Nach Angriff auf Rechte in Stuttgart: Zwei Antifas vor Gericht
In Stuttgart sollen Mitglieder einer rechten Gewerkschaft von Linken überfallen und verprügelt worden sein. Zwei Männer stehen dafür nun vor Gericht.
Eine Gruppe aus der linken Szene soll die drei Rechten damals gezielt angegriffen haben. Joel P. und Daiyas A. werden von der Staatsanwaltschaft des versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung beschuldigt. Einer von ihnen wird nach Jugendstrafrecht behandelt. Die Vorwürfe lassen die beiden über ihre Verteidiger pauschal als unwahr zurückweisen. Sonst schweigen sie.
Deshalb bekam die Darstellung der Opfer am ersten Prozesstag breiten Raum. Ingo T., 47-jähriger Anlagenbediener, schilderte, wie er an jenem Samstag mit mehreren Kollegen der rechten Gewerkschaft „Zentrum Automobil“ auf dem Weg zur Kundgebung auf dem Cannstatter Wasen angegriffen wurde.
Er habe noch eine vermummte Gruppe von 20 bis 40 Leuten auf der anderen Straßenseite wahrgenommen, berichtet er, bevor diese ihn und Andreas Z. offenbar erkannten. Zwei der Vermummten hätten ihn verfolgt und mit Pfefferspray und Schlägen malträtiert. Schlimmer erwischt hat es Andreas Z.: Der 64-Jährige wurde laut Anklageschrift noch am Boden liegend von mehreren Männern, darunter der jüngere Angeklagte, getreten und geschlagen, lag wochenlang im Krankenhaus. Er leidet noch heute unter Wortfindungsstörungen.
Ex-Neonazi kam an Ermittlungsakten
Ingo T., der als nachrückender Betriebsrat für „Zentrum Automobil“ bei Daimler fungiert, beschuldigte auf Nachfrage des Gerichts die IG Metall, Informationen über ihn und seine Begleiter an Antifas gegeben zu haben. Von denen seien einige ja auch „links angehaucht“: „Und woher sonst sollte die Antifa mich sonst gekannt haben?“
T. ist mit Glatze und blauem Batikshirt mit Wolfsmotiv vor Gericht erschienen. Er bezeichnet sich als weder „rechts noch gewaltbereit“. Mit ihm könne jeder immer reden, sagt er. An diesem ersten Prozesstag kommen jedoch auch Zweifel auf, ob die Opfer dieses fraglos brutalen Angriffs selbst ganz so arglos sind, wie sie sich geben.
So weist etwa ein am Tatort gefundener Schlagring ausschließlich DNA des attackierten Z. auf. Zudem trug er Protektoren unter seiner militärisch anmutenden Camouflage-Kleidung. Möglicherweise verhinderten diese schlimmere Verletzungen.
Der Prozess wirft ein Schlaglicht auf eine gewaltbereite Linke und ihre Auseinandersetzung mit der vom früheren Neonazi Oliver Hilburger gegründeten Gewerkschaft. Hilburger hatte nach dem Angriff offenbar aus Polizeikreisen Ermittlungsakten zugespielt bekommen und in sozialen Medien eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt.
Auf der linken Plattform Indymedia wurde nach der Tat eine Erklärung veröffentlicht, die den Einsatz von Gewalt gegen Rechtsextreme kühl als „notwendig“, wenn auch zum jetzigen Zeitpunkt nicht als taktisch klug rechtfertigte. Ob den beiden Angeklagten eine Tatbeteiligung auch ohne Aussage nachzuweisen ist, wird der Prozess zeigen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Müntefering und die K-Frage bei der SPD
Pistorius statt Scholz!
Kampf gegen die Klimakrise
Eine Hoffnung, die nicht glitzert
Altersgrenze für Führerschein
Testosteron und PS
Angeblich zu „woke“ Videospiele
Gamer:innen gegen Gendergaga
Haldenwang über Wechsel in die Politik
„Ich habe mir nichts vorzuwerfen“
Rentner beleidigt Habeck
Beleidigung hat Grenzen