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Antiabtreibungsgesetz in den USAWashington gegen Texas

US-Justizminister Merrick Garland hält das texanische Abtreibungsverbot ab der 6. Woche für eine „Intrige“. Er will das Gesetz zu Fall bringen.

Will zentral gegen Texas' Anti-Abtreibungsgesetz vorgehen: US-Justizminister Merrick Garland Foto: Samuel Corum/Reuters

New York taz | Wegen „offener Missachtung von Grundrechten“ und einer „Intrige, um Frauen den Zugang zu Schwangerschaftsabbruch zu verwehren“, hat US-Justizminister Merrick Garland ein Verfahren gegen den Bundesstaat Texas angestrengt. Sein Ziel ist es, das in der vergangenen Woche in Kraft getretene texanische Gesetz 8 zu Fall zu bringen.

Bei einer Pressekonferenz in Washington begründete Garland am Donnerstag, dass es ihm nicht nur um das Recht auf Schwangerschaftsabbruch geht. „Der Versuch, die Verfassung der USA aufzuheben, muss alle Amerikaner, unabhängig von Parteizugehörigkeiten und Politik, beunruhigen“, sagte er und warnte, dass daraus ein Modell werden könne, um die Grundrechte auch in anderen Bereichen und in anderen Bundesstaaten auszusetzen.

Feministinnen und Familienplanungszentren haben die US-Regierung in den vorausgegangenen Tagen gedrängt, gegen das Gesetz vorzugehen. Am Donnerstag Abend reagierten sie erleichtert. „Dies ist ein Wendepunkt“, sagte Nancy Northup. Sie ist die Präsidentin des „Center for Reproductive Rights“, deren Organisation auch die anhängigen Klagen mehrerer Kliniken gegen das Gesetz gebündelt hat. Brigitte Amiri, Sprecherin der Bürgerrechtsgruppe ACLU, kommentierte zurückhaltender: „Dies ist eine willkommene Nachricht“.

Elizabeth Graham von der Organisation „Texas Right to Life“, auf deren langjähriges Lobbying das radikalste Gesetz zur Einschränkung des Rechts auf Abtreibung zurückgeht, prognostizierte ein Scheitern des Verfahrens: „Der Justizminister wird feststellen, dass das Gesetz nicht gestoppt werden kann“. Ihre Organisation berät bereits andere republikanische Bundesstaaten über Möglichkeiten, das Gesetz auch bei sich einzuführen.

Frauen stehen vor verschlossenen Türen

In Texas wehrt sich der republikanische Gouverneur Greg Abbott, der das Gesetz vor einer Woche im Beisein von acht Frauen und mehr als 40 mehrheitlich weißen Männern unterzeichnet hat, gegen die Kritik, dass es nicht einmal für Opfer von Gewalt und Inzest das Recht auf Abtreibung zulässt: „Wir werden die Vergewaltiger von den Straßen Texas' eliminieren“.

Quer durch Texas hat das Gesetz bereits dazu geführt, dass die meisten ungewollt schwangeren Frauen vor verschlossenen Türen stehen. Sie können weder Abtreibungen noch Informationen über Abtreibungsmöglichkeiten in anderen Bundesstaaten bekommen. Beides ist strafbar.

Die zwei Dutzend über den Bundesstaat verteilten Kliniken, die bis Ende August Schwangerschaftsabbrüche durchführten, sind entweder geschlossen oder sie konzentrieren sich auf die wenigen Abtreibungen vor Ablauf der sechsten Schwangerschaftswoche. Vor der Einführung des Gesetzes haben 85 Prozent aller Abtreibungen in Texas erst nach der sechsten Schwangerschaftswoche stattgefunden.

Die Befürworter des Gesetzes nennen es „Herzschlaggesetz“. Es verbietet Abtreibungen, sobald ein Herzschlag des Fötus gemessen werden kann, was in der Regel in der sechsten Woche geschieht – zu einem Zeitpunkt, da viele Frauen noch gar nicht wissen, dass sie schwanger sind.

Diese enge Befristung steht im Widerspruch zu der Grundsatzentscheidung des Obersten Gerichtes aus dem Jahr 1973. Um ihr „Herzschlaggesetz“ dennoch durchzusetzen, haben die texanischen „Lebensschützer“ den Trick gefunden, nicht mit Ermittlungsbehörden, sondern mit Bürgern zu arbeiten. Wer immer von einer Abtreibung erfährt, kann die Ärzte und alle anderen Personen – inklusive Angehörige und Taxifahrer –, die beim Zustandekommen einer Abtreibung eine Rolle gespielt haben, anzeigen. Den Denunzianten winken Belohnungen von 10.000 und mehr Dollar.

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7 Kommentare

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  • "Den Denunzianten winken Belohnungen von 10.000 und mehr Dollar."

    In Texas wurden notleidende Frauen zu Freiwild erklärt.

  • Ein Riss geht durch fast alle Gesellschaften.



    Immer mehr etabliert sich so eine besondere Form "westlicher Taleban" das sich das Rad eben nicht nur in Afghanistan zurück drehen lässt. So ist es nicht nur auch eine gewollte Entmündigung der Frauen und Mädchen, durch eine veränderte Wahlrechtsreform sollen Minderheiten und Menschen mit Migrationshintergrund und schwarzer Hautfarbe an ihrem Recht gehindert werden wählen zu dürfen.



    Am deutlichsten zeigt sich der Riss im abdriftenden Konservatismus etablierter Parteien die zunehmend drohen in den Faschismus abzugleiten.

    Was immer wieder überrascht: die Mehrheit in den jeweiligen Ländern haben sie nicht auf ihrer Seite!



    Trump Anhänger begreifen durchaus das Unanständige und Zerstörerische, was aber scheinbar gewollt ist. Trotzdem treten sich mächtig aggressiv und gewaltig auf.

    Überraschend auch, das gerade Personen in verantwortlichen Positionen, wie die Gouverneure von Florida und Texas, gleichsam die Unfreiheit nicht geimpfter Personen in dieser schrecklichen Pandemie als Freiheit verkaufen und somit völlig unverantwortlich das Leben der Menschen und den Erfolg der Wirtschaft aufs Spiel setzen.

    So wird eine alte, traditionell als demokratisch betrachtete Partei, vom Faschismus regiert, und kein zerstörerischer Blödsinn ist gut genug, neben angeblich gestohlenen Wahlen ,dem Verbieten Masken tragen zu verordnen,



    die Hexenjagd auf Abtreibungsunterstützer und die Behinderung demokratischen Wählens per Gesetz etabliert zu haben.



    Aber das ist nicht nur in den USA der Fall, wie in einigen Ländern der EU und Brasilien deutlich wird. Da zieht sich ein roter Faden durch viele Nationen auf dieser Erde in der einige mit aller Gewalt eine Weiterentwicklung der Menschheit verhindern wollen.

    • @Thomas Rausch:

      Ich glaube nicht, dass Trump Anhänger:innen das "Unanständige und Zerstörerische" begreifen. Die empfinden die anderen als das. Ich habe lange dort gelebt und unterstelle den meisten Trump-Leuten keine bösen Absichten, sondern die sind vom Guten überzeugt: Freiheit, sich zu bewaffnen, um sich im Ernstfall gegen die Regierung oder Eindringlinge etc. wehren zu können; Freiheit im Sinne von Selbstverantwortung auch bezüglich Impfen oder Krankenversicherung; Abtreibung bedeutet Mord und gilt als die größte Sünde. FOX News bedient solche Leute mit Propaganda, auch was die "gestohlenen Wahlen" (weil man es nicht wahrhaben will) und Impfnebenwirkungen betrifft. Persönlich sind solche Menschen durchaus gute und hilfsbereite Nachbarn - und deren Abgleiten in diese ideologischen Welte tut (mir) dann weh.

      • @resto:

        "Ich habe lange dort gelebt und unterstelle den meisten Trump-Leuten keine bösen Absichten, sondern die sind vom Guten überzeugt"



        Genau da liegt ja das Problem. Wer von all den "Bösen", die die Menschheit im Laufe ihrer Geschichte hervorgebracht hat, ist angetreten, um böse zu sein? Wer hat gesagt "ich will der grösste und meist gehasste Massenmörder der Geschichte sein"? Das Böse tritt immer im Namen des Guten auf und projiziert seine eigenen niederträchtigen Impulse auf den jeweils anderen. Ob die Trumpisten böse Absichten hegen oder nicht, spielt keine Rolle, wenn sie böse handeln. Der Kurzschluss im Kopf ist es, der Menschen in aufrechter Empörung im Kampf für das Gute die abscheulichsten Taten begehen lässt. Da hilft auch nicht, wenn man Schäferhunde mag...

  • Zuweilen habe ich den Eindruck, dass wir im "alten" Europa die amerikanische Denkkultur gar nicht (mehr) nachvollziehen können. Für mich ist das einfach nur noch krank.



    Wenn ich immer aus Amerika höre, dass die persönliche Freiheit das höchste Gut ist, was insbesondere bei der Corona-Schutzimpfung ein häufig gehörtes Argument gegen selbige ist, dann kann ich nur sagen: Liebe Republikaner, Ihr habt nicht nur einen ernstzunehmenden, sondern sogar einen offensichtlichen und kolossalen Logikbruch in Eurer Politik.



    Beim Impfen wollt Ihr alle selbst entscheiden (obwohl die Konsequenzen daraus nicht ausschließlich Euch selbst, sondern auch die Mitmenschen in Eurer unmittelbaren Umgebung betreffen), und bei den Abtreibungen (die primär und fast allein die schwangere Frau betreffen) da wollt Ihr die Menschen bevormunden?



    Double juh tie eff?



    Wenn es religiöse Hardliner in Amerika gibt, dann sei es diesen unbenommen, das Abtreibungsverbot fakultativ in ihrer eigenen Community zu leben ( wenn sie es denn ausnahmslos schaffen...), sie sollten das Abtreibungsverbot in Anerkennung der US-typischen Freiheitsrechte aber nicht anderen Menschen aufzwingen, zumal diese anderen Menschen auch noch völlig anderen Glaubensrichtungen oder Religionen angehören können.



    Vermutlich ist das Gesetz nicht mit allgemeiner Logik zu begründen, sondern ausschließlich mit der "Logik" des Hungers und Strebens nach Macht, die mit Menschlichkeit nicht viel zu tun hat, sondern vor allem mit einem: persönlicher Gier nach Macht, um Reichtum - auf Kosten anderer - zu erlangen!

  • "Wir werden die Vergewaltiger von den Straßen Texas' eliminieren"

    Tjo. Die meisten sind in den Schlafzimmern. Idiot.

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Das sollte sich die EU-Kommission mal gegen Polen trauen!