piwik no script img

Endlager-Bergwerk wird geschlossenVorletztes Kapitel in Gorleben

Ein langer Kampf endet. Nachdem Gorleben als Endlager-Standort ausgeschieden ist, soll der Salzstock nun verfüllt und verschlossen werden.

Wird verfüllt und geschlossen: Das Erkundugsbergwerk im Salzstock Gorleben (2010) Foto: Kay Nietfeld/dpa

Berlin taz | Die eigentliche Entscheidung war schon vor knapp einem Jahr gefallen: Damals hatte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) mitgeteilt, dass der Salzstock im niedersächsischen Gorleben nicht mehr als möglicher Standort für ein Atommüll-Endlager in Frage kommt, weil er die dafür vorgesehenen Kriterien nicht erfülle. Doch bisher hatten nicht alle Menschen im niedersächsischen Wendland dieser Ankündigung vertraut – denn das sogenannte Erkundungsbergwerk im Salzstock blieb zunächst offen und zugänglich.

Doch jetzt steht nun endgültig fest, dass Gorleben als Endlager-Standort Geschichte ist: Das Bergwerk werde vollständig verfüllt und dann verschlossen, kündigte Jochen Flasbarth, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesumweltminsiterium, am Freitag in Gorleben an. „Und damit wird auch jede Hintertür geschlossen.“ Das sei wichtig für das Vertrauen in der Region. Eine Möglichkeit, die Entscheidung der BGE zum Schließen des Bergwerks rechtlich noch anzufechten, gebe es nicht, sagte Flasbarth der taz.

Gorleben war 1977 als Standort für ein zentrales Endlager für hochradioaktiven Atommüll ausgewählt worden. Die Kritik, dass dabei nicht geologische, sondern politische Erwägungen wie die Nähe zur DDR-Grenze und die vermeintlich unproblematische Bevökerung im Mittelpunkt standen, wurde später in einem Untersuchungsausschuss bestätigt.

Über mehrere Jahrzehnte wurde der Salzstock, der offiziell nur erkundet werden sollte, faktisch zu einem Endlager ausgebaut; zudem wurden Fakten geschaffen, indem insgesamt 113 Castor-Behälter mit hochradioaktivem Müll in ein oberirdisches Zwischenlager in Gorleben transportiert wurden. Sowohl der Bau des Erkundungsbergwerks als auch die Castor-Transporte führten zu heftigen Protesten von Menschen aus der Region und ganz Deutschland.

Nachdem der damalige CDU-Umweltminister Peter Altmaier 2012 entschieden hatte, die Endlager-Suche nach wissenschaftlichen Kriterien neu zu beginnen, wurden die Arbeiten in Gorleben eingestellt und das Bergwerk in den sogenannten „Offenhaltungsbetrieb“ überführt. 2020 entschied die BGE dann, dass Gorleben – ebenso wie 79 weitere Salzstöcke – aus dem Suchverfahren ausscheidet, weil dort kein ausreichendes Deckgebirge vorhanden ist.

Das Endlager Gorleben ist Geschichte. Die Aufgabe der Lösung der Endlagerfrage bleibt.

Wolfram König, Bundesamt für nukleare Entsorgungssicherheit

Minister dankt der Anti-Atom-Bewegung

Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies (SPD) dankte am Freitag den Menschen in der Region für ihre jahrelangen Proteste. Damit sei verhindert worden, dass „ein ungeeigneter Standort“ zum Atommüll-Endlager geworden sei. Der Präsident des Bundesamts für nukelare Entsorgungssicherheit, Wolfram König, erinnerte daran, dass die eigentliche Arbeit jetzt erst beginnt: „Das Endlager Gorleben ist Geschichte“, sagte er. „Die Aufgabe der Lösung der Endlagerfrage bleibt.“

Tatsächlich steht die Suche nach einem Atommüll-Endlager noch ziemlich am Anfang. Die BGE hatte im letzten Jahr 90 Gebiete benannt, in denen es potenziell errichtet werden kann. Die Suche des Standorts soll bis zum Jahr 2031 abgeschlossen sein, fertig werden könnte das unterirdische Lager nach derzeitiger Planung frühestens Mitte des Jahrhunderts.

Und erst dann wird in Gorleben auch das letzte Kapitel im Kampf gegen den Atommüll geschlossen werden. Denn während am Ort des Erkundungsbergwerks in gut 10 Jahren wieder „grüne Wiese“ sein soll, wie BGE-Geschäftsführer Stafan Studt am Freitag ankündigte, bleibt das nahe gelegene oberirdische Atommüll-Zwischenlager Gorleben mit seinen 113 Castor-Behälter bestehen, bis das Endlager betriebsbereit ist.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

15 Kommentare

 / 
  • „Die Aufgabe der Lösung der Endlagerfrage bleibt.“



    - Naja, es gibt doch Atomkraftbefürworter*innen. Von denen haben bestimmt einige Gärten ... mh, vielleicht doch nach Prypjat umsiedeln und ihnen den Müll in die Hand drücken. Da können sie dann auf den Müll aufpassen. ;-)

  • Hoffentlich wird das geplante gigantische atomare Bereitstellungslager in Würgassen im Hochwassergebiet der Weser ebenfalls wissenschaftsbasiert gestoppt. Es gibt noch viel zu erkämpfen.

    • @Arno Schelle:

      In wie Fern sollten Castoren ein Problem mit Wasser haben?

  • "Gorleben soll leben, ja es soll leben, der Rest der Welt soll's auch."

    Biermann, als er noch alle Tassen im Schrank hatte.

    Schöne Erinnerungen. Eine geht so:

    Aktionstage. Ein großes Zeltlager. Nachts brachen mit viel Krach die Fahrer der PKW der Aktivistinnen auf und die schlichten Beamten der Polizei verfolgten den Konvoi der Wenigen.

    Wir anderen brachen dann zu Fuß auf, um eine Straße zu blockieren mittels Bäumen und was man eben so fand.

    Das war genial, nur waren die Cops sauer wegen der Aktion und stoppten den Geisterzug der PKW und stachen bei allen die Reifen ab.

    Dennoch habe ich selten eine Aktion erlebt, bei der die Logistik dermaßen durchdacht und der Witz so präsent war.

    Der Rest ist Geschichte.

    • @Jim Hawkins:

      Sehr schön! :-D

      • @Uranus:

        Machen wir doch mal ein Lagerfeuer, ich habe noch mehr solcher Geschichten in petto.

  • Außer Spesen, nichts gewesen. Fachleute hatten schon früh davor gewarnt, dass sich Salzsöcke als Endlager gar nicht eignen. Schmidt Schnauze (SPD) und Keksbaron Albrecht (CDU), der schon bei der Mülldeponie in Münchehagen ein unverantwortliches Spiel mit der Gesundheit der Bevölkerung gespielt hatte, mussten das Ding ja aus rein ideologischen Gründen gegen den Willen der Menschen durchziehen. Mit dem Geld, das da verbrannt wurde für nichts und wieder nichts hätte man längst ein bedingungsloses Grundeinkommen für alle Menschen ohne eigenes Einkommen finanzieren können - aber für Sinnvolles sieht sich die deutsche Politik ja praktisch gar nicht zuständig.

  • Dann kann ja in Gorleben der gesamte Abraum aus den Überschwemmungsgebieten eingelagert werden und die Abstützung der Kavernen mit Spülversatz erfolgen. Das sollte schnell geschehen, denn lange wird es die Steinkohlen- und Braunkohlenfilteraschen nicht mehr geben, die für den Spülversatz notwendig sind.

    Ja der arme Herr Rabe, Ihr Freund Ernst Albrecht, der verblichene Landesfürst von Niedersachsen, der mal ein Bombenattentat auf die JVA Celle, vom Verfassungschutz ausgeführt, anordnete um etwas gegen die "Linken" in der Hand zu haben, der erkor damals Gorleben als Deponie für radioaktive Abfälle. Das war eine riesige ABM für meine Kollegen von der BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften & Raumforschung) und der damals dem Bundesamt für Strahlenschutz angegliederten DBE.

    Allerdings noch bizarrer war die Vision dieses niedersächsischen Prätrumpisten den Abfall in Richtung Sonne zu schießen. Sic transit gloria mundi - sed purgamenta restant.

  • "soll der Salzstock nun verfüllt und verschlossen werden."

    Nach dem da jetzt 1000ende Mio € reingesteckt wurden, kann man des nicht anders Nutzen?

    Als sicheres Dokumentenlager, für Server, oder einfach weiter forschen und so die Geologischen Prozesse mal 100,200,300 Jahre lang beobachten,...

    • @danny schneider:

      So auch mein erster Gedanke dazu!

      Ob Party-/Konzert-Location oder sonstige (touristische) Nutzung sei dahingestellt, aber "einfach" wieder verfüllen, wäre doch schade drum!

      Zumal auch dieses Verfüllen auch noch mal nen Haufen Geld kosten dürfte!

  • Das mag bei so manchem ideologischen Atomgegner Jubeln auslösen. Aber im Grunde ist es ein sehr trauriger Tag für kommende Generationen.



    Da die Menschheit auf fast 10 Milliarden Menschen anwachsen wird und jeder(!) dieser Menschen einen Anspruch auf Waschmaschinen, Zentralheizung, Kühlschränke, Individualverkehr, Internet etc. erheben wird (und auch hat), dürften die globalen CO2 Ziele ohne Kernkraft nicht zu erfüllen sein.

    • @Paul Rabe:

      Was aber keinerlei Argument für ein völlig ungeeignetes Endlager ist, insofern ist Ihre Trauer völlig unangebracht.

    • @Paul Rabe:

      Mal abgesehen davon das das nicht stimmt (mit der Kernkraft aus Kernspaltung), Ja die Überbevölkerung ist das Kernproblem. Und selbst wenn es nur 3Milliarden wären, können die nicht alle Leben wie wir.

      Dazu noch: würde man das Problem global mit Kernkraft lösen wären die Uranvorkommen schnell leer. Viele große Lagerstätten sind ja schon ausgebeutet. Auch das Zeug ist arg endlich!