Präsidentschaftswahl in Syrien: Schöne Fassade
Baschar al-Assad lässt sich in einer Scheinprozedur wiederwählen. Syrer*innen im Ausland und der Westen spotten darüber.
Das war auch bei den letzten Wahlen 2014 so, als er nach syrischen Staatsangaben 90 Prozent erhielt. Da dauerte der Krieg bereits drei Jahre. Es war bekannt, dass das Regime Giftgas gegen die eigene Bevölkerung einsetzt. Vor 2014 gab es keine Gegenkandidaten, damals war auf einigen Zetteln schon im Voraus ein Ja angekreuzt.
Bei der Wahl sind Oppositionspolitiker im Ausland deshalb von der Wahl ausgeschlossen, da ein Präsidentschaftskandidat zehn Jahre in Syrien gelebt haben muss. Rund sechs Millionen Syrer*innen sind seit Kriegsbeginn 2011 geflohen. Sie können nur mit Ausreisestempel im Pass wählen, den Geflüchtete nicht haben.
Einer der beiden Gegenkandidaten Assads, Mahmud Mar’i, ist der Vertreter einer von der Regierung geduldeten innersyrischen Opposition. Er hat fehlende finanzielle Mittel beklagt, um für sich zu werben. Auf Twitter hat er 98 Follower. Der dritte Bewerber, Abdallah Saloum Abdallah, ein ehemaliger stellvertretender Kabinettsminister, hatte am Tag der Wahl 25 Follower.
Lange Schlagen vor der Botschaft
Im Nachbarstaat Libanon durften Syrer*innen zwar im Vorhinein wählen. Doch vor der Botschaft bildeten sich lange Schlangen mit Männern, die Plakate mit Assads Porträt hoch hielten. Im Libanon unterstützt die schiitische Hisbollah den Machthaber. Weil dort die lokale Währung rasant im Wert gesunken ist, liegt es nahe, dass die Unterstützung mit frischen Devisen erkauft ist.
Millionen Binnenvertriebene leben in der nordsyrischen Provinz Idlib sowie in Provinzen, in denen nicht Assad die Kontrolle hat, sondern das türkische Militär oder lokale syrische Milizen. Ebenso ist die kurdische Bevölkerung im Norden von Wahlen ausgeschlossen, weil sie nicht unter Kontrolle des Regimes, sondern unter kurdischer Selbstverwaltung leben.
Dass vermeintliche Kritiker innerhalb Syriens nicht frei wählen können, zeigt das Beispiel des im südlich von Damaskus gelegenen Suwaida. In der Stadt protestierten mutige Syrer*innen im Juni 2020 gegen das Regime, trotz der Gefahr, dafür ins Gefängnis zu kommen. Deshalb sammelten die Wahlleiter vor der Wahl die Pässe der Menschen ein, um sicherzugehen, dass sie für Assad stimmten.
Weshalb veranstaltet Assad das Prozedere? „Die Wahlen richten sich an den Westen“ sagte Maan Abdul Salam, Leiter des in Damaskus ansässigen Think-Tanks ETANA, der Nachrichtenagentur Reuters. Es gehe Assad darum, Legitimität zu gewinnen. Eine autoritäre Wahl mit demokratischem Anstrich.
Einige Formen von Dissens
Dafür spräche, dass Syrien mehr als 400 moderate Kritiker*innen – Richter*innen, Beamte und Journalist*innen – vor der Wahl frei gelassen hat. Mit der Freilassung eines gemäßigten loyalistischen Lagers unmittelbar vor den Wahlen werde eine Fassade geschaffen, in der einige Formen von Dissens zugelassen werden, „um die Wahlen glaubwürdiger erscheinen zu lassen“, sagte Sara Kayyali, Syrien-Forscherin bei der US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Der Syrien-Sonderbeauftragte der UN, Geir Pedersen, sagte, die Wahl sei nicht Teil des internationalen Prozesses, der zu einer politischen Lösung führen solle. In Genf hat ein Ausschuss mit 15 Vertretern der Regierung, der Opposition und der Zivilgesellschaft den Auftrag, eine neue Verfassung auszuarbeiten.
Diese soll freie und faire Wahlen unter UN-Aufsicht bringen. Doch Assads Vertreter zeigten wenig Interesse, seit Wochen stehen die Verhandlungen still. Dass nun Wahlen stattfinden, gleicht einer Absage an das Verfassungskomitee. Die USA kündigten vor dem UN-Sicherheitsrat an, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen.
Interessant ist, ob die vermeintlichen Wahlen zur Legitimierung von Geschäften mit Syrien genutzt werden können. Denn die syrische Wirtschaft liegt am Boden. Die Menschen können Brot, Shampoo und Benzin nicht bezahlen.
Suche nach Investoren
Für die Zeit nach dem Krieg benötigt das Land dringend Devisen, um die Währung zu stabilisieren. Assad sucht daher nach Investor*innen für den Wiederaufbau – ein Geschäft, mit dem sich die syrische Führung festigt und in das Russland, die Türkei und der Iran gerne einsteigen, im Gegenzug für Ressourcen oder Investitionsmöglichkeiten.
Die USA und Europa setzen darauf, die Beziehung zu Assad auch wirtschaftlich nicht zu normalisieren. Die USA sanktionieren Unternehmen und Unternehmer, die Geschäfte mit der syrischen Regierung machen, unter anderem in der Energieproduktion und im Bausektor.
Die Strategie der EU für Syrien sieht vor, sich bei der Förderung auf die Zivilbevölkerung zu konzentrieren. Der Europäische Rat sanktioniert bisher Geschäftsleute mit Verbindungen zum Regime und Geschäfte in der Kriegswirtschaft. Es gibt ein Einfuhrverbot für Erdöl und Ausfuhrbeschränkungen für Technologie, die für Repressionen genutzt werden kann.
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