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Die CSU im KorruptionssumpfSein Platz ist in Bayern – oder?

Dominik Baur
Kommentar von Dominik Baur

Die Rückkehr der Amigos bringt die CSU schwer in Bedrängnis. Parteichef Markus Söder in der K-Frage der Union abzuschreiben, wäre dennoch verfrüht.

Musste zuletzt einige Federn lassen: Markus Söder in der K-Frage abzuschreiben wäre dennoch verfrüht Foto: Sven Hoppe/dpa

E igentlich ist de Sache ja denkbar einfach: Markus Söder und seine CSU haben es versemmelt. Die Partei versinkt im Korruptionsmorast, innerhalb von zwei Wochen hat die Landesgruppe deshalb zwei Abgeordnete verloren; und mit den Ermittlungen gegen den Landtagsabgeordneten Alfred Sauter ist nun auch das Innerste der Partei getroffen worden, die Herzkammer, wie sich die Fraktion gern bezeichnet. Sauter war kein Hinterbänkler, sondern vernetzt und nicht ohne Einfluss.

Der Verdacht liegt nahe: Hier konnten sich Amigo-Strukturen halten – sei es unter den Augen der Parteiführung oder aber weil diese gerade besonders konzentriert wegsah. Und diese Parteiführung hat einen Namen: Markus Söder.

Dazu kommt: Den Nimbus des erfolgreichen Krisenmanagers, der uns, so sicher es eben ging, durch das Seuchenjahr geführt hat, hat der CSU-Chef längst eingebüßt. Spätestens die Entscheidung, entgegen allen früheren Bekundungen und wider besseres Wissen bei massiv steigenden Infektionszahlen Geschäfte, Schulen und Museen zu öffnen und die Menschen in das schlittern zu lassen, was er nun vermeintlich witzig als drohende „Dauerwelle“ bezeichnet, hat den CSU-Chef viel Kredit gekostet.

Keiner hat Opportunismus je derart professionell betrieben wie Söder.

Die logische Folgerung: Die K-Frage stellt sich für den Franken nun nicht mehr. So einfach ist die Sache. Eigentlich.

Uneigentlich ist es komplizierter. Denn zum einen steht die Schwesterpartei momentan nicht viel besser da; zusätzlich zur Maskenaffäre müssen die Christdemokraten noch die Schmach der verlorenen Landtagswahlen verdauen. Und zum anderen: Wir reden hier von Markus Söder, dem Erfinder des politischen Teflons. Dem Mann, der es immer wieder schafft, die Deutungshoheit über den Erfolg der eigenen Politik für sich zu beanspruchen.

Söder hasst das Abenteuer

Wenn etwas schief lief, war es nie er, der den Kopf dafür hinhalten musste. Bei der Landtagswahl 2018 zum Beispiel: Da fuhr die CSU unter ihrem neuen Ministerpräsidenten Söder ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 ein. Die Folge: Man rief nach einem, der die Partei aus dieser desaströsen Lage herausholte – Söder.

Und keiner hat Opportunismus je derart professionell betrieben wie er. Sobald es eng wurde, hat er es stets verstanden, schnell die Seite zu wechseln und einer Gegenbewegung den Sturm aus den Segeln zu nehmen. Man erinnere sich an das Volksbegehren zum Artenschutz vor zwei Jahren: So schnell konnten dessen Initiatoren gar nicht „Gewässerrandstreifen“ sagen, wie Söder plötzlich Bayerns größter Naturschützer und Baumversteher wurde. In dieser Hinsicht ist Söder in der Tat ein Ausnahmepolitiker.

Natürlich kann sich Söder bei einer Kanzlerkandidatur nicht allein auf diese Fertigkeiten verlassen. Und was in Bayern funktioniert, muss in Berlin noch lange nicht funktionieren. Söder, der immer mit der Bundespolitik gefremdelt hat, ist sich dessen wohl bewusst. Ob er antritt, wird daher von mehreren Faktoren abhängen – nicht nur davon, ob Laschet ihm den Vortritt lässt, sondern etwa vom Aussichtsreichtum des Unterfangens. Söder hasst das Abenteuer. Er packt zu, wenn er sich sicher ist. Und er kneift, wenn er etwas riskieren muss.

Dennoch wird sich der CSU-Chef fragen, ob eine Kanzlerschaft je wieder in greifbare Nähe rücken wird, wenn er sich jetzt nicht traut. Dass jetzt wieder Mehrheiten jenseits der Union als realistische Option gelten, macht die Entscheidung für ihn nicht leichter. So könnte er jetzt seinen Machtanspruch unterstreichen, da ihm die Deutschen deutlich mehr zutrauen als Laschet.

Andererseits könnte er nun aber auch auf eine zweite Chance spekulieren: Sollte er nämlich Laschet den Vortritt lassen, dann aber, sagen wir, Annalena Baer­bock das Rennen machen, wird die Union 2025 einen neuen Kandidaten brauchen. Sollte dagegen Laschet im Herbst Kanzler werden, war es das.

Wahrscheinlicher ist eine Kandidatur Söders sicher nicht geworden. Ihn jetzt schon abzuschreiben wäre allerdings verfrüht.

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Dominik Baur
Bayernkorrespondent
Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.
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16 Kommentare

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  • 1. Söder ist Opportunist hoch drei in Reinform. Kann man als Ausnahmepolitiker bezeichnen, man kann es aber auch deutlicher sagen. 2. "Bringt die CSU schwer in Bedrängnis" kann man so sehen. Korrekter wäre: "Zeigt die wahre CSU noch rechtzeitig vor der Wahl, so dass die Schreibenden ihre (falsche) Meinung über Ministerpräsident Dr. Markus Söder noch rechtzeitig den Tatsachen angleichen können." 3. Das Schlimme sind ja nicht die Tatsachen, sondern, dass sie publik werden, gemäß dem Kindergartenniveau: Du darfst alles, nur darfst Du Dich nicht erwischen lassen. KTzG lässt grüßen. 4. Von mir aus Söder als KK, als K niemals. 5. Nur wer Söder nicht kennt, kann ihn hochschreiben. 6. Alfred Sauter hatte seinerzeit eine heftige Auseinandersetzung mit Stoiber, der ist sich gestählter als alle Anderen, auch Söder.

  • Die Situation ist tatsächlich bemerkenswert. Laschet wurschtelt vor sich hin, wechselte lange Zeit gefühlt zweimal am Tag seine Corona- Haltung, setzt auch keine Akzente, aber er kommt damit durch. Der Witz ist: er hat keine Fallhöhe. Er war nie erste Wahl, ihm verzeiht eine ganze Menge. Laschet ist eigentlich so schlecht, dass man einzelne Fehler kaum noch wahrnimmt. Söder hingegen war lange Hoffnungsträger, ihm werden jetzt dieselben Fehler stärker angekreidet als einem Laschet. Söder mag auch ein bisschen eingeknickt sein beim Thema Corona- Bekämpfung, er ist aber immer noch der Ministerpräsudent mit der stringentesten und vorsichtigsten Haltung. Man kann ja von Söder auch halten was man will, aber lernfähig ist er. Und selbst wenn man diese Lernfähigkeit eher für Geschmeidigkeit hält, so ist das ja im Ergebnis trotzdem nicht unbedingt schlecht. Will man sich ernsthaft an einer grüneren und integrationsoffeneren CSU stoßen, nur weil das eher dem Wählerwillen als der Parteiseele entspringt? In der sogenannten Korruptionsaffäre werden an die CSU auch vielleicht etwas härtere Maßstäbe angelegt als an die CDU. Schuld daran ist vor allem das ja so beliebte Wort "Amigo", wozu man hier durchaus mal einwerfen darf, dass ein Klischee auch dann ein Klischee bleibt, wenn es sich bestätigt. Bei distanzierterem Blick auf die bayerischen Besonderheiten jedenfalls würde man sehen müssen, dass es für einen bayerischen Ministerpräsidenten doch vielleicht etwas schwieriger ist solche Leue wie Sauter loszuwerden. Da müssen eine Menge regionaler Befindlichkeiten und parteiinterner Machtverhältnisse beachtet werden. Ohne dicken Skandal wird ein Söder nie so dumm sein, solche Klötze einfach so umwerfen zu wollen.



    Der letzte Grund warum Söder gerade ein bisschen angreifbarer erscheint ist der, dass er den politischen Gegnern grundsätzlich gefährlicher erscheint als ein Laschet und dass er vor allem auch von Teilen der Union angegriffen wird.

    • @Benedikt Bräutigam:

      "Bei distanzierterem Blick auf die bayerischen Besonderheiten jedenfalls würde man sehen müssen, dass es für einen bayerischen Ministerpräsidenten doch vielleicht etwas schwieriger ist solche Leue wie Sauter loszuwerden"

      Stoiber hat ihn als Justizminister wegen der LWS-Affäre damals am Telefon gefeuert.

      Überhaupt ist es bemerkenswert. Bei der LWS-Affäre ging es um einen Verlust einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft von irgendwas um die 300 Mio., sowas verpulvern Leistungsträger wie Spahn oder Scheuer noch vor dem zweiten Gabelfrühstück, und halten sich wacker in ihren Ämtern.

      • @Meister Petz:

        Genau das ist Trumpf, Umsätze generieren mit Steuergeldern, die Entourage im Advantage-Modus, halt Spezis

  • Die aktuelle Masken-Affäre als Causa Nüßlein ist die Fortsetzung einer Never Ending Story, da stellen sich automatisch Fragen nach der Auswahl des Personals für Karrieren in einer Volkspartei.



    Strauß Starfighteraffäre (1950er) und Spiegelaffäre (1962) als Mutter aller Fortsetzungssoaps im Theater des Schmierens und Vertuschens. Familiär treu die nächste Generation: Monika (München frühe 2000er) und Max (WABAG, Maxwell 90er), mehrfach auch auffällig im Christsozialen in Verbindung mit Geld. Amigos (frühe 90er), Modellautos (Höhepunkt 2013/14), Verwandten-/Beschäftigtenaffäre (2013): Bereicherung als systemrelevante Komponente einer Demokratieauffassung mit Variablen Plutokratie, Meritokratie, Bonzokratie, Nepotismus. Früher kreiste die abschätzige Metapher von der Bananenrepublik. Bei der Affären-Tradition sollte der Söder Markus den Augias-Stall konsequent ausmisten, "reinen Tisch" machen. Die Geldquellen der goldenen Tische werden ihm wohl bleiben, Treue gehört zum CSU-Profil im bajuwarischen Stamm, den Parzen zum Trotze.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @Martin Rees:

      Satiriker müssen sich vor der Real-Satire verbeugen: Dieser Herr Nüsslein war auch Mitglied in jenem Ausschuss, in welchem über Ausgleichmaßnahmen für die von der Energiewende Betroffenen beraten wird. Und dort hat er mitgwirkt an einem Gesetz, mit dem -Klein-Wasserkraftwerk-Besitzer mit jeder kw/h mit 3 Cent entschädigt werden, weil wegen des Klimawandels nicht mehr so viel Wasser fließt. Als Besitzer eines solchen Kraftwerks,



      Wegen jenes Klimanwandels, der sonst nur in den wirren Köpfen von FFF ein Leben hat.



      Ich habe mal gehört, daß jemand gesagt haben soll, erhabe gehört der N... sei ein Stinktier. Ich kann nicht nachprüfen ob das stimmt.



      Und von all dieses Dingen (ist ja nur ein Fall) hat nie irgend jemand auch ansatzweise irgend etwas gewußt? Ich meine die lauteren Herren der Fraktionsspitze, oder die Damen/Herren Landesgruppenchef*innen.



      Ich denke, wir sind nicht mehr weit von dem Bonmot entfernt, das dem Herrn Landtagsabgeordneten Sautner auf die Frage nach seinen Nebenjobs nachgesagt wird: "Klar habe ich Nebenjobs: Landtagsabgeordneter".



      Mit dieser Definition wäre die CDU/CSU aus dem ganzen Schlamassel raus.

      • @82286 (Profil gelöscht):

        Ich liebe Bananen, aber ich hasse Bananenrepubliken, blau-weiß und gelb, geht zusammen in der Farbenlehre, Geschmack ist subjektiv, braune Bananen sind für mich aber immer Müll, eine Frage der Reife

  • Spätestens jetzt sollte auch dem letzten C*-Fan klar sein, dass dieses "Amigo"-Denken eine untrennbare Charaktereigenschaft der C-Parteien ist.

    Das trennen zu wollen, ist wie der Versuch das Salz wieder aus der Suppe zu holen.

    Aber vermutlich ist es sowieso genau das, was die C*-Fans von ihrer Partei erwarten.

    • @Bolzkopf:

      Bis zu Bundestagswahl haben das die Wähler ohnehin wieder vergessen.



      Jetzt bei den Landtagswahen war das noch zu frisch..

  • 0G
    05838 (Profil gelöscht)

    Söder hatte von Anfang an nie vor, als Kandidat anzutreten.

    • @05838 (Profil gelöscht):

      Der Witz war gut!



      Merke, was Söder sagt und was Söder denkt, ist immer unterschiedlich

      • 0G
        05838 (Profil gelöscht)
        @skipp39:

        Ich bin weder ein Fan von Söder, noch halte ich ihn für einen Heiligen, der nie lügt. In diesem Fall glaube ich ihm aber. Dass er in den Umfragen eine so hohe Popularität hat und dadurch sehr stark in den Fokus eine Kandidatur gerückt wurde, ändert seine grundsätzliche Haltung meines Erachtens nicht. Ich gehe davon aus, dass Laschet Kandidat wird.

    • 8G
      82286 (Profil gelöscht)
      @05838 (Profil gelöscht):

      Ob der Herr Söder das vorhatte oder nicht ist eh wurscht. Hat der schon mal ein Amt außerhalb der CSU inne gehabt? Und dann gleich Kanzler der Bundesrepublik Deutschland? Nein, nein und nochmal nein.



      Mir ist sowieso schleierhaft, was an dem Lautsprecher aus Bayern so toll sein soll. Außer irgendwelche PR-Aktionen - Kreuze an die Wand nageln u.ä. - hat er auch in Bayern nichts gerissen.

      • @82286 (Profil gelöscht):

        Lenin war auch nur ein Parteiführer in einer sehr viel kleineren Partei.

        • 8G
          82286 (Profil gelöscht)
          @Rudolf Fissner:

          Sie haben vollkommen recht: schlechte Beispiele gibt es genug.

          • @82286 (Profil gelöscht):

            Mag sein. Aber in dem Denken, - Ministerpräsident zuvor reicht nicht - sieht es mau aus mit NachwuchskanzlerInnnen. Sie sprechen damit auch Grünen und Linken ab, jemals dieses Amt in näherer Zukunft innehaben zu können.