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Geringverdiener und CoronaDie Zweifel der Armen

Jörg Wimalasena
Kommentar von Jörg Wimalasena

Politiker bereicherten sich in der Krise, Arme ließ man allein. Kein Wunder, dass besonders Geringverdiener der staatlichen Corona-Politik misstrauen.

Menschen auf dem Weg zur Essensausgabe der „Münchner Tafel“ Foto: Frank Hoermann/Sven Simon/imago

S oziale Ungleichheit gefährdet die Demokratie. Seit Jahren weisen Studien darauf hin, dass gerade bei Geringverdienern die Demokratiezufriedenheit gering ist. Wer sich in seinen Existenzängsten im Stich gelassen fühlt, misstraut besonders in schwierigen Zeiten dem Staat.

In der Pandemie verhindert dieses Misstrauen eine effektive Coronabekämpfung. Eine neue Studie der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, dass besonders die Erwerbstätigen, die wenig Geld verdienen und wegen der Krise um ihre Existenz fürchten, Zweifel an der Pandemiepolitik der Regierung hegen, Verschwörungstheorien anhängen und Schutzmaßnahmen nicht befolgen.

Überraschend ist dieser Befund nicht. Während gut bezahlte Büroarbeiter die Krise im geräumigen Homeoffice aussaßen, mussten vor allem im Dienstleistungsbereich ohnehin schlecht bezahlte Beschäftigte mit einem geringen Kurzarbeitergeld haushalten. Hunderttausende Minijobber verloren ihren Job, außerplanmäßige Hartz-IV-Erhöhungen und ausreichende Hilfen vom Staat für Arme gab es nicht.

Vertrauen zurückgewinnen

Während Milliardäre ihr Vermögen vermehrten, Unionspolitiker mit Maskendeals ihre Diäten aufbesserten und Gesundheitsminister Spahn private Spendendinner abhielt, wurden Millionen Menschen in der Krise weitgehend alleingelassen.

Wieso also sollte man den Politikern glauben, die sich selbst bereichern und soziale Schieflagen nur unzureichend ab­federn? Wieso sollte man den Vertretern eines Staates glauben, der auch außerhalb von Krisenzeiten Arme schikaniert und am Existenzminimum hält – und der zulässt, dass die soziale Schere sich immer weiter öffnet?

Wer die Pandemie effektiv bekämpfen will, muss die sozialen Sorgen der Menschen ernst nehmen, muss sicherstellen, dass niemand um seine wirtschaftliche Existenz und seinen Job fürchten muss. Die Coronakrise sollte ein Weckruf an die künftige Koalition sein, den Sozialstaat so umzubauen, dass die Menschen ihm wieder vertrauen können. Dann klappt es womöglich auch besser mit der Pandemiebekämpfung.

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Jörg Wimalasena
Redakteur Inland
bis Januar 2022
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9 Kommentare

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  • Der Artikel ist ein gutes Beispiel dafür wie es zur Demokratieverdrossenheit kommt.

    Er beschreibt nicht, dass die FES-Studie sich vor allem mit populistischen Parteien und Strömungen beschäftigt, insbesondere mit dem Rechtspopulismus. Er beschreibt nicht dass diese Narrative vor allem auch dort ihre Ursache haben.

    Da tönt der Artikel in genau das selbe populistische Horn und unterstellt Spahn über die Ecke "Maskendeals" anderer Politiker seine Positionen für raffgierige Eigeninteressen benutzt zu haben und das ihm "Millionen Menschen" schnuppe sind.

    Herr Wimalasena sollte vielleicht mal im Gesundheitsministerium hospitieren und wie Herr Spahn in Spitzenzeiten 65 Stunden und mehr pro Woche arbeiten(siehe selbe Studie, S. 15).

    • @Rudolf Fissner:

      Aha, sie wissen also ganz genau wieviel Herr Sphan arbeitet. S.15 gibt darüber schon mal keine Auskunft!

  • Geräumiges Homeoffice, soso… bei mir in der Firma haben 80% der Mitarbeiter am Küchentisch gearbeitet oder an einem ins Schlafzimmer gequetschten Schreibtisch, weil sich nämlich kaum jemand in München ein Arbeitszimmer leisten kann als Normalo. Und viele der Minijobber haben diesen Job bewusst, weil netto=brutto. Dann darf man sich aber nicht beschweren, wenn es dann kein ALG gibt, das ist nämlich eine Versicherungsleistung, die beim Minijob bewusst NICHT bezahlt wird!

  • Bin wirklich alles andere als einverstanden wie das hier in dem Lande läuft mit der Gerechtigeit, aber derlei schwarz-weiß-Artikel frustrieren mich genauso. Geräumiges Homeoffice, die also alle Politiker nehm ich, Milliardäre schlimm ...... klar.

  • Um sichtbar zu machen, was wirklich hinter allem steckt, kann man die Schere zwischen arm und reich auch an der Lebenszeit messen.

    Wo arme Menschen aufgrund ihrer Gesamtsituation (Geldmangel, Mangel an sozialer Teilhabe, Ausgrenzungen, schlechte Wohnverhältnisse, schlechtere Ernährung u.a.) eine zu 8 Jahre geringere Lebenserwartung haben als Reiche, wird offenkundig, dass etwas Machbares schon seit langer Zeit unterlassen wurde, was ein klarer Verstoß gegen Artikel 1 und Artikel 2 Abs. 2 des Grundgesetzes ist. Dieser Verstoß ist nicht einer Nachlässigkeit geschuldet, sondern er kommt einem Vorsatz gleich, weil das Wissen um die drastische Verringerung der Lebenserwartung armer Menschen schon seit Jahren vorhanden ist.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @wxyz:

      Der Staat macht da ja Sachen, geringere Lebenserwartung hat viele Gründe. In der Unterschicht wird mehr geraucht, auch Alkohol und Drogenmissbrauch kommen gehäuft vor, außerdem fehlt es oft an Bildung = ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung, etc. Der Staat macht da Programme, die Krankenkassen bieten da Hilfestellungen an. Nur der Deutsche Staat scheitert schon so an Banalitäten wie einen Flughafen bauen und jetzt wollen sie das dieser Staat ein hochkomplexes Problem mit vielen Ursachen löst? Der Staat besteht auch nur aus Menschen und die können nicht zaubern. Mittelfristig kann man das Problem mit höheren Steuern auf Tabak und Alkohol und Bildung, Bildung, Bildung lösen. Aber ein Verstoß gegen das Grundgesetz sehe ich nicht.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Mein Home-Office besteht aus 1 m Schreibtisch im Schlafzimmer. Da hab ich mir für den Winter einen Elektroheizkörper gestellt, weil es zieht.

    Aber egal.

    Das Misstrauen besteht nicht zwischen Home-Office und Kurzarbeit. Es ist zumeist eine Sache von Bildung und Wissen.



    Und natürlich ist die soziale Gruppe der Billigjobber häufig ungebildet. Genau wie Schlagersänger oder Köche oder Staatspräsidenten.

  • Der logische Sprung von "Keine Knete wegen Corona" zu "Impfen ist gefährlich" ist nicht nachvollziehbar.

  • Den Zusammenhang halte ich für konstruiert und den Tonfall des Artikels finde ich ziemlich anmaßend, er suggeriert, dass arme Menschen ein bisschen dumm wären und nicht differenzieren können oder in der Lage wären, sich ordentlich zu informieren. Es ist ja auch nicht so, dass diejenigen, die sich impfen lassen und keinen Verschwörungstheorien anhängen das machen, weil sie das von einer staatlichen Obrigkeit gesagt bekommen, die sie privilegiert. Nein, Armut ist keine Ausrede dafür, irgendwelchen Quatsch zu kaufen, man kann sich auch ohne Geld vernünftig informieren.