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Größte Produzenten von EinwegplastikWenig Konzerne, viel Müll

20 Firmen produzieren mehr als die Hälfte des Plastikmülls weltweit, wie eine Studie zeigt. Platz eins belegt ein Ölkonzern aus den USA.

Plastikflaschen in Bolivien Foto: Juan Karita/ap

Berlin taz | Vom To-go-Becher über den Zigarettenfilter bis zur Slipeinlage: Fast die gesamte Produktpalette setzt an der einen oder anderen Stelle auf Plastik, das nicht wiederverwendet werden kann. Massen davon landen nicht etwa im Recyclinghof, sondern bestenfalls in der Müllverbrennungsanlage – und schlimmstenfalls im Wald, im Fluss oder im Meer.

Hinter dieser Müllkrise stecken weltweit gar nicht so viele Konzerne: 55 Prozent der Polymere, aus denen später Einwegplastik wird, werden weltweit von nur 20 Unternehmen hergestellt. Der Großteil wird auf Erdölbasis produziert, deshalb sind die großen Konzerne der fossilen Energiewirtschaft ganz vorn mit dabei.

Das zeigt eine neue Analyse, an der unter anderem die London School of Economics (LSE) und das Stockholm Environment Institute (SEI) beteiligt waren. Beauftragt wurden die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen von der australischen Minderoo-Stiftung.

US-Ölkonzern Exxon Mobil verursacht der Untersuchung zufolge mit 5,9 Millionen Tonnen den meisten Plastikmüll. Danach folgt US-Chemiekonzern Dow mit 5,5 Millionen Tonnen. Auf dem dritten Platz liegt Sinopec, ein chinesicher Öl- und Gaskonzern.

130 Millionen Tonnen

Den Au­to­r:in­nen zufolge ist es das erste Mal, dass die Finanz- und Materialströme der Einwegplastikproduktion weltweit kartiert und bis zur Quelle verfolgt wurden.

„Unsere Abhängigkeit von Öl und Gas treibt nicht nur den Klimawandel an, sondern sie zerstört auch unsere Ozeane, denn fossile Rohstoffe sind die Hauptmaterialien in der Herstellung von Wegwerfplastik“, sagte Sam Fankhauser, der für die LSE an der Analyse mitgearbeitet hat und Professor für Klimaökonomie und -politik an der Universität Oxford ist.

Die Studie bezieht sich auf 2019. Insgesamt hat es in dem Jahr demnach 130 Millionen Tonnen Müll aus Einwegplastik gegeben. Der Großteil davon wird weltweit nicht recycelt, sondern verbrannt, deponiert oder direkt in die Natur geschmissen. Letzteres treffe auf 19 Prozent der Gesamtmenge zu, also auf rund 25 Millionen Tonnen Einwegplastik.

Zu den Ver­ur­sa­che­r:in­nen von Plastikmüll gehören aber nicht nur die Her­stel­le­r:in­nen von Polymeren, sondern auch die Unternehmen, die daraus Wegwerfprodukte und -verpackungen machen. Wer auf diese Art am meisten zum Problem beiträgt, überprüft das Bündnis Break Free from Plastic, dem unter anderem Greenpeace angehört, seit 2018 jährlich. Die bislang letzte Erhebung veröffentlichten sie Ende 2020.

Die ersten drei Plätze belegen bisher jedes Mal Coca-Cola Company, PepsiCo und Nestlé. „Diese Unternehmen behaupten, die Plastikkrise anzugehen, investieren aber weiter in falsche Lösungen und arbeiten mit Ölkonzernen zusammen, um noch mehr Plastik zu produzieren“, sagte Abigail Aguilar von Greenpeace Südostasien.

„Um diese Entwicklung zu stoppen und die Klimakrise zu bekämpfen, müssen multinationale Unternehmen wie Coca Cola, PepsiCo und Nestlé ihre Abhängigkeit von Einwegverpackungen beenden und sich von fossilen Brennstoffen lossagen“, forderte sie.

In Deutschland wird nach Angaben des Bundesumweltministeriums weniger als die Hälfte der 3,2 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr recycelt. Das hat mehrere Gründe. Vor allem ist Recycling in Deutschland viel teurer, als Plastik aus dem aktuell billigen Erdöl neu herzustellen.

Die EU lässt ab dem 3. Juli den Verkauf einiger Produkte aus Einwegplastik verbieten, für die es gute Alternativen gibt, darunter Strohhalme und Wattestäbchen.

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8 Kommentare

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  • Warum nur haben die Menschen es nicht "von klein auf" gelernt, dass sie diese "Drecksverpackungen" boykottieren? Wenn es so wäre, dann kämen diese Konzerne gar nicht erst auf die Idee diesen "Sch...dreck" zu produzieren und zu nutzen.

    Das Schulsystem hat auch in diesem Punkt versagt!



    Darf eine Persönlichkeit, von der mensch annehmen muss, dass sie bei den Schülerinnen zum Boykott aufrufen würde, überhaupt Lehrer/in werden?

  • Die Aussage des Artikels ist hochgradig irreführend. Die 20 großen Firmen produzieren den Rohkunststoff, haben aber keinen Einfluss darauf, was daraus als Endprodukt gemacht wird. Ob es Einwegbecher oder über 50 Jahre genutzte Handgriffe werden, wissen sie nicht - das Material ist das gleiche. Ich bin mir sicher, BASF produziert keine einzige Plastiktüte selber.

    • 2G
      25968 (Profil gelöscht)
      @TheBox:

      Wenn jetzt der Rohkunstoff zu 100% kompostierbar wäre, würde es auch keine Probleme bereiten ...

  • Vielleicht sollten die Firmen, die den "Müll" produzieren, den direkt ins Recycling geben. Wäre dann auch Sortenrein.

    Vielleicht produzieren sie aber auch Rohmaterialien, die dann weiterverarbeitet werden, gekauft werden und nach dem Wegwerfen Müll sind.

    Das irgendwelche Firmen diese Materialien produzieren, war irgendwie anzunehmen.

    Trotzdem kann man Cola vermeiden.

  • So ganz aus der Verantwortung würde ich die Verbraucher nicht nehmen - sie sind es, die am Ende des Tages den Müll verursachen. Sie konsumieren größtenteils freiwillig das ganze Plastikzeug der Produzenten.

    • 2G
      25968 (Profil gelöscht)
      @gyakusou:

      Sorry, nur: Wenn der Kunststoff zu 100% kompostierbar wäre, hätte niemand ein Problem- also: Hersteller ...

    • @gyakusou:

      Verbraucher:innen können ja nur Produkte kaufen, die auch angeboten werden. Ich hab vor drei Jahren mal eine Woche Plastikfasten probiert, hab also versucht keine verpackten Produkte zu kaufen und bin damit gescheitert. Die Konsument:innen kann man nur in die Verantwortung nehmen, wenn die Produkte existieren und sie sie sich leisten können. Steuern kann man den Einsatz von Plastik v.a. auf der Produktionsseite.

      • @fredi:

        Aber auch das ist dann eher die Verantwortung der Produkthersteller - und nicht der Produzenten des Ausgangsmaterials.