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So­zio­lo­g*in über Geschlechtervielfalt„Die Regel ist diskriminierend“

Karolin Heckemeyer unterstützt die Läuferin Caster Semenya: Der Sport müsse sich von tradierten Vorstellungen lösen, fordert die Sportsoziolog*in.

„Sie ist eine Kämpferin“: Caster Semenya aus Südafrika 2017 bei einem 600-Meter-Lauf in Berlin Foto: Hendrik Schmidt/dpa

taz: Karolin Heckemeyer, wie beurteilen Sie die Entscheidung von Caster Semenya, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen, um dort gegen den Ausschluss von Athletinnen mit natürlich hohen Testosteronwerten von Wettkämpfen zu klagen?


Karolin Heckemeyer: Es ist ein konsequenter Schritt, denn die einzige Alternative wäre, dass Caster Semenya das Urteil des Sportgerichtshofs CAS einfach hinnimmt. Aber sie ist eine Kämpferin, die im Sport weiter aktiv sein will. Außerdem ist es aus meiner Perspektive wichtig, zu signalisieren, dass der Sport kein von anderen gesellschaftlichen Kontexten losgelöstes System ist. Auch Sportorganisationen sind den Menschenrechten verpflichtet.

Warum hat der Sport viel größere Probleme, geschlechtliche Vielfalt zu akzeptieren als andere gesellschaftliche Bereiche?

Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt stellt die Grundstruktur des Sports, also die als selbstverständlich geltende Geschlechtertrennung und die damit verbundenen Männlichkeits- und Weiblichkeitsvorstellungen, in Frage. Interessant ist auch, dass Sportorganisa­tionen die strikte Trennung in Männer- und Frauenwettbewerbe damit be­gründen, dass nur so faire Wettkämpfe – insbesondere für Frauen – möglich seien.

Allerdings ist Chancengleichheit im Sport grundsätzlich eine Illusion, und das Festhalten an der Leistungsklasse Geschlecht reproduziert die Vorstellung von zwei natürlichen Geschlechtern sowie die Vorstellung, dass Männer Frauen per se im Sport überlegen sind.

Die Testosteron-Regel will Chancengleichheit wahren, schließt aber Frauen aus. Das ist doch gerade benachteiligend.

Genau. Die Testosteron-Regel ist diskriminierend. Punkt. Schon allein die Annahme, dass Testosteron ein „männliches“ Hormon ist, ist falsch – Testosteron kommt bei beiden Geschlechtern vor. Durch diese Setzung entsteht aber überhaupt erst die Möglichkeit der Diskriminierung gegen Frauen mit natürlich erhöhtem Testosteron.

Sie haben die Machtdimension angesprochen. Es fällt auf, dass ­besonders schwarze Frauen aus dem globalen Süden von dieser Regel betroffen sind. Woran liegt das?

Grundsätzlich müssen wir verstehen, dass unsere Vorstellungen von Geschlecht nicht jenseits von „race“ und nicht jenseits kolonialer Geschichte zu denken sind. Die Kategorie Geschlecht ist unmittelbar mit einem weißen, bürgerlichen Weiblichkeits- und Männlichkeitsideal verknüpft. Schwarze Körper gelten diesem kolonialen Ver­ständnis zufolge als geschlechtlos und als nicht-menschlich.

Im Kontext des Sports zeigt sich das zum Beispiel in Bildern von hyperathletischen Schwarzen Körpern. Zugleich wird Schwarzen Athletinnen immer wieder ihr Frausein abgesprochen, ihr Geschlecht wird in Frage gestellt. Eben dieses koloniale Muster zeigt sich auch in der Praxis der Geschlechterverifika­tionsverfahren. Dort argumentiert World Athletics zudem, dass Sportverbände in Ländern des globalen Südens nicht in der Lage wären, mit „Geschlechterproblematiken“ umzugehen.

Wie muss der Sport vorgehen?

Zum einen ist es die Aufgabe der Sportorganisationen, sich mit dem Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt aktiv auseinanderzusetzen. Der DOSB (Deutscher Olympischer Sport-Bund; d. Red.) macht da erste wichtige Schritte. Es geht darum, die eigenen Strukturen kritisch zu hinterfragen – mit Blick auf Geschlechtervorstellungen, aber auch mit Blick auf die Verwobenheit von rassistischen und geschlechterexkludierenden Strukturen.

Zum anderen sind alle Personen angesprochen, die mit Sport in Berührung kommen – nicht nur im Leistungssport, sondern auch im Breitensport. Es ist wichtig, nicht erst zu handeln, wenn eine Person, die sich als non-binär oder als trans* oder inter* versteht, sagt: „Hallo, ich würde gerne mitspielen“, sondern darum, zuvor für Akzeptanz zu sorgen.

Was wünschen Sie sich konkret in Bezug auf die Testosteron-Regel?

Mein Wunsch wäre, dass Sportverbände und Vereine sich dafür einsetzen, dass diese Testosteron-Regel abgeschafft wird, und sie sich dagegen wehren, diese Regel anzuwenden. Wir müssen Verständnis schaffen, und wir müssen dafür sorgen, dass sich Menschen zum und im Sport eingeladen fühlen, die in die binäre Geschlechterkonstruktion, wie wir sie kennen, nicht so ganz passen.

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35 Kommentare

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  • „das Festhalten an der Leistungsklasse Geschlecht reproduziert die Vorstellung von zwei natürlichen Geschlechtern sowie die Vorstellung, dass Männer Frauen per se im Sport überlegen sind“

    Der Vorteil an Sport im Vergleich zur Politik oder Ideologien ist, dass wir dort sehr präzise Messungen vornehmen. Diese Messungen lassen sich nicht durch Aktivismus oder „Shitstorms“ im Internet beeinflussen.

    Man kann sehen wie weit Männer beziehungsweise Frauen springen, laufen, Kugelstoßen, wie erfolgreich sie im Schach sind und so weiter.

    Diese Messungen zeigen statistisch absolut eindeutig dass Männer im Vorteil sind.

    Das ist ein Faktum welches naturwissenschaftlich ist sorry, man kann es nicht weg diskutieren…

  • Schaffen wir dann die Frauenquote im Sport ab? Oder doch nicht?

  • Frauen mit natürlich erhöhtem Testosteron = Männer?

    Wem nutzt eigentlich die ganze Debatte? Vermutlich dann doch nur den (ehemaligen) Männern ...

    • @TazTiz:

      Sie ist keine Trans Frau, sondern wurde mit weiblichem Geschlecht geboren, hat aber auch ein Y Chromosom. Auf gut Deutsch heist das Wort Zwitter/Hermaphroditismus.

  • Die feministische Biologin Meike Stoverock sagte demgegenüber gestern in der TAZ:

    "Wenn die Chromosomen auf ein Geschlecht hindeuten, die Hormone aber auf ein anderes – was will man da als biologisches Geschlecht benennen? Bei beidem handelt es sich um physische Faktoren, die deutlich messbar und nachweisbar sind."

  • Ich empfehle mal den Blick auf Youtube zu richten und sich das in der Praxis anzuschauen wie es aussieht und wo das hinführt z.B. USA, GB oder Australien. Da pflügt die 2m 110 KG schwere "Frau" im Körper eines Mannes (ohne Geschlechtsanpassende Operation mit vollem männlichen Testostoronspiegel) im Handball durch die Gegnerinnen, da brechen Durchschnittstypen kurz die Rekorde im Frauengewichtheben oder im Wrestling den Schädel der Gegnerin (kein Witz). Wenn dafür keine Lösung gefunden wird sieht es für den klassischen Frauensport düster aus.

    • @echobravo:

      Diese Ungerechtigkeit könnte dann ja durch schwächende Hormongaben bei der stärkeren Fraktion ausgeglichen werden. :-)

      • 8G
        85198 (Profil gelöscht)
        @Rudolf Fissner:

        Bei einer Trans-Frau, die Östrogene einnimmt, würde sich das Problem jedenfalls nicht in diesem Maße stellen. Für eine Öffnung bin ich schon, ganz ohne Biologie geht es dann aber wohl doch nicht. Die Idee, dass eine Trans-Frau, die keine Hormone nimmt, bei den Frauen antreten muss und nicht bei den Männern, ist doch auch nicht weniger Heteronormativ, nur wird da das soziale Geschlecht als Bezugspunkt genommen.



        Wenn man Leistungsklassen nach anderen Kriterien aufstellen kann, dann wäre das besser. Warum nicht einen Boxer im Weltergewicht gegen eine Boxerin im Halbschwergewicht antreten lassen, dann kann sie 6kg mehr Muskelmasse auf die Waage bringen?

      • @Rudolf Fissner:

        Sie haben vergessen Ihren Beitrag als Ironie zu kennzeichnen.

        • @MaxMustermannXY:

          Hä? Brille verlegt? Machter doch mal was richtig :-) richtig;-) Wird’s doch glatt übersehen. Ach herm. Auch nicht nett - 🎏 -

  • Heckemeyer vertritt die Auffassung, "Leistungsdifferenzen zwischen den Geschlechtern" seien nicht "vorsoziale und dem Sport vorgängige Differenzen," sondern "vielmehr Resultat geschlechterkonstituierender Strukturen". Was ich bei ihr allerdings nicht finde, ist ein Vorschlag, wie fairer und vergleichbarer Sport denn möglich sein soll, wenn die Mann-Frau-Kategorie im Sport aufgegeben wird.

    • @Skolebuss:

      Vielleicht sollte man mal fragen, ob gezielt "progressive" Soziologie wirklich eine geeignete Disziplin ist, um Leistungssport zu erklären und/oder zu gestalten. Ich sehe da strukturelle Gegensätze in der Zielsetzung...

      • 0G
        04105 (Profil gelöscht)
        @Normalo:

        Ich hatte mich schon gewundert, wo die an derartigen Stellen inflationär benutzten Begrifflichkeiten "Expert*in", "...foscht zu.." oder auch nur "wissenschaftlich" wohl abgeblieben sein sollten.



        Dann habe ich den Lebenslauf der Interviewten nachgelesen (gender-glossar.de/karolin-heckemeyer) Wissenschaftlich sehr überschaubar verkauft sie in dem Interview ihre Minderheitsmeinung als Realität. So kann man der Sache - die durchaus bedenkenswert ist - auch schaden.

        • @04105 (Profil gelöscht):

          So viel aus den populären (Männer wie Frauen gleichermaßen offenstehenden) Disziplinen "Googlen statt Forschen" und "Diskreditieren statt Argumentieren".



          Karolin Heckemeyer weist eine Vita sowie eine Publikationsliste vor, die ihrem Alter und ihrer Position angemessen sind. Was soll das also?

  • Frau Heckemeyer bleibt schuldig, welche Anwort sie den viel zahgreicheren weiblichen Sportlern gegen will, die nicht über so außergewöhnlich hohe Teststeronwerte verfügen, aber auch mit Talent und Fleiß Großartiges vollbringen. Was bedeutet es für diese, wenn sie sich zukünftig mehr oder minder durchgängig hinter Semenya & Co. einordnen dürfen?

    Den Anspruch, eine faire Abgrenzung vorzunehmen, dass das eh eine Illusion sei, ist zu schwach. Die logische Konsequenz wäre, keine designierten Frauenwettbewerbe mehr zu veranstalten, sondern alle Menschen in einer offenen Klasse starten zu lassen.

    Das würde nur dazu führen, dass Frauen (einschließlich Caster Semenya) von der Weltspitze zu weit entfernt wären, um noch im Spitzensport eine Rolle zu spielen. Denn sorry, liebe Soziologen, das ist keine "Vorstellung", das ist Tatsache: Natürlich können Frauen mit Männern sportlich konkurrieren, aber in den meisten Sportarten nicht mit den jeweils besten. Und ja, das ist auch biologisch erklärbar, und Testosteron spielt dabei die mit Abstand größte Rolle.

    Es ist ja nicht falsch, dass die Schaffung von Leistungsklassen nach Geschlecht ein Stückweit gewillkürt ist (eben um zu verhindern, dass die Männer Alles dominieren). Aber wenn man sie schon vornimmt, dann sollte das auch zielgruppengerecht erfolgen und nicht per se den Großteil der Frauen wieder mit einem testosteronbedingten Nachteil starten lassen.

    • @Normalo:

      Welche Antwort würden Sie denn einem männlichen Radsportler geben, dessen biologische Disposition eben kein Lungenvolumen eines Jan Ullrich von 6 Litern nochwas vorsieht? Unterschiedliche Leistungsklassen für die Tour de France?



      Als Jugendlicher habe ich Jahre ernsthaft trainiert, hätte am Ende aber trotzdem gegen weibliche Rad-Profis keine Chance gehabt. Die Varianz schert sich eben wenig um Geschlechtergrenzen.



      Dass sportliche Wettkämpfe vorrangig Talent und Fleiß messen könnten und nicht doch eben hauptsächlich die Vorteile einer bestimmten biologischen Veranlagung ist ein schöner Traum. Läuft aber Herakles (oder auch Brünhilden) ins Stadion ein, kann Mann (oder auch Frau), wenn er (oder auch sie) wach und bei klarem Verstand ist, einfach nur noch das Weite suchen.

      • @mats:

        Haben Sie es je unfair gefunden, dass die Frauen ihre eigenen Wettbewerbe hatten?

        Natürlich könnte man für Alles und Jedes eine eigene Leistungsklasse aufmachen, aber das wäre wahrscheinlich fürs Zuschauerintersse eine Totgeburt. Aber der Unterschied im Testosteronspiegel (bzw. die ganzen körperlichen Unterschiede, die er bei Männern und Frauen verursacht) macht schon einen gewaltigen Unterschied aus. Im Vergleich sind andere genetische Unterschiede zwar auch wichtig aber weniger entscheidend. Und es bleibt eben dabei, dass auf jede Frau, die mit ihrem Maß an Disposition, Talent und Trainingseifer ein bestimmtes Leistungsniveau erreichen kann, viel mehr Männer kommen, die das bei entsprechenden Voraussetzungen auch schaffen - egal auf welchem Niveau. Wieviele Männer gibt es zu jedem gegebenen Zeitpunkt die 100m in unter 10,5 Sekunden sprinten? Es gab in der ganzen Sportgeschichte genau eine Frau, die das geschafft hat, und das wohl auf Kosten eines sehr frühen Todes.

        Also was tun?

        • @Normalo:

          "Im Vergleich sind andere genetische Unterschiede zwar auch wichtig aber weniger entscheidend."



          Dieses Urteil erscheint mir als reine Willkür. Worauf wollen Sie das empirisch stützen? Wieviel mehr Männer gibt es, die 100 m nicht in unter 10,5 s laufen, als Männer, die es können? Und wieviele Männer gibt es, die die 100 m nicht unter 11,5 s laufen - was für die weltbesten weiblichen Läuferinnen ein Klacks ist? Sie verengen den Blick auf die Geschlechtergruppen, indem Sie ausschließlich auf Unterschiede verweisen, die zwischen winzig kleine Untergruppen von Männern und Frauen bestehen. Nur so kommen Sie zu den Urteil, es würde sich dabei um "gewaltige Unterschiede" handeln. Dabei blenden Sie aus, dass diese Unterschiede minimal sind verglichen mit den Varianzen innerhalb der gesamten Geschlechtergruppen.



          Mein Punkt ist, dass nicht Frauen mit zu hohem Testosteronspiegel den Widerspruch in den Sport bringen, sondern dass dieser Widerspruch im Messen und Vergleichen körperlicher Leistung dem Leistungs(!)sport inhärent ist. Durch Frauen wie Semenya wird er schlichtweg eklatant.



          Dass Sport "fair" sein könne, indem er auf Talent und Fleiß gegründete Leistung messe, ist ein redlicher Wunsch, der nicht erfüllbar ist. Er entspricht übrigens durchaus der kapitalistischen Vorstellung einer Leistungsgesellschaft, in der der Tüchtige und Talentierte erreichen kann, was er möchte, wenn er sich bloß genug anstrengt. Was man nicht so gerne hört ist, dass die Leistungsgesellschaft die Menschen gnadenlos nach ihren "Gaben" (Herkunft, Veranlagung, Charakter, Körper etc.) sortiert.



          Was ist also fair? Fair wäre, wenn der kleine dicke Junge aus einer "sportfernen" Familie für seine für ihn sehr gute Leistung beim 100m-Lauf ebenso große Anerkenung bekäme, wie der extrem Begabte für seinen Landesrekord.

          • @mats:

            Ich lese aus ihrem Beitrag heraus sie würden es geranerkennem wenn sich jemand „anstrengent“ auch wenn er mit schlechteren Voraussetzungen startet.

            Sie sollten dabei aber bedenken dass auch die „KopfNoten“ (Fleiß, Ordnung, Ausdauer etc.) uns nur durch eine, zufällige, Kombination aus Erziehung und genetischer Disposition gegeben werden.

          • @mats:

            Ich habe die Spitzenwerte nur beispielhaft genommen. Der leistungsklassenübergreifende Befund (der sich erst auf unterdurchschnittlichem Leistungsniveau wieder allmählich nivelliert) lautet abstrakter: Auf jede eine(!) Frau, die Leistungsstand x oder höher schafft, kommen mehrere, möglicherweise tausende Männer, die diesen Leistungsstand auch schaffen oder übertreffen. Also wo auch immer man die Latte anlegt, die Frauen sind stark in der Unterzahl, und ganz an der Spitze eben gar nicht mehr vertreten.

            Im Leistungssport zählt auch nicht, ob man besser ist als 7,8 oder nur 7,79998 Milliarden Menschen, sondern ob es vielleicht 20 gibt oder doch eher 20.000, die einen schlagen können. Insofern wundert mich, dass Ihnen das so wichtig ist.

            Zum Thema "Fairness" nochmal die Frage: Haben Sie es je unfair gefunden, dass die Frauen ihre eigenen Wettbewerbe hatten?

            • @Normalo:

              Auf jede beinahe jede Frau, die Leistungsstand x oder höher schafft, kommen auch mehrere, möglicherweise tausende Männer, die diesen Leistungsstand nicht schaffen oder unterbieten. Und auf beinahe jeden Mann, der Leistungsstand x oder höher schafft, kommen auch mehrere, möglicherweise tausende Frauen, die diesen Leistungsstand auch schaffen oder übertreffen. Die Effekte kommen nur in den Extremen sowie im Mittel vor, nicht zwischen Individuen.

              "Haben Sie es je unfair gefunden, dass die Frauen ihre eigenen Wettbewerbe hatten?"



              Ich habe niemals daran geglaubt, dass diese Regel oder eine andere allein Fairness herzustellen vermag. Es reicht nicht aus. Fairer Sport = Wolkenkuckucksheim.

              • @mats:

                "Und auf beinahe jeden Mann, der Leistungsstand x oder höher schafft, kommen auch mehrere, möglicherweise tausende Frauen, die diesen Leistungsstand auch schaffen oder übertreffen."

                Eben nicht. Ich hätte vielleicht das Wort "zahlenmäßig" ergänzen sollen, aber ich dachte, was ich sagen will, würde eigentlich durch den folgenden Satz klar. Also nochmal so: Die Anzahl der Männer, die einen bestimmten Leistungsstand schafft oder übertrifft, ist - zumindest im überdurchschnittlichen Bereich - immer größer als die entsprechende Anzahl Frauen. Und je weiter man im Leistungsspektrum nach oben geht, desto größer wird das Missverhältnis - bis zu dem Punkt, an dem es überhaupt nur noch Männer gibt, die die entsprechenden Leistungen erbringen können. Der komplette Frauen-Endlauf der Olympischen Spiele würde ohne den Schutz der Leistungsklasse "Frauen" im Zweifel nicht mal an nationalen Meisterschaften teilnehmen können, das Damenfussball-Weltmeisterteam tut sich schwer gegen die männliche C-Jugend eines Bundesligisten etc..

                Und nochmal: Für die Chancen im Leistungssport zählt nicht, wieviele Menschen schlechter sind als man selbst, sondern wieviele gleich gut oder besser sind. Auch wenn das nur ein winziger Bruchteil der Weltbevölkerung ist, kann das schon das Aus für alle wichtigen Wettbewerbe bedeuten. Denn deren Teilnahme-Slots sind halt ABSOLUT begrenzt - und nicht relativ zur Anzahl der Leute, die schwächer sind.

                Zum Thema Fairness: Leider haben sie meine Frage immer noch nicht beantwortet, außer vielleicht in der Richtung, dass Sie ALLES unfair finden. Vielleicht ist dann Ihre Vorstellung von Fairness überzogen. MEIN Anspruch zumindest wäre, dass es sich dabei um ein Konzept handelt, dass in der realen Welt auch umsetzbar ist. Will sagen: 15 Leistungsklassen pro Sportart oder irgendein persönliches Handicap-Konzept wären vielleicht (noch) fairer als die binäre Aufteilung in Männer- und Frauensport, aber auch nicht perfekt, UND das würde niemand mehr anschauen.

  • 9G
    97760 (Profil gelöscht)

    Es Bedarf sehr vieler Einstufungen, um allen gerecht zu werden. Die 10% fittesten Frauen eines Jahrgangs sind wahrscheinlich sportlicher als die 10% unsportlichsten Männer des gleichen Geburtsjahres.

  • Ich hoffe, die bisherigen Kommentare hier sind ironisch gemeint. Leistungsunterschiede zwischen Männern und Frauen im Sport sind eklatant, offensichtlich und nicht wegzudiskutieren. Wer's nicht glauben mag, möge bitte die jeweiligen Rekordlisten im Sprint, Sprung, Wurf etc. studieren. Die Forderung nach Unisexbewerben würde im Klartext bedeuten, dass Frauen in allen körpersportlichen Disziplinen, Judo, Boxen, Leichtathletik, Laufen, Handball, Fußball, Hockey etc. nicht mehr spitzenwettbewerbsfähig wären. Das gälte übrigens auch für Kaster Semenya, in einem Laufwettbewerb mit Männern wäre sie nicht konkurrenzfähig. Deshalb will sie ja unbedingt bei den Frauen starten. Eine Abschaffung von Geschlechtertrennung im Sport fordert sie gerade nicht. Wenn die Foristen hier keinen Hochleistungsfrauensport mehr wollen, sollen sie es bitte auch sagen.

    • @Skolebuss:

      Wir wollen keinen Hochleistungsfauensport mehr sehen sondern nur noch diskriminierungsfreien Hochleistungssport. Die bisherigen schwächeren Leistungen von Frauen im Sport sind doch sowieso nur ein Ergebnis struktureller Diskriminierung und würden bei gleichberechtigter Beteiligung schnell verschwinden. Wer Spuren von Ironie findet, möge sie für sich behalten.

    • @Skolebuss:

      Die "Abschaffung des Frauenhochleistungssports" wäre doch nur eine Folge der Argumente der interviewten Soziologin.

      Wenn man diese Abschaffung nicht möchte, dann braucht es halt konkret messbare Grenzwerte.

      • @DiMa:

        Doch nicht in der Soziologie, lieber Dima! Messbarkeit ist biologistisches Teufelszeug (überhaupt: was machen die da immer für eklige sozialdarvinistische Experimente mit ihren diskriminierenden Stoppuhren und Medaillen...)! Wichtig ist, dass die Identität gewürdigt bleibt - und die ist halt richtigerweise subjektiv...

        /Satire

        • @Normalo:

          Stimmt. Ich hab den soziologisch richtigen Ansatz verkannt.

          Eine wirklich progressive Soziologin müsste uns eigentlich einreden, dass etwaige geschlechtsspezifische Unterschiede im Leistungssport nur darauf zurück zu führen sind, dass schlichtweg den falschen Sportarten nachgegangen wird. Diese Sportarten wären dann wohl per se diskriminierend, da diese auf körperliche Leistung ausgelegt sind und Männer daher dominieren.

          Die einzigen zulässigen olympischen Disziplinen sind dann zukünftig Reiten, Bogenschießen, Dart und Schach. Dann könnte auch niemand mehr von einer Abschaffung des Hochleistungsfrauensports sprechen.

          Danke für den Hinweis.

          • @DiMa:

            Synchron-Schwimmen

            • @R R:

              & Stil-Rudern - 🤫 -

              unterm—— entre nous ——



              Was - naturellement - dann für Frauen als besonders diskriminierend angesehen wurde - 😱 -

  • "...das Festhalten an der Leistungsklasse Geschlecht reproduziert ... die Vorstellung, dass Männer Frauen per se im Sport überlegen sind."



    Ist das nicht tatsächlich so? Natürlich gibt es da himmelweite Unterschiede, aber im Schnitt ist der männliche Körper doch deutlich kräftiger.

    "Es fällt auf, dass ­besonders schwarze Frauen aus dem globalen Süden von dieser Regel betroffen sind. Woran liegt das?"



    Hier wäre zur Einordnung eine Untersuchung sicherlich hilfreich, ob womöglich in den angesprochenen Gegenden mehr Testosteron in den Körpern zu finden ist als anderswo. Schade, dass das komplett ignoriert wird.



    Stattdessen gelten "schwarze Körper" als geschlechtslos - wie bitte? Wo kommt das denn her?

  • Früher waren von diesem Vorwurf wenn ich mich recht erinnere fast immer nur osteuropäische Athletinnen betroffen. Stichwort Kratochvilova & Co die Älteren werden sich vielleicht noch erinnern. Die Lösung ist eigentlich relativ simpel. Wir schaffen einfach die Frauenwettbewerbe komplett ab und endlich hat die Gerechtigkeit Einzug gehalten.

  • "Der Sport müsse sich von tradierten Vorstellungen über Geschlechter lösen, fordert sie." Das ist doch endlich mal ein progressiver Ansatz.

    Zukünftig sollten alle Sportarten nur noch unisex ausgetragen werden (einschließlich Skispringen). "Geschlechterproblematiken" im Sport sind dann Geschichte.

  • Die Autorin hat sich tief mit allen Aspekten dieser Frage auseinandergesetzt, das richtige Vorgehen scheint glasklar auf dem Tisch zu liegen. Trotzdem noch ein paar Gedanken von mir:

    Legt das nicht nahe, dass getrennte Frauenwettbewerbe generell ein Irrweg sind und waren? Ich habe z.B. von Natur aus keine hohe Schnellkraft und könnte nie einen Sprintwettbewerb gewinnen. Darf ich deswegen fordern, dass für meinesgleichen eine eigene Wettkampfklasse eingeführt wird?

    Ich frage mich auch, ob es wirklich der richtige Schritt wäre, dass die Sportverbände ihre Strukturen selbst kritisch hinterfragen. Ist nicht klar zu sehen, dass sie nur mit Druck von außen dazu fähig sind, weil sie die Punkte gar nicht sehen. Was wir bräuchten wäre doch im Sport und sonst, dass die Verbände etc. sich nach dem richten müssen, was gesellschaftlich anerkannte Personen und Gruppen zu Diskriminierung und Gleichstellung sagen. Ist der unerträgliche Punkt nicht gerade, dass jeder meint mitreden zu dürfen?

    Ein Punkt, der mich noch nachdenklich stimmt: obwohl hinter dem Artikel soviele Gedanken stehen, die soweit über das hinausgehen, was wir Normalbürger im blinden Trott als selbstverständlich annehmen, scheint es mir doch so, dass ich mit dieser Art von Argumentation, die sich ganz auf die positiven Argumente und Beispiele für ein Ziel konzentriert, ich eigentlich fast alles begründen und fast alles abschießen kann.

  • Die Story ist dann doch etwas anders gelagert. Semenya kann in der offenen Klasse antreten, wie jeder Mensch auf dieser Welt. Da hätte Semenya aber keine Chance. Also will Semenya in der geschützten Klasse antreten, das Kriterium für eine Teilnahmeerlaubnis an dieser Klasse ist ein bestimmter Testosteronwert. Semenya möchte aber nicht den eigenen Wert auf den verlangten Wert senken, also darf Semenya da auch nicht mitmachen.



    Ich finde die Konzentration auf den Testosteronwert auch etwas zu einseitig, jedoch hoffe ich es ist nur ein erster Schritt um ein komplexes Regelwerk zu erschaffen, welches die geschützte Klasse sinnvoll abgrenzt.