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Sozialer AufstiegDer Preis ist Einsamkeit

Aufstiegsgeschichten sind beliebt. Doch wer aufsteigt, gewinnt nicht nur, sondern verliert auch viel. Die Entfremdung von den eigenen Leuten schmerzt.

Aufstieg ist gut, das weiß man, wenn man mal einen Berg hinaufgestiegen ist Foto: Alistair Scott/YAY images/imago

A ufsteiger. Das klingt so, als wäre die bezeichnete Person früher arm genug gewesen, um sich kein Essen leisten zu können und heute ist sie reich genug, um einen Sportwagen zu fahren. Das hört sich übertrieben an, oder? Aber man übertreibt gerne, wenn man Aufstiegsgeschichten erzählt. Denn Aufstiegsgeschichten sind so schön, für die Aufgestiegenen und vor allem für diejenigen, zu denen man aufsteigt.

Realistisch bedeutet Aufstieg meistens Bildungsaufstieg. Über die ökonomische Dimension ist damit noch nicht viel gesagt: Ein Zeitungsredakteur, der aufgestiegen ist, kann genauso viel verdienen wie sein Vater, der in der Fabrik gearbeitet hat. Die ökonomischen Auswirkungen eines Aufstiegs werden in manchen Fällen auch erst in der darauf folgenden Generation spürbar, vorausgesetzt natürlich, der Aufsteiger trifft die „richtigen“ Entscheidungen. Die kulturelle und psychologische Dimension des Aufstiegs dagegen schiebt sich schon von Generation eins zu Generation zwei zwischen Eltern und Kinder.

Geld lässt sich zählen, der Schmerz über die Entfremdung von den eigenen Leuten ist aber nicht quantifizierbar.

Dabei klingt das Wort Aufsteiger doch so euphorisch. Aufstieg ist gut, das weiß man, so wie man weiß, dass Regen nass macht. Das weiß jemand, der mal einen Berg hinaufgestiegen ist und dann vom Gipfel in die Weite geblickt hat. Das weiß jemand, dessen Fußballmannschaft in die nächsthöhere Liga aufsteigt. Das weiß auch jemand, der gerne von der deutschen Bildungsexpansion erzählt, dann mit den gestiegenen Ab­itu­ri­en­t:in­nenzahlen um sich wirft. Das weiß jemand, der diese ungerechte Gesellschaft so mag, wie sie ist. Denn kann man in ihr theoretisch aufsteigen, dann werden sie und ihre Ordnung eine so schlechte nicht sein.

Alle wissen, dass Aufstieg gut ist. Nur der Aufsteiger weiß es manchmal nicht so ganz. Manchmal zweifelt er daran.

Umgeben von Menschen, trotzdem allein

Denn Aufstieg macht einsam. Wer aufsteigt, kann sich im neuen Leben mit vielen liebenswürdigen Menschen umgeben, mit Freundinnen und Freunden, mit einer Partnerin, und fühlt sich trotzdem oft allein. Dabei kann der Aufsteiger auch Kom­mi­li­to­n:in­nen und Kol­le­g:in­nen haben, die wie er aufgestiegen sind. Aber das muss er erst mal herausfinden. Denn wer aufgestiegen ist und um Anpassung kämpft, der versucht als Aufsteiger nicht aufzufallen.

Wer aufsteigt, kann auch mit aller Mühe den Kontakt zu seinen Eltern versuchen aufrechtzuerhalten. Ihm gehen die Gesprächsthemen beim Telefonieren trotzdem schneller aus als den Kindern, die ihrem Milieu treu geblieben sind.

Wer aufsteigt, sitzt nach einem Arbeitstag im Homeoffice auch mal alleine in seiner von Büchern und Zeitungen überwucherten Wohnung, die er unbedingt noch alle lesen muss, um seine Aufstiegsspuren endlich zu verwischen. Und er fragt sich dann: Was wäre, wenn ich da geblieben wäre, wo ich herkomme?

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Volkan Ağar
Redakteur taz2
Kolumnist (Postprolet) und Redakteur im Ressort taz2: Gesellschaft & Medien. Bei der taz seit 2016. Schreibt über Soziales, Randständiges und Abgründiges.
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9 Kommentare

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  • Der Artikel ist sicher ehrlich geschrieben in einer traurigen Stunde entstanden, aber ganz so schlimm ist es wohl doch nur selten. Man KANN es natürlich so empfinden, dass man nie so ganz „dazugehört“; man kann aber auch als Bereicherung empfinden, dass man in beiden Welten zuhause ist. Einsam muss ein Aufsteiger nur werden, wenn er sein altes Milieu „verrät“, es ihm peinlich ist, er sich darüber erhebt. Das muss man aber nicht und soll es auch nicht, denn das macht einsam, nicht der Aufstieg selbst.

    • @Dr. McSchreck:

      Aufgestiegene können sich auch entfremden, weil sie ihr Wesen verändern: Keine Geduld mehr, um sich über Profanes zu unterhalten, keine Zeit mehr, um sich einmal einfach so zu treffen. Jede Minute ist verplant, immer in Eile..... Und irgendwann nervt das die anderen nur noch.

      • @resto:

        Das sehe ich anders. Ich würde mich durchaus als jemanden sehen, der einen gewissen Aufstieg geschafft hat, jetzt nicht aus dem Slum zum Millionär, aber von einem Kind, für das Urlaub ein unerfüllbarer Traum war zu jemandem, der nicht mehr auf den Euro gucken muss.



        Ich fühle mich meiner alten "Schicht" aber noch sehr verbunden, wobei ich "kulturell" nicht so sehr das Milieu gewechselt habe.

    • @Dr. McSchreck:

      ...wobei ich das etwas relativieren möchte. Natürlich kommt eine Trennline zwischen den, der aufgestiegen ist und die, die noch im alten Milieu mit anderen finanziellen Mitteln und vielleicht auch anderen Prioritäten geblieben sind. Unterschwelliger Neid kann entstehen, auch Bewunderung kann trennen, weil man nicht mehr auf einer Ebene gesehen wird.



      Dennoch gibt es viel Verbindendes, das Nähe schafft zu denen, die nicht aufgestiegen sind. Daran kann man anknüpfen und das ist vielleicht sogar leichter als für jemdenden, der "abgestiegen ist", das gibt es ja auch. Das macht vermutlich wirklich einsam, oben fühlt man sich als "Versager" und unten fehlt eben diese Verbindung, durch die Aufssteiger noch immer irgendwie "dazu gehört".

  • RS
    Ria Sauter

    Das ist traurig, daß es bei Ihnen so ist.



    Wir freuen uns über die Aufsteiger in unserer Familie und die Zeit zum Austausch ist immer zu kurz.

    • @Ria Sauter:

      anschließe mich. Kenn ich auch so.

      unterm——- wobei wobei —



      Vollhufner & betuchtes Bildungsbürgertum ist schonn eine besondere (eher seltene) Mischung.



      Bei den Bauern wurde der 3. der keinen Hof abkriegte & studieren mußte - sein Leben lang drob launig gehänselt. Wiewohl mit riesiger Praxis in Hamburg



      “Nee Nee - Dokter warrn? Lot mi an Lann. Dor lech ik fiiv Mark oopen Disch & dann möt hei mi inn Mors kiiken¿! Nee! Nee!“ - 🤣 -



      & liggers -



      Jetzt als Familienoberhaupt - Juristen - gabs bis dato nich! Biste - wie früher unsere alte bürgerliche Dame*04 (bei Bauerns!;) - auch gern gesuchter Ratgeber - wie bei den Kids sowieso.



      & But — Licht & Schatten —



      Ein Arbeitervorort weiter - kommentierte das ein über Eck angeheirateter - über seinen einst politisch sehr erfolgreichen Gym-Mitschüler - ”Naja - jetzt gelingt es ihm - mit seinen Mitschülern aus der Volksschule - du kennst sie - wieder ins Gespräch zu kommen!“

      kurz - “Wie frauman sich bettet!



      So schallt es heraus!“ Volkers 👄

      • @Lowandorder:

        Däh&Zisch - Mailtütenfrisch - mein Sidekick - Arbeiterkind - ITler - Jöhtener & Schäcks sein 🍻 Kenner - merkt an:

        “ Mal (wieder) lesen: "Rückkehr nach Reims" (Didier Eribon) - “ Issen Wort!“

        • @Lowandorder:

          Ist schon ne komplexe Geschichte, bin gerade beim letzten Kapitel.



          Regt an...

        • @Lowandorder:

          Just meine Assoziation. Aber unter unsere pseudlinke identitäre Bourgoisie ist dem Boden von Planet Erde viel zu weit entschwebt, als dass sie solche Winke mit dem Zaunphahl noch verstehen könnten.

          Sie werden sich noch im "ach-so-hart-erarbeiteten" einsamen- seufz - Aufsteiger-Unglück damit trösten, für diese Welt einfach viel zu gut und viel zu moralisch zu sein...

          Da ess ich mir lieber eine politisch unkorrekte Bratwurst und Pommes mit viel Majo in meinem stinkdreckigen stadtnahen Vorort einer Ruhrpottstadt.