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Rassistische Polizeigewalt„Deutschen wäre das nicht passiert“

Drei Geschwister sollen Polizisten verletzt haben und werden angeklagt. Das Ungewöhnliche: Der Richter glaubt dem aussagenden Beamten offenbar nicht.

Oft Ziel von Aggression – und oft selbst aggressiv: PolizistInnen bei Demo gegen Polizeigewalt Foto: dpa

Berlin taz | Als die Geschichte vor zwei Jahren durch die Presse ging, war der Tenor überall der gleiche: „Berliner Polizisten bei Verkehrskontrolle verprügelt“ (BZ), „Geschwister verprügeln Polizisten – Mutter filmt mit dem Handy“ (Süddeutsche), „Geschwister greifen Polizisten an und filmen Tat“ (FAZ). Völlig ungefiltert übernehmen die Zeitungen die Sichtweise der Polizei auf die Ereignisse vom Abend des 27. Mai 2019.

Am Dienstag sind nun die drei beschuldigten Weddinger Geschwister mithilfe der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP Berlin) an die Öffentlichkeit gegangen und haben ihre Sicht der Dinge geschildert. Zumindest teilweise untermauert wird diese vom juristischen Ausgang des Verfahrens vor einigen Wochen: Der Prozess gegen die Geschwister wegen „Widerstands gegen Polizeibeamte“ und „schwerer gemeinschaftlicher Körperverletzung“ wurde am 14. April gegen Zahlung einer Geldstrafe von 1.500 Euro eingestellt.

Bemerkenswert ist auch, was der Richter im Anschluss den Geschwistern gesagt haben soll: Für die Zukunft sollten sie sich merken, dass es bei Polizeikontrollen keinen Sinn habe, zu widersprechen und Widerstand zu leisten, da hätten sie „keine Chance, das lässt sich die Staatsgewalt nicht gefallen“. So zitiert Jiehad den Satz; dass er sinngemäß so gefallen ist, bestätigten die Rechtsanwältinnen der Geschwister, Diana Blum und Claudia Lind.

Nach Darstellung von Amani, Jiehad und Mustapha, zur „Tatzeit“ 26, 21 und 23 Jahre alt, waren es zwei Polizist*innen, ein Mann, eine Frau, die „offenbar überfordert“ eine einfache Personalienfeststellung im Zuge einer Verkehrsauseinandersetzung eskalierten. Zunächst sei der Beamte „ausgeflippt“, so Jiehad, weil Amani und Mustapha mit ihren Handys filmten, wie er seine (Jiehads) Daten aufnahm. „Er hat meinem Bruder die Kamera aus der Hand geschlagen und wollte mich in den Schwitzkasten nehmen“, so Jiehad.

„So etwas gibt es ständig“

Die Polizistin habe ihre Waffe gezogen und auf den Bruder gezielt. Als die Verstärkung kam, etwa 20 Po­li­zis­t*in­nen, hätten Be­am­t*in­nen beide Brüder, obwohl da schon in Handschellen, getreten und geschlagen, die Schwester sei von der ersten Beamtin gewürgt worden. Auch in der Gefangenensammelstelle seien später die Misshandlungen weitergegangen.

„Die Geschichte ist schrecklich, aber so etwas gibt es ständig“, kommentierte Biplab Basu von KOP – und meinte damit nicht nur die Polizeigewalt, sondern auch, dass Be­amt*innen Handyaufnahmen oft nicht tolerieren würden. Normal sei leider auch, dass die Anzeigen der Geschwister gegen die Polizist*in­nen wegen Körperverletzung im Amt schon nach wenigen Wochen eingestellt wurden.

Ungewöhnlich ist hingegen, was offenbar vor Gericht geschah, als die Anzeigen der Polizei verhandelt wurden. Nach Darstellung der Anwältinnen hat der hauptbeteiligte Po­lizist vor Gericht derart aggressiv auf Fragen der Verteidigung reagiert, dass er mehrmals vom Richter ermahnt werden musste. „Der Richter sagte zu uns, er glaube nicht, dass der Polizist bei der Tat deeskalierend gewirkt hat“, so Blum. Offenbar habe er Zweifel an den polizeilichen Schilderungen gehabt, sonst hätte er keine Einstellung vorgeschlagen. Darüber wiederum hätten sich die beiden PolizistInnen „wahnsinnig aufgeregt“. Dass die drei nicht verurteilt wurden, „hat für sie offenbar eine Welt zerstört“.

Zerstört ist nun auch das Vertrauen der Geschwister in die Polizei. Amani: „Ich habe jetzt immer Angst, wenn ich Kontrollen sehe, dass sie mich wieder mitnehmen.“ Zudem glaubt die junge Frau mit arabischem Hintergrund, dass auch Rassismus eine Rolle gespielt hat. „Deutscher Pass hin oder her: Wir wurden geschlagen und gedemütigt. Einer deutschen Frau wäre das nicht passiert.“

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14 Kommentare

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  • Wenn man davon ausgeht, dass die Darstellung der angeklagten Geschwister stimmt, oder zumindest teilweise stimmt - und aufgrund persönlicher Erfahrungen mit der Berliner Polizei halte ich das für gut möglich, bzw. sehr wahrscheinlich - ist es doch irritierend, dass sie dafür, körperliche misshandelt worden zu sein, "nur" 1500€ Strafe zahlen mussten, die Beamten, die mindestens sehr unprofessionell handelten, jedoch ohne Konsequenzen davon kamen.

    Da steckt ein Fehler im System.

  • Polizisten, die ein Problem damit haben, bei der Arbeit gefilmt zu werden, sind für den Job nicht geeignet.

  • @Tomás Zerolo: Wenn Sie jetzt noch den Bogen erläutern könnten, den Sie von einer Fahrzeugkontrolle im Wedding zur Diktatur Belarus geschlagen haben...

  • Ist es denn jetzt nun falsch, dass die Beschuldigten auf einen am Boden liegenden Polizisten eingetreten haben?

    Hat die Beschuldigte der Polizistin ins Gesicht geschlagen oder nicht?

    Frau Mermania lässt das einfach so weg.

    Guter Journalismus sieht anders aus, als nur eine Seite zu Wort kommen zu lassen.

    • Susanne Memarnia , Autorin des Artikels, Redakteurin taz.Berlin
      @rero:

      Leider wurden viele offene Fragen wie die von Ihnen gestellten gar nicht behandelt, weil der Prozess in der 2. Hauptverhandlung nach der Aussage des einen Polizisten eingestellt wurde. Daraus kann man nur schließen, dass der Richter sich von weiteren Aussagen anderer PolizistInnen auch nicht mehr erwartet hat. Es stimmt, dass die Polizei in meinem Artikel nicht zu Wort kommt, ich hatte eine Stellungnahme angefragt, aber da der Pressesprecher nicht beim Prozess war, konnte/wollte er nichts dazu sagen. Es ist auch meistens so, dass die Polizei solche Prozesse nicht kommentiert.

      • @Susanne Memarnia:

        Wie Mustardmaster bereits schrieb, hätte das in den Artikel gehört.

        Dass die Polizei nicht mehr kommentiert, der der Fall bei Gericht ist, kann ich nachvollziehen.

        Was ist mit der Pressestelle der Generalstaatsanwaltschaft?

        Hätte die womöglich gesagt, ob die Vorwürfe fallengelassen worden sind?

      • @Susanne Memarnia:

        Was Sie hier auf Anfrage erwähnen ,hätte eigentlich auch gleich in den Artikel gehört.

  • 8G
    83191 (Profil gelöscht)

    Solche Streitfälle wären durch Körper-Kameras beweis- und belegbar.

    Ich hoffe hier bewegen wir uns in den nächsten Jahren auf den amerikanischen Zustand.

    • @83191 (Profil gelöscht):

      Seien sie sich da mal nicht so sicher. Diese Viedeoaufzeichnungen bei vollem Zugriffsrecht der Beamten kann sehr schnell gelöscht sein (aus versehen wie immer heißt). Auch der Umgang mit der Tatsache das die Polizist*Innen in diesem Fall gefilmt wurden, bestätigt dies. Das ist nur bedingt eine Lösung für unzureichend handelnde Staatsgewalt. Sinnvoller ist eine bessere Ausbildung, mehr Training und mehr Personal. Damit aus der staatlichen Exekutive wieder ein "Freund und Helfer" der Bürger unseres Staates werden kann.



      Das die Betroffenen nach diesem Vorfall nun vermutlich Ihr Leben lang Angst und Vorurteile gegenüber der Polizei haben werden ist verständlich und zeigt sich im Schlusssatz des Artikels. Das hätte alles so nicht sein müssen, wenn die beiden Polizisten mehr Verhaltenskompetenz gezeigt hätten.

      • 8G
        83191 (Profil gelöscht)
        @Sonnenhaus:

        Nichts ist absolut sicher. Aber die Statistiken in den USA zeigen eine positive Entwicklung durch die Einführung der Bodycams. Und auch Kanäle wie "Audit the Audit" zeigen das sehr sehr viele Fälle von Polizeiwillkür nachweisbar werden. Insbesondere wenn mehrere Beamte vor Ort sind ist eine "zufällige Löschung" mehrerer Ausschnitte schwer erklärbar. Da ist dann einfach die Fallhöhe deutlich höher und es lohnt sich nicht mehr zu manipulieren.

        Für die hier Betroffenen ist das natürlich keine Hilfe mehr.

  • @SKOLEBUS

    Vielleicht fühlen Sie sich ja in Belarus ganz wohlig...

  • Aus einer Einstellung des Verfahrens gegen Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 1.500 € macht ihr hier "Richter glaubt der Polizei nicht". Der Tipp "Demnächst bei einer simplen Kontrolle einfach Papiere zeigen und gut is" scheint mir sehr empfehlenswert zu sein. Dann kommen auch keine zwanzig Beamte als Verstärkung...

    • @Skolebuss:

      Meine Literaturempfehlung für Sie: "Der Untertan" von Heinrich Mann. Sehr lesenswert.

    • @Skolebuss:

      Liebe/r Skolebuss,

      1. Ihr Tipp ist sicher empfehlenswert. Das Problem bei dieser Polizeikontrolle war jedoch, dass zwei der Personen ihre Fotohandys gezückt haben. Manche Polizisten wollen das nicht haben. Und so kam dann eins zum anderen, bis alles schief lief.

      2. Im Text weiter unten ist der Absatz, in dem beschrieben wird, dass der Richter dem Polizisten nicht glaubte "deeskalierend" gehandelt zu haben. Darum gab es dann ein so relativ mildes Urteil.