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Erstes Projekt des MobilitätszentrumsOptimierung der Verkehrssysteme

Mit dem Forschungszentrum zur Mobilität der Zukunft wollte sich Verkehsminister Scheuer ein Denkmal setzen. Jetzt wird es neu aufgesetzt.

Straßenbahnen in Karlsruhe Foto: Uli Deck/dpa

Berlin taz | Andreas Scheuer, der noch für eine Woche amtierende CSU-Bundesverkehrsminister, wollte sich ein Forschungsdenkmal setzen. Das „Deutsche Zentrum Mobilität der Zukunft“ (DZM) wurde von ihm mit der Absicht durchgesetzt, die unterschiedlichen und unübersichtlichen Stränge der Verkehrswissenschaften zu bündeln und sie mit Innovations-Impulsen zu impfen. Obwohl die DZM-Zentrale in Scheuers „Homebase“ München angesiedelt ist, startete in dieser Woche das erste Anwendungsprojekt in der Außenstelle Karlsruhe. Unter dem Titel „Country to City Bridge“ will das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) untersuchen, wie ein öffentliches Verkehrsangebot die Kluft zwischen Land und Stadt effizient und attraktiv überbrücken kann.

Von Anfang an hantierte Verkehrspolitiker Scheuer, wie bei seinem krachend gescheiterten Vorhaben der Pkw-Maut, mit gigantischen Summen. Mit 500 Millionen Euro sollte das DZM operieren können, hieß es im Vorfeld. Jetzt wurde beim Pressegespräch in Karlsruhe vom Vertreter des Verkehrsministeriums eingeräumt, dass in diese Zahl der langfristige Aufbau einer Wasserstoff-Infrastruktur eingerechnet wurde. Aktuell stehen dem DZM im nächsten Jahr 22,5 Millionen Euro zur Verfügung. Mittelfristig hat der Bundestag bis 2024 insgesamt 322,55 Millionen Euro bewilligt.

Neben der DZM-Zentrale in München, die noch ganz am Anfang steht, wird in Satelliten-Standorten gearbeitet, die bereits über eine Infrastruktur verfügen. Dazu zählen das Hamburg Wireless Innovation Competence Center (HAWICC), in dem neue Sensortechniken zur Fahrzeugsteuerung entwickelt werden, der Forschungscampus Smart Rail Connectivity Campus (SRCC) im sächsischen Annaberg-Buchholz und der Rail Campus Ostwestfalen-Lippe in Minden, wo am autonomen Bahnverkehr gearbeitet wird.

Anfang September – gut getaktet zur Bundestagswahl – fiel die Entscheidung, dass in Chemnitz für 60 Millionen Euro ein Standort des Innovations- und Technologiezentrums Wasserstoff unter dem Dach des DZM errichtet wird. Weitere Standorte sind in Vorbereitung. Während in Chemnitz der Einsatz von Wasserstoff im Bereich der Straßen- und Schienen­anwendungen untersucht wird, sind es in Duisburg, Pfeffenhausen und einem Standort in Norddeutschland die Verkehrsträger Schiene, Schiff, Auto und Flugzeug.

Das Karlsruher Projekt will das klassische Mobilitätsproblem zwischen Stadt und Land mit neuen technischen Mitteln angehen. In den ländlichen Regionen ist der öffentliche Personenverkehr kaum bezahlbar, während in den Städten der motorisierte Individualverkehr den Raum blockiert und die Luft verpestet. Die Lösung sollen autonome Shuttles sein, die zwischen Städten und Dörfern bedarfsgesteuert pendeln. Zum Einsatz kommen dabei Fahrzeuge, die elektrisch, autonom und vernetzt sein würden, erläuterte Frank Gauterin vom Institut für Fahrzeugsystemtechnik am KIT bei der Vorstellung des Projekts.

Harten Bruch vermeiden

Ein solches „System eines individualisierten öffentlichen Verkehrs“ gebe der Verkehrsplanung mehr Freiheit und vermeide den harten Bruch zwischen motorisiertem Individualverkehr und klassischem öffentlichen Verkehr. Die Karlsruher „C2CBridge“ will weder den etablierten Nahverkehr ersetzen noch allein „die letzte Meile“ bespielen, also den Weg von der Haustür zur Haltestelle. Vielmehr solle erforscht werden, so Gauterin, „wie die optimale Kombination der Verkehrssysteme aussieht und wie die Übergänge gestaltet werden müssen“.

Technische Lösungen sollen bei dem Karlsruher DZM-Projekt Hand in Hand mit planerischen Konzepten entwickelt werden. „Dazu zählen Analysen von Mobilitätsvorgängen und -bedürfnissen in unterschiedlichen Raumtypen wie Stadt und Land genauso wie die Konzeption und der Bau von Prototypen von Fahrzeugen und Mobilitätsstationen“, erklärten die KIT-Wissenschaftler.

„Dann mal gute Fahrt“ könnte man den Verkehrsforschern wünschen. Wäre da nicht der Koalitionsvertrag vom Mittwoch. In ihm steht auf Seite 51 der neue Politikfahrplan. „Die Mobilitätsforschung werden wir interdisziplinär aufwerten, das Zentrum Zukunft der Mobilität neu aufstellen und erweitern, sowie das Zentrum für Schienenverkehrsforschung stärken“. An Scheuers Denkmal wird schon wieder gerüttelt, kaum dass es aufgestellt ist.

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2 Kommentare

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  • "Optimierung" ist so ein weiteres neoliberales Buzzword ohne richtigen Inhalt.

  • Ich finde es sehr gut und geradezu überfällig den Interessenskonflikt zwischen ländlichem und städtischem Verkehr zu beforschen.

    Gerade an den Kommentaren zum Thema Mobilitätswende erkennt man deutlich wie unterschiedlich die Sichtweisen und Bedürfnisse der Verkehrsteilnehmer sind (man kann aus ca. 70% der Posts erschließen wo jemand wohnt)..

    Wenn wir also mittelfristig dahin kommen wollen, daß die Städte vor zuviel Pendlerverkehr geschützt werden,müssen wir die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen auf dem Land mitbedenken..und umgekehrt..

    Dieses Problem in interdisziplinärer Weise anzugehen halte ich auch für goldrichtig,denn es spielen bei den Problemen der Verkehrsgestaltung eine Menge Faktoren eine Rolle,insbesondere auch psychologische, denn je nach verwendetem Verkehrsmittel stellen sich ganz unterschiedliche Sichtweisen ein.

    Insofern spielt auch Kommunikation zwischen den Verkehrsteilnehmern eine wichtige Rolle:

    jeder Autonutzer sollte auch mal die Perspektive von Fahrrad fahrenden einnehmen und jeder Fahrrad fahrende die von Auto fahrenden. Das gleiche gilt für die unterschiedlichen Perspektiven von Land vs. Stadtbewohnern.

    Ich denke auf diesem Weg kann nicht nur das gegenseitige Verständnis gefördert werden, sondern auch der gegenseitige Respekt.. an dem es bei diesem Thema nicht selten mangelt..