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Abschiebestopp nach AfghanistanRegierung prüft Bitte aus Kabul

Die afghanische Regierung bittet, Abschiebungen nach Afghanistan für drei Monate auszusetzen. In Berlin scheint man wenig Anlass zu erkennen.

Polizeibeamte mit einem Afghanen bei der Abschiebung nach Kabul Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Am Montag hat der höchstrangige Nato-Befehlshaber sein Kommando in Afghanistan abgegeben. Am selben Tag bestätigte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums (BMI) in Berlin, dass eine Bitte der afghanischen Regierung eingegangen sei. Deutschland möge Abschiebungen nach Afghanistan wegen der zugespitzten Sicherheitslage für drei Monate aussetzen. Auch andere europäische Regierungen erhielten das Gesuch aus Kabul.

Seit Beginn des internationalen Truppenabzug aus Afghanistan sind die Taliban auf dem Vormarsch. Nach eigenen Angaben haben sie mittlerweile drei Viertel des Landes eingenommen. Am Dienstag warnten die Extremisten auf Twitter, auch die „Besatzung“ der noch verbleibenden ausländischen Truppen bekämpfen zu wollen.

Die Bundesregierung plant trotz dieser Entwicklung aktuell keine Änderung der Abschiebepraxis. Wie Regierungssprecher Steffen Seibert mitteilte, werden Entscheidung über mögliche Rückführungen weiterhin „auf der Basis einer immer wieder aktualisierten, sehr genauen Beobachtung der Lage“ in den Herkunftsländern getroffen. Das Auswärtige Amt kündigte noch für diesen Monat einen neuen Bericht zur Sicherheitslage in Afghanistan an. Auf dieser Grundlage werde dann entschieden, „wie es weitergeht“, sagte Seibert.

Seit Dezember 2016 schiebt Deutschland abgelehnte Asylbewerber in Sammelflügen nach Kabul ab. Erst vergangene Woche wurden 27 Männer vom Flughafen Hannover nach Kabul gebracht. Es war der 40. Abschiebeflug aus Deutschland – und der erste seit dem vollendeten Abzug der Bundeswehr Ende Juni. Dass die Abwesenheit der internationalen Truppen die Sicherheitslage in Afghanistan grundlegend verschlechtere, ist bei den meisten Be­ob­ach­te­r:in­nen unbestritten.

Finnland setzt Abschiebungen aus

Die Bundesregierung aber hält bislang an der Überzeugung fest, dass die Sicherheit der Abgeschobenen nicht überall im Land gefährdet sei. Inwieweit das nach dem Abzug der Nato immer noch gelte, ließ das Innenministerium am Dienstag auf Anfrage der taz unbeantwortet. Ein Sprecher verwies auf die Äußerungen von Regierungssprecher Seibert.

Zum Gesuch aus Kabul hieß es tags zuvor aus dem BMI, die Bitte der afghanischen Regierung werde „geprüft“, die Bundesregierung werde sich mit anderen europäischen Ländern austauschen. Finnland hat bislang als einziges Land angekündigt, dem Wunsch Kabuls nachzukommen.

Dass ein Abschiebestopp aus Deutschland politisch nicht gewollt ist, machte der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, deutlich. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte der CDU-Abgeordnete: „Ich wüsste nicht, wie ein Stopp helfen könnte, die angespannte Sicherheitslage zu entspannen.“

Frei verwies zudem auf die niedrige Zahl der Abgeschobenen: „Ehrlicherweise kann ich diese konkrete Forderung nach einem Abschiebestopp nicht nachvollziehen, da es sich nur um sehr wenige Personen handelt“. Seit 2016 sind insgesamt etwas mehr als 1.000 Menschen nach Afghanistan zurückgebracht worden.

Kritik von den Grünen

Die grüne Bundestagsabgeordnete und Vize-Präsidentin des Bundestags, Claudia Roth, spricht von einer „innenpolitisch motivierten“ Abschiebepraxis, die auch schon vor dem Abzug der Nato-Truppen „falsch“ gewesen sei.

Dass die Bundesregierung auch jetzt, nach der Bitte Kabuls, an Abschiebungen festhält, bezeichnet Roth der taz gegenüber als „starrsinnig“: „Afghanistan ist nach wie vor ein vom Terror und Bürgerkrieg geplagtes Land, in dem kein Mensch sicher sein kann“, so Roth.

Wie gefährlich Afghanistan für die Abgeschobenen ist, hat vor kurzem eine Studie der Universität Bern gezeigt. Demnach drohen abgelehnten Asylbewerbern und deren Familien bei einer Rückkehr Gewalt, Diskriminierung und Stigmatisierung.

Die meisten aus Deutschland abgeschobenen Afghanen verlassen deshalb das Land kurz darauf wieder. Das Auswärtige Amt hatte eine Gefährdung für Abgeschobene in der Vergangenheit nicht feststellen können.

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4 Kommentare

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  • Und wer mal eine moralische Bankrotterklärung sehen will, der schaue sich mal die Bundespressekonferenz vom 09.07. an, ab 17:50.

    m.youtube.com/watch?v=OurzGBOS22E

    Der Höhepunkt war ja:



    Warum ist das Büro für die afghanischen Ortskräfte in Mazar-i-Sarif nicht geöffnet?



    Weil es die Sicherheitslage nicht zulässt.

    Merkwürdig, das passt gar nicht zu den ganzen anderen Aussagen des BMI...

  • Ich möchte auch hier auf die Spendenaktion für die afghanischen Ortskräfte, die unser ehemaliger Dienstherr sträflich im Stich lässt, hinweisen.

    "Wir glauben, dass unsere Verantwortung für unsere Helfer in Afghanistan nicht mit dem Einsatz geendet hat. Wir wollen den nach Deutschland geholten Ortskräften, die ihr Leben für uns riskiert haben, helfen, hier ein neues Leben aufzubauen."

    www.betterplace.or...fte-in-deutschland

  • Ein doppelter Grund die beiden Koalitionsparteien nicht zu wählen. Die SPD haut leider nicht auf Seehofers Tisch. Es ist eine Schande! Aufschlussreich ist auch, dass als Abschiebegrund immer pauschal von 'kriminellen' Taten' geschrieben wird. Ich vermute, dass darunter auch 'Nichtigkeiten' fallen, die teilweise schon länger zurückliegen und die Betroffenen schon längst integriert sind, ,aber das wird nicht vermittelt.

    • @Thomas Kniep:

      auch kriminelle haben ein recht auf körperliche Unversehrtheit.

      Sonst können wir auch die Todesstrafe wieder einführen, natürlich nur für Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft.