Reisen zu Ostern: Ferienfahrt ins Krankenhaus
Rasant steigende Zahlen von Neuinfektionen, die Intensivstationen füllen sich wieder. Jetzt in den Urlaub zu fahren, ist unverantwortlich.
W as ist dagegen einzuwenden, wenn Familien, Paare oder Einzelne zu Ostern in einer abgelegenen Ferienwohnung nächtigen, ausgedehnte Waldspaziergänge unternehmen und unterwegs in einem Biergarten einkehren, in dem nur jeder vierte Tisch belegt ist? Unter Coronagesichtspunkten: nichts. Nur ist es allerdings nicht zu erwarten ist, dass Millionen Bundesbürger über Ostern nur durch den Wald laufen. Sie werden Freunde und Verwandte treffen wollen.
Sie werden vor dem Biergarten in Grüppchen zusammenstehen. Sie werden die Bewohner der benachbarten Ferienwohnung einladen, einkaufen gehen, Eis essen, ihren Wagen auftanken, den Bus oder Zug nehmen … Deshalb ist der Wunsch nach einem Osterurlaub zwar verständlich, aber doch eine schlechte Idee. Merkwürdig ist dabei nicht das Verlangen nach Abwechslung und Entspannung nach Monaten des gefühlten Hausarrests. Ebenso verständlich ist es, dass die Gastronomie wieder ihre Türen aufsperren möchte.
Merkwürdig ist einzig, dass es verantwortliche Politiker gibt, die ernsthaft darüber nachdenken, diesem Begehren nachzugeben, nur weil gerade ein christliches Fest bevorsteht und Reisen nach Mallorca nicht länger unmöglich sind. Denn die Infektionszahlen sinken nicht, sie steigen, und zwar massiv. Die Belegung von Intensivbetten geht nicht länger zurück, sie erhöht sich. Einzig die Zahl der Covid-Toten ist in jüngster Zeit gesunken, weil viele der ganz Alten mittlerweile geimpft sind.
Aber das kann sich ganz schnell wieder drehen, denn wer 60 oder 65 Jahre alt ist, hat noch kein Impfzentrum von innen gesehen. Deshalb ist es nicht das Problem, dass die Biergärten in Deutschland geschlossen sind, sondern dass die Hotels auf Mallorca geöffnet haben. In einer solchen Situation die Pandemie auch noch mutwillig zu beschleunigen gleicht dem Versuch, ein Feuer mit Benzin löschen zu wollen, weil es so ein wenig wärmer wird. Das funktioniert garantiert, nur ist das Haus anschließend abgebrannt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grundsatzpapier von Christian Lindner
Eine gefährliche Attacke
Nach Diphtherie-Fall in Berlin
Das Problem der „Anthroposophischen Medizin“
Felix Banaszak über das Linkssein
„Für solche plumpen Spiele fehlt mir die Langeweile“
Geschlechtsidentität im Gesetz
Esoterische Vorstellung
Jüdische Wähler in den USA
Zwischen Pech und Kamala
Alkoholpreise in Deutschland
Das Geschäft mit dem Tod