piwik no script img

Koalitionskrach in BayernAiwangers Selbstzerstörung

Patrick Guyton
Kommentar von Patrick Guyton

Eigentlich müsste Bayerns Ministerpräsident Söder seinen Vize Aiwanger feuern. Doch das kann er sich kurz vor der Bundestagswahl nicht leisten.

Zerrüttete Beziehung: Hubert Aiwanger und Markus Söder Foto: Peter Kneffel/dpa

E s kracht wie noch nie in der bayerischen Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern (FW). Ministerpräsident Markus Söder wirft seinem Vize Hubert Aiwanger vor, sich bei „rechten Gruppen und Querdenkern“ anbiedern zu wollen. Dieser schlägt zurück mit „Unverschämtheit“ und „Falschbehauptung“. Das Verhältnis ist zerrüttet.

Der Wirtschaftsminister arbeitet beständig gegen den strikten Anti-Corona-Kurs der Regierung. Werden schärfere Maßnahmen verhängt, verlangt Aiwanger Lockerungen. Dass er selbst sich der Impfung verweigert, wird da zur Nebensache. Aiwanger glaubt, mit dem Schüren von Coronaskepsis bei der Bundestagswahl die 5-Prozent-Hürde überspringen zu können.

Eigentlich müsste Söder ihn entlassen. Doch das kann Söder sich kurz vor der Bundestagswahl nicht leisten. Die Suche nach einem neuen Koalitionspartner – die Grünen oder die SPD kämen infrage – wäre jetzt ein Unding.

Die Freien Wähler waren mal ein vielversprechendes Soloprojekt von Hubert Aiwanger. Aus bürgerlicher und ländlicher Perspektive griff er die CSU und das von ihm so bezeichnete „politische Establishment“ an. Die FW als die redlichen Vertreter der konservativen Bevölkerungsschichten, ohne CSU-Amigo-Filz – das kam an und brachte die Christsozialen um die absolute Mehrheit. Nun driftet Aiwanger ins sehr Trübe, spricht von einer „Jagd“ auf Ungeimpfte und polemisiert gegen die „Einheitsspritze für alle“.

Söder hofft, dass andere Aiwanger von seinem Kurs abbringen. Etwa die Wirtschaft, die sich gegen ihn stellt, oder die eigene Partei. Immerhin sagt der FW-Kultusminister Michael Piazolo provokant gegenüber dem Parteichef: „Impfungen sind das wirksamste Mittel gegen das Coronavirus.“

Schürt Aiwanger weiter Zweifel, dann wird er bei der Wahl die Quittung erhalten. Denn die Abgedrifteten wählen das Original, nämlich AfD, und nicht die eilig gefertigte Kopie. Bürgerliche Schichten hingegen werden sich erschrocken von den FW abwenden. Aiwanger ist dabei, eigenhändig sein Lebensprojekt zu ruinieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Patrick Guyton
Autor
Lebt in München, schreibt über mögliche und unmögliche bayerische Begebenheiten. Jahrgang 1967, aufgewachsen im Stuttgarter Raum. Studierte in München und wurde dort zum Journalisten ausgebildet. Es folgten viele Jahre als Redakteur in Ulm, zuständig für Politik und Reportagen. Nun frei atmend und frei arbeitend in der Bayern-Metropole.
Mehr zum Thema

13 Kommentare

 / 
  • Mal etwas niedriger hängen:



    Es gibt keine Impfpflicht. Also kann Niemand - auch kein Landesminister - dazu gezwungen werden.



    Und die FW liegen - so sie dort genannt werden - in der Sonntagsfrage auf Bundesebene bei drei Prozent. Sie könnten also der AfD nützlicherweise schon Stimmen wegnehmen.



    Als Antifaschist sollte man dies eigentlich begrüßen.

  • Ich wäre mir nicht so sicher, ob das nicht eher Aiwangers Chance als seine Selbstzerstörung ist, wenn es darum geht, dass seine Partei bei der Bundestagswahl über 5 Prozent bekommen soll. Bisher wurden die Freien Wähler in den Medien kaum wahrgenommen, jetzt machen sie mehr Schlagzeilen als die AfD, die auch manchem Impfskeptiker zu weit rechts stehen dürfte. Und der eine oder andere Konservative, der sich dieser Tage auch wegen Laschet von der Union abwendet und nach einer konservativen Alternative sucht, wird jetzt vielleicht auf die Freien Wähler aufmerksam. Gut ist das natürlich nicht, wenn immer mehr Kleinparteien im Bundestag sitzen.

  • Hat der Söder Markus nicht selbst mal versucht am rechten Rand zu fischen und von "Asyltourismus" und Anwälten gesprochen die das Asylsystem ausnutzen? Oder war das eine andere CSU Schranze? Naja, der CSU hat es damals nicht geholfen.



    Wenn Aiwanger jetzt den gleichen Fehler machen will, soll er doch.



    Laschet wird es ihm am Wahlabend danken wenn er durch wegfall einer konservativen Alternative zur CDU Kanzler wird.

    • 8G
      83379 (Profil gelöscht)
      @derSchreiber:

      "Naja, der CSU hat es damals nicht geholfen." und Söder hat seine Lektion gelernt.

      Bei Aiwanger könnte es aber funktionieren er will halt über 5%, da gibt es genügend Anti-Impf konservative Grüne und Anti-Laschet Konservative, das könnte glatt klappen.

      • @83379 (Profil gelöscht):

        So habe ich das noch gar nicht betrachtet.



        Es könnte natürlich sein, dass er so Stimmen abfischt die eine Alternative zur Union wollen, aber die "Alternative" nicht wählen wollen.

  • Also ehrlich gesagt, der Vize im Kabinett Söder ein Impfverweigerer, das ist ein Hammer!

    Es gibt nicht was es nicht gibt, aber ganz Deutschland, ja Europa und die Welt denkt darüber nach wie man Impfverweigerer zum Impfen bringt, und wähnen sich auf der fortschrittlichen Seite, nicht ohne hämischen Seitenhieb auf diese Amerikaner denen das Kabinett Donald so viele Impfgegner und Tote bescherte.



    Da offenbart dieser Herr Söder ein, selbst von ihm erst kürzlich erkanntes, Kuckucksei in seinem Nest.



    Was für ein Offenbarungseid!



    Ein Mitglied der Landesregierung Söder der ganz sich offensichtlich wissenschaftlichen Fakten verweigert und mehr in die Rückständigkeit einer "Konföderierten Regierung " eines Trump passt als nach Europa.

    Was kommt da noch, nach einem feixenden "RWE Ministerpräsidenten" der die Braunkohle schützt, den korrupten Masken Profiteuren, einem



    Verkehrsminister der nicht haltbare Verträge zum Nachteil der Steuerzahler schließt und einem Impfverweigerer



    der offensichtlich noch in der Steinzeit lebt?

  • Wer sich zerstört und unglaubwürdig macht sowie als Antidemokraten entlarvt, das ist Söder selbst. So weit sind wir bereits in Deutschland, daß jemand, der sich gegen Impfflicht-. oder Zwang ausspricht, diffamiert wird. Und das, obwohl noch vor einigen Monaten sämtliche Politiker hoch und heilig versichert haben, eine Nötigung zum Impfen sei ausgeschlossen.

    • @Weber Peter A.:

      Ja. Ja. Immer gleich die ganz große Freiheitsglocke läuten :-)

  • Das ist doch dann mal eine gute Nachricht.

  • 9G
    95820 (Profil gelöscht)

    " Aiwanger glaubt, mit dem Schüren von Coronaskepsis bei der Bundestagswahl die 5-Prozent-Hürde überspringen zu können."[....] "Eigentlich müsste Bayerns Ministerpräsident Söder seinen Vize Aiwanger feuern. Doch das kann er sich kurz vor der Bundestagswahl nicht leisten." Die Wähler*innen werden entscheiden. Win-Win wird es nicht. Eher Lose-Lose. Auch die CSU wird Stimmen verlieren.

  • Ist denn sich nicht gegen COVID-19 impfen lassen zu wollen automatisch rechts ?



    Schließlich keine ich noch aus der Vor-Corona-Zeit doch einige Impfskeptiker, die ich in der Gesamtbetrachtung politisch eindeutig als links einstufen würde.

  • Es gibt noch eine andere Möglichkeit, der macht das nicht aus wahltaktischen Gründen, sondern der glaubt wirklich diesen Blödsinn.

    Das ist leider während Corona immer mal wieder passiert, Leute die man für respektabel hielt, "kippten."

    Zuerst wurde Clemens Arvay rezipiert, der war ja von Sarah Wagenknecht empfohlen worden, dann kam Gunnar Kaiser und irgendwann dann Bodo Schiffmann, die Skala ist da leider nach oben relativ offen :-(

    • @Sven Günther:

      Das glaube ich auch. Man solle nur mal an seine Aussagen denken, es wäre besser dürfte: "Jeder anständige Mann und jede anständige Frau a Messer in der Tasche troagen!"