piwik no script img

Affäre bei der Ippen-MediengruppeBedrohte Glaubwürdigkeit

Anne Fromm
Kommentar von Anne Fromm

Verleger Dirk Ippen blockierte eine Enthüllung seiner Jour­na­lis­t*in­nen über die „Bild“. Der Eindruck: Ein Medienmogul hackt anderen kein Auge aus.

Der Zeitungsverleger Dirk Ippen in seinem Büro Foto: Sven Hoppe/dpa/picture alliance

I n Zeitungsverlagen gilt, dass Redaktion und Verlag strikt getrennt arbeiten. Nur so kann eine Redaktion unabhängig berichten.

Was sich gerade im Regionalzeitungsverlag Ippen (Münchner Merkur, Frankfurter Rundschau) abspielt, ist ein massiver Bruch dieses Prinzips. Das Investigativteam hatte monatelang in einem anderen Verlag recherchiert, bei Axel Springer. Der nun freigestellte Bild-Chefredakteur Julian Reichelt soll gegenüber Mit­ar­bei­te­r*in­nen seine Macht missbraucht haben. Doch kurz bevor der Artikel erscheinen sollte, wurde er gekippt, offenbar von Altverleger Dirk Ippen persönlich.

Zur Begründung sagte ein Ippen-Sprecher, man habe nicht den Anschein erwecken wollen, einem Konkurrenten wirtschaftlich schaden zu wollen. Das ist absurd. Die Ippen-Gruppe mag für einen Regionalverlag groß sein, für den Milliardenkonzern Springer ist sie trotzdem keine Konkurrenz. Der Eindruck, der hier vielmehr entsteht, ist, dass ein Medienmogul dem anderen kein Auge aushackt. Springer-Chef Mathias Döpfner ist immerhin auch Präsident des Verlegerverbands BDZV, also Cheflobbyist der Branche. Und Dirk Ippen lässt in einer seiner Druckereien auch eine Teilauflage der Bild drucken.

Als die Ippen-Geschäftsführung das Investigativteam im vergangenen Jahr dem US-Medienhaus Buzzfeed abkaufte, rühmte sie sich als Kämpferin für Pressefreiheit. Unabhängiger Journalismus sei nicht verhandelbar, hieß es in einer Mitteilung. Investigativer Journalismus dürfe nicht der wirtschaftlichen Schwäche von Medienhäusern zum Opfer fallen. Die Springer-Recherche, so scheint es, ist zwar nicht der wirtschaftlichen, dafür aber der moralischen Schwäche seines Verlegers zum Opfer gefallen.

Viele Medien haben in den vergangenen Jahren ihre Investigativteams ausgebaut. Das ist wichtig und richtig. Falsch ist aber zu glauben, Missstände gehörten überall aufgedeckt, nur nicht in der eigenen Branche. In­ves­ti­ga­ti­ve würden sich unglaubwürdig machen, wenn sie nicht auch unter Kol­le­g*in­nen recherchieren würden. Das sollte jedem Verleger bewusst sein, der sich mit einem Investigativteam schmückt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Anne Fromm
Reporterin
Ressortleiterin Reportage & Recherche und Vorständin der taz. // Berichtet vor allem über sexualisierte Gewalt, Machtmissbrauch, Rechtsextremismus und Desinformation. // Davor war sie Medienredakteurin im Gesellschaftsressort taz2. // Erreichbar über Threema: 9F3RAM48 und PGP-Key: 0x7DF4A8756B342300, Fingerabdruck: DB46 B198 819C 8D01 B290 DDEA 7DF4 A875 6B34 2300
Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • Was mich wundert ist das Ippen überhaupt ein Team mit Invesitigativ-Journalisten unterhält, der ist ja eher für seine nervtötenden Clickbait-Spezialisten bekannt und dafür, seine Printausgaben mit den Spamkommentaren aus der Onlineausgabe zu füllen.

  • Vielleicht sollte die taz dann besser solche Investigativ-Jobs machen. Wie zu vermuten ist, könnte es sich um die Spitze eines Eisberges handeln, also noch Arbeit für U-Boote in Sicht. Manchmal denke ich an die Prinzen und ihr Comeback, da war mal was mit Tieren, oder?

  • Und die gesamten in Berlin und Hamburg ansässigen Journalist*innen haben überhaupt nichts gewusst?

    Sorry, aber ich sage ihnen auf den Kopf zu: Ihr habt ALLE gewusst, was bei Springer abgeht, und trotz #metoo und Co. habt ihr alle geschwiegen. Es musste eben erst eine amerikanische Zeitung etwas schreiben, bevor Ihr Euch zaghaft getraut habt.

  • Wie die Kollegin Erika Zingher in ihrem Artikel (leider nur am Rande) bereits erwähnte, hat die Nichtveröffentlichung eben vor allem handfeste wirtschaftliche Gründe: Druckereien, die zu Ippen gehören, drucken Teilauflagen der BILD, und mit den Auftraggebern will man es sich offenbar nicht verderben. So einfach und so traurig ist es.

  • Paul Sethe hat schon 1965 alles Wesentliche dazu geast: „Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten.“ Dort hieß es auch: „Da die Herstellung von Zeitungen und Zeitschriften immer größeres Kapital erfordert, wird der Kreis der Personen, die Presseorgane herausgeben, immer kleiner. Damit wird unsere Abhängigkeit immer größer und immer gefährlicher.“ Er wisse, dass es im deutschen Pressewesen Oasen gebe, „in denen noch die Luft der Freiheit weht, […] aber wie viele von meinen Kollegen können das von sich sagen?“[7] Des Weiteren stellt Sethe fest, dass „[f]rei ist, wer reich ist. Das ist nicht von Karl Marx, sondern von Paul Sethe.“[8] Da Journalisten nicht reich seien, seien sie auch nicht frei.“

  • Gerade weil die Ippen-Gruppe im Vergleich zum Springer Verlag sehr klein ist, besteht doch die Angst, bei kritischen Berichten vom Springer-Verlag fertig gemacht zu werden. Das wäre nicht das erste Mal, dass Bild andere zerstört. Und eigentlich ist dies das Problem mit Springer bzw. mit der BILD, mit der sich niemand anlegen will. Da musste eben die NYT ran.

  • Die Legende in Deutschland über die Presse und Journalisten habe ich noch nie geglaubt. Da wird vorgegaukelt, dass die Redaktion also der Hüter der Pressefreiheit und der Verlag, Eigentümer und Hüter über den Profit völlig unabhängig von einander in einem Konzern agieren, dass sich insgesamt der Geldvermehrung verpflichtet hat.

    In anderen Ländern z.B. der USA geht man mit der Wahrheit um die Pressehäuser wesentlich ehrlicher um und heuchelt der Bevölkerung nichts vor.

  • Seien wir dochmal ehrlich, den Vorwurf gegenüber den Missständen in der Medienwelt blind zu sein muss man der gesamten Branche machen. Alleine BILD und die "Regenbogen"-Presse verursachen genügend Schweinkram um mindestens wöchentlich dafür angeprangert zu werden.

    Wenn Mist auf derartigem Niveau von anderen Unternehmen, der Parteienlandschaft, den Religionsgemeinschaften oder von anderen gesellschaftlich relevanten Akteuren verbreitet werden würde würde man in der Presse jede Woche mit denen Schlittenfahren... stattdessen... Schweigen im Walde. Unterbrochen von gelegentlichen Einzelaktionen wie zB von Böhmermann.

    Wir brauchen ein hohes Maß an Schutz für Journalisten um eine funktionierende Zivilgesellschaft zu gewährleisten. Das betrifft nicht nur die Enthüllungsjournalisten, sondern auch und imsbesondere diejenigen die ganz unspektakulär täglich daran arbeiten uns ein ganzheitliches und ausgewogenes Bild zu präsentieren damit wir die Möglichkeit haben zu einer fundierten Meinung zu kommen. Solange in deren Fahrwasser aber ungestört eine ganze Industrie aus Schmutzfinken und Witwenschüttlern ungestört mitschwimmt ist Pressefreiheit für mich kein unbedingtes Gut, sondern immer eine Frage der Abwägung. Und das ist bedauerlich

  • Nach der "Freistellung" von Reichelt durch den Konzern, von dem er bisher für die Erfindung von Geschehnissen bezahlt wurde, sieht Ippen ziemlich schlecht aus. Vielleicht sollte die taz-Redaktion ihn mal fragen, was er jetzt dazu meint, dass er die Recherchen seiner Leute und deren Veröffentlichung unterdrückt hat. Selbst Reichelts Konzern hat offensichtlich begriffen, dass ausreichend Probleme hinter dessen Verhalten stecken, um ihn "freizustellen".

  • "Ein Medienmogul hackt anderen kein Auge aus."

    BOAH! Dieses Thema muss unbedingt in die BILD! Aber mal im Ernst: Wer hat denn an der o. a. Aussage jemals gezweifelt?

  • Inhaltlich finde ich den Punkt sehr gut getroffen:



    Der Eingriff scheint taktisch motiviert und demonstriert eine Macht, die es in dieser Form bei freiem Journalismus nicht geben dürfte.

    Gleichzeitig scheint er aber doch das "Recht" dazu zu haben?



    Oder warum veröffentlichen die Journalisten es denn nicht trotzdem?



    Wenn sie das könnten, finde ich den Beschwerdebrief jedenfalls inhaltlich obsolet.



    Und wenn sie es nicht könnten, habe ich noch mehr die Frage, was der Brief dann soll.

  • 4G
    4813 (Profil gelöscht)

    Das die Arbeitsbedingungen bei Bild von Sperma und Blut getränkt sind, kann sich jeder Mensch selbst denken.



    Die Frage stellt sich, warum arbeitet man da?



    Und, warum gibt es keine Niveaupolizei in Deutschland?

    • @4813 (Profil gelöscht):

      Stellen Sie sich diese Frage ernsthaft?



      Weil es Machtverhältnisse gibt, in ziemlich allen Betrieben. Und in einigen Firmen herrschen schlichtweg prekäre Bedingungen, vor allem was den Lohn betrifft. Da hilft auch keine "Niveaupolizei". Da würde nur ein generelles Umdenken etwas bringen. Aber dann heißt es wieder lapidar "Ja, der Druck von außen, ..."

      • 4G
        4813 (Profil gelöscht)
        @Mopsfidel:

        Ich stelle diese Frage ernsthaft, wer bei Bild anfängt oder bei einer Investmentbank oder bei Blackrock, der muß grenzenlos naiv sein, wenn er denkt, da geht es human zu - und wer naiv ist, bekommt den Job dort nicht.



        Diese Buden brummen, weil Leute das schnelle Geld, den Ruhm auf anderer Leute Kosten machen wollen.

        Das ist moralfreier Raum. Andere Regeln gelten im Theater, in Betrieben, im öffentlichen Dienst ....

  • Naja, für mich entsteht hier schon der Eindruck, dass der kleine Ippen schnell unterm Sofa verschwindet wenn der große Döpfner leise knurrt ... und vielleicht sogar zum Höher greift :-) ...