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Zurück in die NormalitätGrell geschminkte Lebensläufe

Grünen-Fans müssen sich eingestehen, dass sich das Spitzenduo entzaubert hat: Sie sind einfach ganz normale Polit-Karrieristen.

Maximales Selbstbewusstsein, minimale Bodenhaftung: Robert Habeck und Annalena Baerbock Foto: Mike Schmidt/imago

W enn der Zauber des Neuanfangs zusammenfällt mit 26 Grad Außentemperatur, dann führt das ganz sicher zu Kopfweh. Der Zauber, das war natürlich diese große Maschine, die, stockend zwar, aber mit immer schnellerer Drehzahl, wieder anzulaufen beginnt: Als ich das erste Mal wieder in der Umkleidekabine eines Ladens stand, den ich spontan betreten hatte, kam ich mir noch vor, als würde ich etwas Illegales tun.

Doch abends draußen in der Pizzeria, fühlte es sich schon wieder beinahe normal an – wäre nicht ein Rollkommando vom Ordnungsamt mit Laserpointern und Zollstöcken aufgetaucht, um unter großem Bohei die Abstände zwischen den Tischen, sowie zwischen Stühlen und Gehweg zu vermessen.

Und siehe da: Die braunen Stuhllehnen ragten an zwei Stellen sechs Zentimeter zu weit in den Durchgang hinein! Ein Anwohner hatte sich beschwert. Aufgeregte Verhandlungen, ein Flehen des Pizzeriabetreibers – er brauche doch die Tische, habe so lang keine Umsätze gehabt…

Einige Restaurantbesucher sahen sich zu ad-hoc-Solidaritätsaktionen veranlasst. Eine ältere Frau schob demonstrativ ihren Rollator durch: „Sehn Se, keen Problem!“ – und ein Junge steckte dem Mann vom Ordnungsamt, dass der Anzeiger bestimmt derselbe fiese Typ sei, der schon dem Kinderladen im Hinterhof die Gartennutzung verbieten wollte. Offenbar kehrt mit dem allgemeinen Erwachen auch die menschliche Niedertracht zurück – ich bekam Kopfweh beim Gedanken an den Nachbarn, den ich auch kennenlernen musste.

U-Bahnfahrt für Sozialpolitiker

Kopfweh auch im öffentlichen Nahverkehr, auf dem Weg zum Bürgeramt. Wer wieder reisen will, braucht nicht nur einen Impfnachweis, sondern auch einen gültigen Pass. Um den in Berlin zu bekommen, muss man sich in die rauen Randbezirke begeben, denn dort kriegt man noch Termine.

In der U-Bahnlinie, die Berlin einmal der Länge nach von Norden nach Süden durchzieht, wurden die negativen Effekte der Pandemie visuell so dermaßen deutlich, dass man jedem Sozialpolitiker zu Anschauungszwecken sofort so eine Fahrt spendieren möchte: Sehr viele sehr übergewichtige Kinder, sehr viele offensichtlich nervlich auf dem letzten Loch pfeifende Mütter, und Menschen jeden Alters, denen das letzte Jahr jede Körperspannung genommen hat.

Im Bus dann wollte ein Restalkoholisierter, dem immer wieder die Maske vom Gesicht rutschte, dem Kontrolleur weismachen, dass Bill Gates daran schuld sei, dass ihm das Portemonnaie samt Fahrschein und Ausweis geklaut worden sei. Während ich das Ende der Fahrt herbeisehnte, informierte mich mein Handy über eine neue Studie: Während der Pandemie sei der Absatz von dekorativer Kosmetik stark zurück gegangen. Deutschland ungeschminkt – auch kein schöner Gedanke.

Die Grünen jedenfalls, früher notorisch ungeschminkt, malen sich jetzt die Lebensläufe mit dem dicken Pinsel schön und stecken sich Boni und Weihnachtsgelder in die Taschen. Ist das moralisch verwerflich? Darüber diskutierten wir abends im Gemeinschaftsgarten, in den sich nach und nach wieder mehr GärtnerInnen wagen, um gemeinsam zu gießen und zu quatschen. Endlich nicht mehr allein oder zu zweit (so manche fing schon an, mit den Pflanzen zu reden), sondern jetzt wieder schön bei Bier und selbst angebautem Salat an Bratwurst politisieren.

Grünes Spitzenduo entzaubert

Also, war das jetzt ehrenrührig von der grünen Kanzlerinnenamtsanwärterin? Schon, so der Konsens zwischen Hochbeeten und Brombeerhecke, aber auch nicht mehr als eine zurechtgeschummelte Doktorarbeit. Oder ein unsauberes Geschäft mit Masken. Vor allem aber müssen sich auch Grünen-Fans nach der so fresh gestarteten Robert-und-Annalena-Performance allmählich eingestehen, dass sich das grüne Spitzenduo entzaubert hat.

Ganz normale Polit-Karrieristen auch sie: Maximales Selbstbewusstsein, minimale Bodenhaftung. Da fliegt der Geisteswissenschaftler Habeck schon mal in die Ukraine und gibt verteidigungspolitisch Halbgares von sich, ohne sich mit seiner außenpolitisch beschlageneren Kollegin abzustimmen: Auch der „kooperative Führungsstil“ ist nur ein Label im Polit-Marketing, in dem aus ein paar Wochen Praktikum schnell ein Job wird.

Meine Tochter jedenfalls hat es schon voll drauf mit dem Vita-Frisieren. Ihre Entwicklungsschritte vom Baby zum Kleinkind sollte sie für die Schule beschreiben. „Mama, wann fängt man an zu laufen?“, fragt sie. Unterschiedlich, sage ich. „Manche laufen schon mit neun Monaten, andere sind weit über ein Jahr…“.

Gut, entscheidet die Tochter. „Wir sagen ein Jahr, das ist schnell, aber nicht übertrieben. Jetzt das erste Wort. Das war sicher sehr früh.“ Stimmt. Und es war Mama. „Echt?“, stöhnt die Tochter. So unoriginell? „Schreib doch „meins“, schlage ich vor. Stirnrunzeln. Zu viel Ego. Am Ende wird es „Papa“. Schminke, das hat die Tochter besser begriffen als Annalena, wirkt nur sympathisch, wenn sie dezent aufgetragen wird.

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Nina Apin
Redakteurin Meinung
Jahrgang 1974, geboren in Wasserburg am Inn, schreibt seit 2005 für die taz über Kultur- und Gesellschaftsthemen. Von 2016 bis 2021 leitete sie das Meinungsressort der taz. 2020 erschien ihr Buch "Der ganz normale Missbrauch. Wie sich sexuelle Gewalt gegen Kinder bekämpfen lässt" im CH.Links Verlag.
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8 Kommentare

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  • "Offenbar kehrt mit dem allgemeinen Erwachen auch die menschliche Niedertracht zurück"



    Den Aufmarsch der Querdenker verpasst?

  • .. Um den in Berlin zu bekommen, muss man sich in die rauen Randbezirke begeben..



    Nana, ich bin ein guter Zuhörer und nicht rau!



    ..... Schminke, das hat die Tochter besser begriffen als Annalena, wirkt nur sympathisch, wenn sie dezent aufgetragen wird...



    Jenau!

  • Na Servus

    Liggers. Volkers Mund 👄 tut Wahrheit kund:

    “Das Schweinchen erkenntste noch immer am Ringelschwänzchen - Gelle!“

    unterm——- aus dem Skat —



    “Wenn du das in so einem Politthinktank - & auch nur ansatzweise durchscheinen läßt - daß du keine “Politkarriere“/Amt - anstrebst - kannste ab da - alles & seis noch so klug - in die Tonne kloppen!“ - beschied mich schon vor Jahrenden einer der grünen Strippenzieher vom selben Fach - meine diesbezügliche Anfrage.



    Neje tak - dachte ich. “Die Sache“ - ist schlicht nicht das - Was du! dir vorstellst •

    So geht das



    &



    Neu - ist das ja nun wahrlich auch bei den Grünen nicht. Helfe ja gern.



    Aber daß dieser koboldblaue pseudointellie schwatzImmergriins MedienHyp&BudenZauber - sich selbst zerlegend - im Bruchh’arsch - im Stoppelacker der Wirklichkeit des Täglichen - ja des Alltäglichen ver&zerkreiselt als Staubfiguren gelandet ist. Ist selbst für die - die darauf & wie ihre Superhyperpiper inne taz - allen voran der postLindner-Superhyper le petit chefreporter Peter Unfried wie zuvor bei dem “ollen Blödmann“(sei Perle) aus Wermelskirchen! Gellewelle.



    Die darauf also nicht reingefallen sind. Dennoch eine Erleichterung.



    Wenn ich auch angesichts der Lindner-Pleite - eine Lernfähigkeit scharf gegen Null - prognostiziere! Newahr.



    Na Si‘cher dat. Dat wüßt ich ever. Da mähtste nix.



    Normal.

    kurz - Vorgestern Silicon Valley & L.A. -



    Gestern - “Alter Blödmann“ 🤬 Christian Lindner - wa!



    & hück -



    DIE ZWEI TRALLAFITTIS - 🤮🤑 - 👹 -



    vande - SCHWATZ-GRÜN - 🙀 😱 -

    kurz2 - Mal schaun. Was als nächste Sau durch‘s Dorf getrieben wird!



    Kann‘s kaum erwarten! Der - billigrosa Bubble-Bonbon - aus dem Kaugummi-Automaten - is jedenfalls GELUTSCHT •

    Na Mahlzeit

  • "Sie sind einfach ganz normale Polit-Karrieristen." Also dann doch nur "das kleinere Übel" wählen?

  • Superlative, das ist das Alte!!

    Wir kenne das doch, es ist diese vermeintliche Leistungsgesellschaft der top Optimierer. Da verkauft sich jeder in der Superlative. Brauchen wir den noch mehr Blender a la Gutenberg?



    Ist es nicht die Willfährigkeit gegenüber einem System in den sich jeder und alles verkaufen muss um möglichst hohe Profite abzocken zu können? Und hat das nicht letztlich uns dahin gebracht wo wir jetzt sind, zu einem sich aufheizenden Planeten?

    Sich als Turbo darzustellen, als top Optimierer zu verkaufen, das ist der Kniefall gegenüber einem ökonomischen System, das tag täglich jedem Arbeitslosen im Jobcenter eingeimpft wird um schnell die Wirtschaft von seiner bedingungslosen Leistungsfähigkeit zu überzeugen, jeder Manager jeder Unternehmer wuchert mit seiner bedingungslosen Optimierung und Leistungsbereitschaft. Ein System das im Wahnsinn endet, wie man unschwer an vielen Kollateralschäden festmachen kann.

    Aber eines mutet regelrecht perfide an: da scheint ein Ehrgeiz zu wuchern, der das Wohl der Allgemeinheit mal eben zu Seite wischt. Das macht sich dann am Wort "Wahlkampf" fest, mit der Betonung auf "Kampf".



    und Kampf hat eben etwas bedingungsloses, unbarmherziges, neben dem Verlierer. Es sind die Parameter einer Rhetorik des Dino Saurier, die eigentlich geradewegs in den Untergang führt.

    Nein liebe Grüne, die Menschen wollen einen Wechsel, keine Neuauflage eines untergehenden ökonomischen Systems das seine Erfolge im Kampf sieht, wie das ein Donald Trump bei jeder Gelegenheit exerzierte. Die Menschen wollen Probleme gelöst sehen und da ist das Umweltproblem eines, die technisch rasanten Veränderungen, die eben auch die Muster der Vergangenheit, mit denen noch so viele leben, entwerten, ein weiteres drängendes.

    Und vor dieser Wirtschaft, die in Vergangenheit alles dominierte, die jetzt step by step von der Wissenschaft ersetzt werden wird und Politik dominieren wird, wollen wir nicht alle zugrunde gehen, braucht niemand mehr zu buckeln.

  • "Sie sind einfach ganz normale Polit-Karrieristen."

    Die ganz normalen Politkarrieristen sind jünger geworden. In fast allen Parteien. Von der Schule zu FfF über einen Listenplatz bei den Grünen in den Bundestag ist heute eine gute Bank, fürs weitere Leben.

    Ich vergleiche die überschminkten Personen gerne mit einer Frau, die souverän in Ökonomie promoviert hat und selbst schwierige theoretische Zusammenhänge spielend beherrscht. Diese Frau ist nach dem letzten Politikerranking des Fokus an 4. Stelle der Beliebtheitsskala. Deutlich vor der Hochstaplerin Bearbock und auch vor Habeck oder Laschet. In Kreisen, wo der Neoliberalismus noch immer das Denken und Handeln bestimmt, ist sie allerdings der Teufel. Kein Wunder. Aber ein wirklich trauriges Kapitel der deutschen Gegenwart.

    Wie froh wären wohl die meisten Wählerinnen und Wähler, wenn es mehr Politiker und Politikerinnen mit Charakter geben würde. Ich wünschte mir ein anspruchsvolleres Demokratieverständnis.

  • Wer ist denn so weltfremd, zu glauben, man würde um der guten Absichten Kanzlerkandidatin. Um in einer Partei so weit an die Spitze zu kommen, muss man zwingend einE KarrieristIn sein. Das ist auch gar nicht verwerflich.

    • @Kolyma:

      Ich frage mich, ob "verwerflich" der richtige Begriff ist. Darf man etwas erst kritisieren, wenn es verwerflich ist?

      Es ist doch eine empirisch nicht belegte These, dass die Personalauswahl in allen Parteien ähnlich funktionieren soll. Ob es auch bei den Grünen eine negative Auslese gibt, wie das bei anderen Parteien ganz offensichtlich der Fall ist, ist doch im Grunde eine Unterstellung.

      Natürlich muss man auch bei den Grünen mit einer Karriere einverstanden sein, wenn man erfolgreich sein will, aber unter einemR KarrieristIn verstehe ich dann doch etwas anderes.

      Ich Frage mich, warum man Kanzlerkandidatin werden sollte, wenn nicht um der guten Absichten wegen. Warum sollte man das anstreben? Nur wegen der Show?

      Warum ist jemand weltfremd, der an gute Absichten glaubt?