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Eskalation zwischen Polen und der EUDer gefährliche Kurs der PiS

Kommentar von Barbara Oertel

Warschaus rechte Regierung lässt den Rechtsstreit mit Brüssel weiter eskalieren. Doch es gibt Hoffnung: die pro-europäische Bewegung um Donald Tusk.

Sicherheitsvorkehrungen vor dem Gebäude des polnischen Verfassungstribunals Foto: Kacper Pempel/Reuters

D ie Dauerfehde zwischen Warschau und der EU hat einen neuen Höhepunkt erreicht. Polens Verfassungsgericht hat Teile des EU-Rechts für unvereinbar mit der Landesverfassung erklärt. Im Klartext heißt das: Der Umbau der dritten Gewalt, mit dem die nationalkonservative Regierungspartei PiS seit Jahren so fundamentale demokratische Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und Gewaltenteilung auszuhebeln versucht, soll fortgesetzt werden.

Ja, mehr noch: Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), deren Umsetzung schon jetzt ausbaufähig ist, können fürderhin komplett ignoriert werden. Sowohl Polens höchste Rich­te­r*in­nen als auch führende Po­li­ti­ke­r*in­nen reden von einer unzulässigen Einmischung Brüssels in die innenpolitischen Angelegenheiten ihres Landes – eine Rhetorik, die tief blicken lässt und oft von autoritären Regimen benutzt wird.

Polens sogenannte Justizreform zielt vor allem darauf ab, der PiS nicht genehme Rich­te­r*in­nen aus dem Verkehr zu ziehen. Sie war und ist mittlerweile Gegenstand zahlreicher juristischer Verfahren, von denen auch das Verfassungsgericht selbst betroffen ist. Im vergangenen Mai verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Warschau zu Entschädigungszahlungen, da ein Mitglied des Verfassungsgerichts „irrgulär“ ernannt worden sei.

Gleichzeitig versucht die EU Polen mit anderen Mitteln, wie der Blockade von Coronahilfen und der Androhung von Finanzsanktionen, beizukommen. Bislang ohne Erfolg – wie auch die jüngste Entscheidung beweist. Sie ist eine weitere klare Kampfansage an Brüssel und dürfte die Beziehungen noch schwieriger machen. Gleichzeitig ist sie auch eine Zäsur, die die Grundfesten der EU erschüttert. Und ein gefährlicher Präzedenzfall. Dieses Beispiel kann Schule machen – mit unvorhersehbaren Konsequenzen.

Schon macht das Wort „Polexit“ die Runde – eine Entwicklung, die weder Brüssel noch Polen selbst wollen (können). Die EU-Kommission steht nun vor der Aufgabe, die Union zusammenzuhalten, aber auch den Vorrang europäischen Rechts zu verteidigen und durchzusetzen. Beides zu vereinbaren wird kompliziert.

Die jüngsten Entwicklungen könnten vielleicht aber auch noch eine andere Dynamik in Gang setzen. Die Urteilsverkündung am Donnerstag war von PiS-kritischen Kundgebungen begleitet, der polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk hat zu weiteren Protesten aufgerufen.

Dass daraus mehr entstehen könnte, ist so abwegig nicht. Denn es gibt sie, die Po­l*in­nen, die darum wissen, was durch den gefährlichen Kurs der PiS auf dem Spiel steht. Sie wurden oft unterschätzt. Diesen Fehler sollte man nicht wieder machen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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17 Kommentare

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  • Nun zeigen europäische Staaten, von Weißrussland bis zur Schweiz, daß man es auch ohne kann.

    • @Valery Pokrowski:

      Ja, aber einmal drin in der EU ist der Ausstieg nicht gerade leicht, siehe Vereinigtes Königreich…

  • 9G
    97287 (Profil gelöscht)

    Wir , sind Europa. Wenn ein Land wie Polen oder Ungarn, Europa und die EU und deren Regeln nicht akzeptiert, können beide Länder, genau wie Großbritannien, austreten. Sie müssen auch keine Asylanten aufnehmen und können diese auch mißhandeln, aber es ist die Entscheidung von diesen Ländern. Die EU sollte diese Länder ausschließen, sonst macht sie sich zu Kumpanen und verkommt , moralisch, genauso.

  • Ob Tusk da der Richtige ist??? Die Polen dürfen ja noch demokratisch wählen und die UK-Rückkehrer werden der EU bestimmt nachtrauern. Das sehe ich einen Hoffnungsschimmer. Ansonsten wie überall: Blödheit siegt (an der Urne).

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Das Problem ist das die EU keine Verfassung und auch kein Verfassungsgericht hat. Nach dem scheitern der letzten Verfassung traut sich da keiner ran, stattdessen wird rumgewurschtelt. Das frustriert EU Gegner wie Befürworter, vielleicht wäre es an der Zeit unter Einbindung der Bürger eine EU Verfassung zu erarbeiten die dann über den einzelnen Verfassungen steht. Diese wird dann in jedem Land zur Abstimmung gestellt wer dagegen stimmt tritt automatisch aus.

    • @83379 (Profil gelöscht):

      Dann wird wohl außer Deutschland und Luxemburg jeder austreten...

  • Vielleicht liegt die Wahrheit auch etwas in der Mitte. Die EU ist, was die Staaten tatsaechlich machen. Vor allem kann man politische Probleme nicht lueckenlos verrechtlichen. So hat auch unser BVerfG in der Klimafrage letztlich nichts entschieden.

  • Es geht um die Errichtung einer neuen EU der Vaterländer, wie die AFD es ja auch will. Orban ist dabei, Polen auch (das sind die viel zitierten 80% der EU-Unterstützer, die größtenteils diese EU-Form wollen), Frau Le Pen sowieso, der smarte Kurz hat zumindest nix dagegen, Salvini auch nicht, Tschechien und Slowakei auch nicht. Könnte bald für eine Mehrheit reichen.

  • Das ist alles nur noch zum Kopfschütteln, aber man sollte das nicht zu pessimistisch sehen. Wenn irgendetwas in der PiS noch tiefer verankert ist als der Hass auf die EU, dann ist es ihre Russophobie. Sich wie Orban an Putin ranschmeißen ist also für sie keine Option. Die EU sollte angesichts der leeren Drohungen mit "Austritt" und "polnischer Sonderstellung" ganz klare Kante zeigen, dann löst sich das Problem von selbst.

    Schon im letzten Winter bei den Massendemonstrationen gegen die restriktive Abtreibungsgesetzgebung konnte man sehen, wie viel Gegenwind die PiS mittlerweile hat. Und die EU-Mitgliedschaft ist kein so ein umstrittenes Thema: Über 80% aller Polen, also auch die große Mehrheit der PiS-Wähler, befürworten sie.

    Donald Tusks Rückkehr auf die nationale politische Bühne ist ein großer Glücksfall in dieser Situation.

    Ich wünsche allen Polen klaren Verstand, dass diese populistischen Knallköpfe loswerden und uns in der EU erhalten bleiben. Für Eure und Unsere Freiheit!

    • @Barbara Falk:

      "Wenn irgendetwas in der PiS noch tiefer verankert ist als der Hass auf die EU, dann ist es ihre Russophobie. Sich wie Orban an Putin ranschmeißen ist also für sie keine Option."

      Stimmt. Allerdings leben die Regierenden in Warschau scheinbar in dem Wahn, dass das Bündnis mit den USA Polen ausreichend schützt. Natürlich würden die USA genau so viel tun, wie Frankreich 1939. Aber man träumt halt...

      "Donald Tusks Rückkehr auf die nationale politische Bühne ist ein großer Glücksfall in dieser Situation."

      Tusks Art zu regieren hat aber erst die Unzufriedenheit geschaffen, durch die die PiS richtig mächtig wurde. Ob er da zum Retter taugt?

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Allerdings leben die Regierenden in Warschau scheinbar in dem Wahn, dass das Bündnis mit den USA Polen ausreichend schützt."

        Stimmt. Aber das die USA die Transferleistungen der EU ersetzen wird, glaubt auch in der PiS wohl niemand.

  • RS
    Ria Sauter

    Was spricht gegen einen Polexit?



    Es ist Zeit den Rechten ein Stoppschild zu präsentieren.

    • @Ria Sauter:

      Ist die EU links? Gegen den Verbraucherschutz haben die Polen sicherlich nichts.

  • Das gab es bei uns auch schon: Allerdings hat der deutsche Gesetzgeber daraufhin das Grundgesetz entsprechend "angepasst".

    Besonders prominent ist da der Art 16a (Asylrecht) der von einer ziemlich absoluten Regelung "Politisch verfolgte geniessen Asyl" (damals noch Artikel 16) verwässert wurde zu einem Ungetüm an Ausnahmen und Einschränkungen - nicht zuletzt auf Druck der EU. Die Verwässerung ist so eklatant, dass im Art 16 offenbar kein Platz mehr war und der Ganze Komplex in den 16a ausgegleidert werden musste.

    Und zu allem Überfluss haben dort BlahBlah-Regelungen Einzug gehalten die der Willkür zumindest Vorschub leisten wenn nicht gar Tür und Tor öffnen (" ... gewährleistet erscheint ... Es wird vermutet, ... offensichtlich unbegründet gelten ... ")

  • Wenn der neoliberalismus in Form von Donald tusk die Hoffnung ist.....

    • @nutzer:

      Richtig. Zur rechten politischen Ideologie gesellt sich menschenfeindliche Wirtschaftsideologie, soweit man dies trennen kann.