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Regionalwahlen England und SchottlandWettlauf um die Zukunft

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Die Zukunft Großbritanniens entscheidet sich nicht zwischen Links und Rechts, sondern zwischen London und Edinburgh.

Will die Unabhängigkeit Schottlands: Nicola Sturgeon, Vorsitzende der Scottish National Party Foto: dpa/Jane Barlow

Z wei politische Akteure von Gewicht sind in Großbritannien noch übrig: die regierenden Konservativen von Boris Johnson – und die schottischen Nationalisten von Nicola Sturgeon. Die Ergebnisse der Regional- und Kommunalwahlen vom vergangenen Donnerstag haben diese geographische Zweiteilung der britischen Politik erneut bestätigt und sogar verschärft. Labour als linke Opposition hat sich nicht durchsetzen können, seine wenigen Bastionen nur mit Ach und Krach verteidigt. Die Partei stürzt durch dieses Wahldebakel, bei dem ihr Vorsitzender Keir Starmer noch glückloser aussieht als vor ihm Jeremy Corbyn, erneut in eine Krise der Selbstzerfleischung. Die britische Linke findet ebensowenig wie ihre europäischen Freunde überzeugende Antworten auf die Themen, die die Mehrheit der Menschen im 21. Jahrhundert bewegen.

So gibt es jetzt in Großbritannien keinen Machtkampf zwischen Links und Rechts, sondern zwischen Edinburgh und London. Die SNP strebt ein zweites Unabhängigkeitsreferendum an, die Regierung Johnson lehnt das ab, muss es auch nicht zulassen und kann zusehen, wie diese Frage über Jahre erstmal die Schotten selbst und später vielleicht die britischen Gerichte beschäftigen wird. Ihrerseits arbeiten die Konservativen daran, ihre neuen Wählerschichten in den alten Industrieregionen auf Dauer an sich zu binden – der Brexit und die Herausforderungen des Klimawandels bieten viele Chancen, um mit massiven Investitionen Zukunftsbranchen zu fördern. Aber auch da wird es Jahre dauern, bis jemand etwas davon merkt.

Den großen Knall um Schottland, den vor allem die europäische Öffentlichkeit erwartet hat, wird es so schnell nicht geben. Beide Seiten haben viel Zeit, und beide profitieren von der Hartnäckigkeit der Gegenseite. Und wenn eins bemerkenswert ist an diesen Wahlen, dann, wie wenig sich in der Wählerpräferenz verändert hat. Die Verschiebungen in Schottland verglichen mit der letzten Wahl, die 2016 noch vor dem Brexit-Referendum stattfand, bewegen sich im Promillebereich.

Es ist ein Wettlauf um die lichtere Zukunft, der sich jetzt zwischen Johnson und Sturgeon anbahnt. Es sind die einzigen beiden Politiker Großbritanniens, die überhaupt gerne von einer besseren Zukunft sprechen. Das ist wohl ihr Erfolgsgeheimnis.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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1 Kommentar

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  • Aus EU-Sicht scheint ein unabhängiges Schottland in der EU natürlich schmeichelhaft. Politisch vernünftig scheint es aber eigentlich nur in Verbindung mit der Annahme, dass ein solches Szenario auch England eher früher als später zurück in die EU bewegt, würde der Erfolg der schottischen Separatisten doch bedeuten, erstmals seit 1603/1707 eine harte Grenze über die Britische Insel zu ziehen die mitten durch ökonomisch und sozial eng verflochtene Regionen verlaufen würde. Ob sich die Auswirkungen davon tatsächlich über die Teilnahme am EU-Binnenmarkt ausgleichen ließen oder es nicht doch Subventionen aus Brüssel bräuchte um die wirtschaftlichen Folgen zu kompensieren ist leider fraglich.