wäre der Nutzen eher ein touristischer.

Seit 2018 haben inzwischen alle demokratischen Parteien in Marzahn-Hellersdorf gefordert, die Marzahner Seilbahn in den ÖPNV zu integrieren. Es erwies sich als sehr praktisch, dass die Bezirksvorsitzenden von SPD und Linken, Iris Spranger und Kristian Ronneburg, gleichzeitig FachpolitikerInnen ihrer Fraktionen im Berliner Abgeordnetenhaus waren und sie auf Landesebene pushen konnten.

Widerstand gab es jedoch von der BVG. Für sie würden Seilbahnen eine neue Sparte bedeuten – mit neuen Ausbildungsberufen und bisher nicht vorhandener Fachkompetenz. Als Kompromiss wurde die Marzahner Seilbahn bislang nicht der bremsenden BVG zugeschlagen, sondern Grün Berlin GmbH, die auch die Gärten der Welt betreibt. Das müsste sich mit der Integration in den ÖPNV aber ändern.

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14 Kommentare

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  • Der russische Urbanistik-Blogger Ilja Warlamow hat über das Thema "Seilbahnen als öffentliches Verkehrsmittel" mehrfach geschrieben und hält die Idee für Quatsch. Er führt folgende Zahlen für die Beförderungskapazität an:



    U-Bahn: 75.000 Personen/h



    Express-Tram: 30.000 Pers. /h



    Bus: 7000 Pers. /h



    PKW-Fahrstreifen: 1000 Personen /h



    Seilbahn: bis zu 2000 Personen/h meist weniger. Der einzig sinnvolle Einsatz von Seilbahnen scheint die kostengünstige Überquerung von breiten Flüssen oder Schluchten zu sein, wenn eine Brücke aufgrund der geringen erwarteten Nutzung zu aufwändig wäre.

    • @AuchEiner:

      Bäh, Fakten!

      Berlin ist voller Zugezogener aus bergigen Regionen. Wenn die ihre Berge nicht kriegen, dann wollen sie wenigstens Seilbahnen.

      Vorschlag zur Güte: Wir lassen den teuren Quatsch mit der Seilbahn und errichten hier und dort rustikale Skihütten!

    • @AuchEiner:

      Ick kann nich anders!;-)



      Breite Flüsse: Dahme, Spree,



      (Häuser)Schluchten: Marzahn, Prenzl'berg



      Seen: 1. Müggelsee



      2.Wannsee(kann, muß aber nich..)

  • Was für eine sinnlose Verschwendung von Personal und Geld. Es gibt sicherlich sinnvolle Relationen für ÖPNV-Seilbahnen. Aber nicht in Berlin, sondern in La Paz.

    Es stockt der dringend notwendige Ausbau der Tram, u.a. weil Planungskapazitäten fehlen. Und dann wird so ein Mist gemacht wie "Berlkönig" oder Seilbahn.

  • Hört sich doch vielversprechend an, - und deutlich einfacher und billiger zu realisieren als z.B. die Wuppertaler Schwebebahn (auch nicht schlecht!).

  • Das Seilbahnen als ÖPNV-Lösung gehandelt werden, ist wohl eher auf geschickte Hintergrundarbeit der Seilbahnhersteller zurückzuführen, die sich neue Märkte erschließen zu versuchen. Es ist ja keine Gutmütigkeit, wenn die Hersteller wie damals in Hamburg 10 Mio. EUR für den Stadtteil spenden wollen.



    Singulär kann es Sinn machen, aber ein Netzaufbau in Städten mit mangelnder Verfügbarkeit von Grundstücken für die benötigte Infrastruktur, ist m.E. kaum umsetzbar.

  • Tja, in Hamburg ist der Vorschlag zur Hafenquerung an diversen Bedenkenträgern leider gescheitert!

  • 4G
    47202 (Profil gelöscht)

    Wir hatten mal eine Magnetschwebebahn. War die hässlicher als Seilbahnen?

  • Dortmund hat Ähnliches zu bieten:

    de.wikipedia.org



    /wiki/Sessellift_des_Westfalenparks

  • Selbstverständlich bin ich für Seilbahnen in Berlin.



    flickr.com/search/...seilbahn%20marzahn



    Auch eine Verlängerung der Strecke nach Alt-Marzahn oder über das Wuhletal bis Köpenick finde ich gut.



    Klaro, auch die Geschichte mit dem Müggelturm.



    Man, an der Bockwindmühle vorbei nach Alt Marzahn. Da gib es übrigens noch einen richtigen Fleischer.(Haltepunkt)



    flickr.com/search/...C3%BChle%20marzahn



    Hauptsache die ÖPNV Preise bleiben erschwinglich.



    Die Gärten der Welt



    flickr.com/search/...4rten%20der%20welt

  • "Widerstand gab es jedoch von der BVG. Für sie würden Seilbahnen eine neue Sparte bedeuten – mit neuen Ausbildungsberufen und bisher nicht vorhandener Fachkompetenz."

    Das klingt doch eher nach Perspektive, nach Aufbruch. Wer da noch bremst, sollte sich endlich in den Ruhestand verabschieden.

    • 4G
      47202 (Profil gelöscht)
      @Sonnenhaus:

      Welche Fachkompetenz?