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Flutkatastrophe in Deutschland„Gespenstische Bilder“

Die deutsche Sprache kenne kaum Worte für die Verwüstung, sagt Kanzlerin Merkel. Scholz plant Soforthilfen und ein Aufbauprogramm.

Angela Merkel (3.v.l hinten) und Malu Dreyer (5.v.l hinten) in Schuld in Rheinland-Pfalz Foto: dpa/Christof Stache

Kanzlerin Merkel in Schuld, Rheinland-Pfalz

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in den vom Hochwasser schwer getroffenen Gebieten in Rheinland-Pfalz schnelle Hilfe angekündigt. „Wir stehen an Ihrer Seite, Bund und Land“, sagte sie am Sonntag in Adenau im Kreis Ahrweiler. Bund und Land würden dabei Hand in Hand arbeiten.

Sie sei gekommen, um sich ein reales Bild von den surrealen, „gespenstischen Bildern“ vor Ort zu verschaffen, sagte Merkel. „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist.“

Begleitet wurde die Kanzlerin unter anderem von der Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Die Unwetterkatastrophe im Landkreis Ahrweiler hat bislang 110 Todesopfer gefordert, 670 Menschen wurden verletzt. Zudem wurden in Nordrhein-Westfalen nach derzeitigem Stand 46 Todesopfer registriert. (dpa)

Bessere Frühwarnsysteme für Katastrophen gefordert

Angesichts der Unwetterkatastrophe in Deutschland fordert der Städte- und Gemeindebund eine grundlegende Reform des Bevölkerungsschutzes. „Dabei sollte insbesondere das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe sowohl personell als auch was die inhaltliche Zuständigkeit angeht deutlich gestärkt werden“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Zunächst war bei dieser Katastrophe der Eindruck entstanden, es handele sich um einen großen Starkregen, ohne dass das dramatische Ausmaß kommuniziert worden ist“, sagte Landsberg. Deswegen sind seien viele von der Flutkatastrophe überrascht worden.

Landsberg schlug vor, die Warnsysteme, die es zu Zeiten des Kalten Kriegs durch Sirenen flächendeckend gab, zu ertüchtigen. Sie sollten mit entsprechender Digitalisierung zum Kommunikationsnetz ausgebaut werden, „das auch noch funktioniert, wenn flächendeckend der Strom ausgefallen ist“.

Auch Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) forderte eine bessere Vorbereitung auf extreme Wetterereignisse. Ziel müsse eine Verbesserung der Vorhersage und Vorsorge sein. Es müsse möglich sein, Extremwetter noch genauer in den Regionen vorherzusagen und Risikopläne für Hochwasser und Hitze zu erstellen.

Im Schnitt hätten sich diese Ereignisse extremer Niederschläge, Hitze oder Sturm in den letzten dreißig Jahren nahezu verdoppelt, sagte Karliczek. Derzeit flössen pro Jahr rund 65 Millionen Euro in die Forschung zu Klimaauswirkungen. (afp)

Weitere Häuser im Berchtesgadener Land evakuiert

Weitere Häuser im Hochwassergebiet des Berchtesgadener Landes müssen evakuiert werden. Das betreffe einen Teilbereich an der Königsseer Ache, teilte das Landratsamt am Sonntag mit. Wie viele Menschen betroffen seien und was wo genau drohe – also Hochwasser oder ein Hangabrutsch – konnte eine Sprecherin noch nicht sagen. Die Entscheidung sei erst vor kurzem getroffen worden.

Die betroffenen Menschen würden direkt kontaktiert. „Wichtig ist, auf die Anweisungen der Einsatzkräfte zu achten, zügig das betroffene Gebiet zu verlassen und sich zum angeordneten Sammelpunkt zu begeben.“

Zuvor wurden 135 Menschen in Sicherheit gebracht. Denn in Schönau am Königssee droht ein Hangabrutsch, ein Geologe sei vor Ort, um die Lage zu bewerten, so das Landratsamt.

Es sei immer noch schwer, die Lage insgesamt zu beurteilen. Es regne immer wieder, auch heftiger, sagte die Sprecherin. (dpa)

Weiterhin Vermisste in Erftstadt und Euskirchen

In Nordrhein-Westfalen läuft die Suche nach Vermissten und möglichen Todesopfern der Hochwasserkatastrophe weiter. Am Samstag hatte das NRW-Innenministerium die Zahl der Toten mit 45 angegeben. In der vom Hochwasser besonders betroffenen Ortschaft Erftstadt westlich von Köln suchen zahlreiche Menschen nach ihren Angehörigen. Bisher wurden laut Angaben der Stadt bei der am Samstag eröffneten „Personenauskunftsstelle“ 59 Menschen gemeldet, deren Aufenthaltsort ungewiss ist. 16 davon kämen aus Erftstadt.

Die Trümmer einer Einkaufsstraße in Ahrweiler Foto: dpa/Thomas Frey

Unter den Gesuchten seien auch Bewohner einer Altenpflegeeinrichtung, die am Samstag evakuiert werden musste. Viele Menschen wüssten nicht, wo ihre Angehörigen sein könnten, weil etwa das Telefonnetz zusammengebrochen war, erklärte ein Sprecher des Rhein-Erft-Kreises am Sonntag. Den Angaben der Stadt zufolge konnten Einsatzkräfte bislang 70 Fahrzeuge bergen, 25 stünden noch im Wasser. Bislang wurden keine Menschen in den Autos und Lastwagen entdeckt.

Im Stadtteil Erftstadt-Blessem wollen Fachleute am Sonntag die Stabilität des Untergrunds überprüfen. Die Experten sollen nach Angaben der Stadt die Abbruchkanten eines Erdrutsches untersuchen. Die Lage sei unverändert angespannt, da noch keine Klarheit zu den Bodenverhältnissen bestehe. In Blessem war durch die Fluten ein riesiger Krater entstanden, mindestens drei Wohnhäuser und ein Teil der historischen Burg stürzten ein. (dpa)

Zahl der Todesopfer in Ahrweiler steigt auf 110

Autos, die zuvor metertief unter Wasser standen, werden in Erftstadt wieder sichtbar Foto: ap/Michael Probst

Nach der Hochwasserkatastrophe im Westen Deutschlands hat sich die Zahl der Toten im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz auf 110 erhöht. 670 Personen wurden verletzt, wie die Polizei mitteilte. Insgesamt liegt die Zahl der Verstorbenen nun bei 156.

Die Zahl der Toten und Verletzten könnte sich weiter erhöhen. In vielen umliegenden Gemeinden gibt es weiterhin weder Strom noch Telefonempfang. Viele Straßen im Ahrtal bleiben gesperrt. (dpa)

Scholz plant Soforthilfen und Aufbauprogramm

Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) stellte Soforthilfen in dreistelliger Millionenhöhe in Aussicht. „Es braucht einen nationalen Kraftakt“, sagte er der Bild am Sonntag. Am Mittwoch wolle der Vizekanzler im Kabinett zwei Dinge auf den Tisch legen: „Erstens eine Soforthilfe, bei der letzten Flut waren dafür deutlich mehr als 300 Millionen Euro nötig. Da wird jetzt sicher wieder so viel gebraucht“, erläuterte Scholz. „Zweitens müssen wir die Grundlage für ein Aufbauprogramm schaffen, damit die zerstörten Häuser, Straßen und Brücken zügig repariert werden. Wie wir von der vorherigen Katastrophe wissen, geht es um Milliardenbeträge.“

Gegen Mittag will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die vom Hochwasser betroffenen Gebiete besuchen. Sie werde sich in der Eifelgemeinde Schuld, die besonders schwer von der Unwetterkatastrophe getroffen wurde, ein Bild von der Lage machen. Im Anschluss (14.30 Uhr) ist ein Pressestatement in Adenau geplant – gemeinsam mit der Mainzer Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und weiteren rheinland-pfälzischen Ministern.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hatte am Samstag zu anhaltender Hilfe für die Opfer der Flutkatastrophe aufgerufen. „Die Unterstützungsbereitschaft muss anhalten, im Großen wie im Kleinen“, sagte er bei einem Besuch im nordrhein-westfälischen Katastrophengebiet in Erftstadt. (dpa)

Polizei warnt vor Falschmeldungen

Im ebenfalls stark betroffenen Kreis Trier werde auch am Sonntag die Aufräumarbeiten fortgesetzt. Erste Anwohner gingen bereits am Samstag zurück in ihre Häuser. Betroffen sind der Stadt zufolge 670 Gebäude, bei denen im Keller und Erdgeschoss fast alles zerstört wurde.

Die Polizei warnte unterdessen wegen der zerstörten regionalen Infrastruktur vor den Gefahren freiliegender Stromleitungen – und vor Falschmeldungen: So gebe es „keine Flutwelle oder Dammbruch in Sinzig, Ahrweiler oder Umgebung“, hieß es in einer Mitteilung am Samstagnachmittag. Aus Angst vor Plünderungen und wegen Hochwassertouristen soll die Polizeipräsenz erhöht werden.

Angehörige, Freunde oder Bekannte, die jemanden vermissen, können sich rund um die Uhr unter der Rufnummer 0800 6565651 bei der Polizei melden.

Die Wetterlage hat sich inzwischen entspannt. Es bleibt aber wechselhaft, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) mitteilte. Daher könne es auch weiterhin zu örtlichen Gewittern mit Starkregen kommen. (dpa)

Landkreis Berchtesgadener Land ruft Katastophenfall aus

Der Landkreis Berchtesgadener Land in Oberbayern hat am späten Samstagabend den Katastrophenfall ausgerufen. Zwei Menschen starben in dem Hochwassergebiet. Es sei aber noch unklar, ob deren Tod in Zusammenhang mit dem Hochwasser stehe, sagte die Sprecherin des Landratsamt Berchtesgadener Land, Alexandra Rothenbuchner. Die Feuerwehr in dem Landkreis in Bayern im Dauereinsatz.

Das Berchtesgadener Land hat den Katastrophenfall ausgerufen Foto: dpa/Kilian Pfeiffer

Betroffen waren vor allem die Orte Berchtesgaden, Bischofswiesen, Schönau am Königssee, Marktschellenberg und Ramsau im äußersten Südosten Bayerns. Dort trat das Wasser stellenweise über die Ufer und überflutete Straßen. Hänge rutschten ab.

Medien berichteten von Rekord-Pegelständen an der Ache – bis 22 Uhr lagen sie schon bei etwa 3,75 Metern. Bilder zeigen Straßen, die sich in reißende Bäche verwandeln. Menschen waten knietief im Wasser. Alle paar Hundert Meter sei die Feuerwehr im Einsatz, berichtet ein Augenzeuge. Traktoren räumten Schutt beiseite. Zum Teil stehe das Wasser bis zu 50 Zentimeter hoch. (dpa)

Sintflutartige Regenfälle auch in Teilen Österreichs

Ebenso ist in Chamerau in der Oberpfalz der Roßbach wegen Starkregens über die Ufer getreten. Ein Gebäude sei mit Sandsäcken vor den Wassermassen geschützt worden, sagte ein Sprecher der Polizei. Im gesamten Landkreis gab es fünf weitere Einsätze der Feuerwehr aufgrund von vollgelaufenen Kellern oder überschwemmten Straßen.

Sintflutartige Regenfälle haben in der Nacht zum Sonntag auch weitere Teile Österreichs erfasst. Sowohl in Salzburg als auch in Tirol und der Bundeshauptstadt Wien waren die Feuerwehren im Dauereinsatz, wie die Agentur APA meldete. Im Stadtgebiet von Hallein sei Zivilschutzalarm ausgelöst worden, ebenso wie in Mittersill im Pinzgau sowie in Kufstein in Tirol. In der Stadt Salzburg wurde der Hochwasserschutz entlang der Salzach aufgebaut

In Hallein überfluteten die Wassermassen Teile der Altstadt. Nach Angaben der Feuerwehr lagen am späten Abend keine Meldungen über Vermisste, Verletzte oder gar Tote vor.

In Kufstein werden die Menschen aufgefordert, Gebäude nicht zu verlassen und sich in höhere Stockwerke zurückzuziehen. Im Stadtgebiet erreichte das Wasser der Zulaufbäche des Inns bereits die Straßen. Wegen möglicher Erdrutsche wurde ein Teil der Felbertauernstraße gesperrt.

In Wien sorgten starker Regen und Gewitter für Hochbetrieb bei den Feuerwehren. Meist wurden die Feuerwehrleute wegen überfluteter Keller oder Unterführungen gerufen, bis zum Sonntagmorgen berichtete die Berufsfeuerwehr von über 500 Einsätzen. (dpa)

Laschet lacht – und entschuldigt sich

Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet hat sich für den Eindruck entschuldigt, er habe sich während der Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im nordrhein-westfälischen Hochwassergebiet unangemessen verhalten. Er bedauere den Eindruck, der durch eine Gesprächssituation entstanden sei. „Dies war unpassend und es tut mir leid“, schrieb Laschet am Samstagabend im Kurznachrichtendienst Twitter. „Uns liegt das Schicksal der Betroffenen am Herzen, von dem wir in vielen Gesprächen gehört haben.“

Laschet lachte herzlich während der Rede des Bundespräsidenten Foto: dpa/Marius Becker

Auf Fernsehbildern und Aufnahmen von Fotografen ist der CDU-Politiker während einer Rede des Bundespräsidenten in Erftstadt im Hintergrund zu sehen. In einer Sequenz scherzen Laschet und seine Begleiter. Zu sehen ist, wie er sich lachend zu seinen Begleitern dreht.

Bei Twitter gab es daraufhin Kritik an dem nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil schrieb: „Ich bin wirklich sprachlos.“ SPD-Parteivize Kevin Kühnert twitterte: „Eine Frage des Charakters.“ Der Pianist Igor Levit kritisierte „würdeloses Verhalten“. Der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, sprach von „Pietätlosigkeit“ gegenüber den Opfern.

Steinmeier und Laschet hatten in Erftstadt mit Helfern und Feuerwehrleuten gesprochen. In einer kurzen Rede nach dem Treffen hatte der Bundespräsident sein Mitgefühl mit den Opfern der Flutkatastrophe zum Ausdruck gebracht und gesagt: „Ihr Schicksal zerreißt uns das Herz.“ Im Netz wurde darauf verwiesen, dass auch Steinmeier gelacht habe. Die Diskussion konzentrierte sich zunächst aber auf Laschet. (dpa)

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7 Kommentare

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  • Es ist schon ein überaus bezeichnender Offenbarungseid wenn die 'Klimakanzlerin' Merkel nach 16 Jahren im Amt erklärt es bedürfe einer Politik, „die die Natur und das Klima mehr in Betracht zieht, als wir das in den letzten Jahren gemacht haben“.



    www.fr.de/politik/...r-zr-90867963.html

  • Für mich würde ein solches Bild im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte reichen, diesen Mann NIEMALS zu wählen, was ich ohnehin nicht täte.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    "Die deutsche Sprache kenne kaum Worte für die Verwüstung, sagt Kanzlerin Merkel."



    Auch Lachet war offensichtlich sprachlos.

  • „Die deutsche Sprache kennt kaum Worte für die Verwüstung, die hier angerichtet ist,“ meint die Kanzlerin. Wer sich semantisch so schwertut, ist im Beruf des Vollzeitpolitikers gut aufgehoben.

  • 0G
    05989 (Profil gelöscht)

    Ja sieh einer an... Die Infrastruktur mit Schuldenbremsen und Steuererleichterungen für Unternehmen und Reiche kaputt zu sparen hat einen Preis... Das konnte ja nun keiner ahnen!



    Steuervermeidung und -hinterziehung kosten Menschenleben. Immer!

  • RS
    Ria Sauter

    Braucht es noch irgendeinen Beweis, dass das Wahlvolk einigen Politikern völlig am Hinterteil vorbeigeht.



    Nachdem wir unser Kreuzchen gemacht haben, haben sie ein sicheres Einkommen. Sonst noch was wichtig? Nö.



    Dummes Geschwätz sehr,sehr gut bezahlt.

    • @Ria Sauter:

      Vielleicht ist die Bezahlung aber auch noch nicht gut genug, wenn sich unter rund 60 Mio. aktiv wie passiv Wahlberechtigten offenbar niemand findet der*die es besser kann. Vielleicht ist das regelmäßige Gemecker des Wahlvolks an denjenigen die es gewählt hat aber auch eher darin begründet, dass es sich von seinen Repräsentant*innen nur allzu gut in seiner ganzen fehlbaren Mittelmäßigkeit repräsentiert sieht.