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Bundeswehr-Beschuss in Kundus 2009Ausreichend aufgeklärt

Deutschland hat den Beschuss von Kundus aufgearbeitet, so der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Geklagt hatte der Vater zweier Opfer.

Das Ziel: Der ausgebrannter Tanklaster nach dem Luftschlag in Kundus am 4. September 2009 Foto: ap

Freiburg taz | Deutschland hat den blutigsten deutschen Militäreinsatz seit 1945 ausreichend untersucht. Dies stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg fest. Die strafrechtliche Aufarbeitung des Nato-Bombardements von Kundus im Jahr 2009 ist damit abgeschlossen.

Im September 2009 hatten die afghanischen Taliban in der Nähe von Kundus zwei Tanklaster entführt. Diese blieben in einer Furt stecken. Die Bundeswehr, die für die Region zuständig war, forderte zwei US-Kampfflugzeuge an aus Sorge, die Laster könnten als rollende Bomben gegen das Bundeswehrlager Kundus eingesetzt werden.

Nach mehreren Stunden gab der deutsche Oberst Georg Klein den Befehl, die Laster und die umherstehenden Menschen zu bombardieren. Klein vertraute auf die Aussage eines Informanten vor Ort, dass es sich ausschließlich um Taliban handele. Tatsächlich hatten die Taliban jedoch die Bewohner der umliegenden Dörfer eingeladen, kostenlos Benzin zu zapfen. Bei dem Bombardement starben deshalb rund 100 Zivilisten, davon viele Kinder.

Die Bundesanwaltschaft stellte die Ermittlungen gegen Oberst Klein im April 2010 ein. Er habe keinen Vorsatz für ein Kriegsverbrechen gehabt, da er wegen der Informantenaussage nicht mit der Anwesenheit von Zivilisten gerechnet habe.

Deutschland habe „gründlich und zuverlässig“ untersucht

Der Bauer Abdul Hanan verlor durch den Beschuss zwei Söhne im Alter von acht und zwölf Jahren. Hanan wehrte sich gegen die Einstellung des Verfahrens und forderte die Strafverfolgung von Oberst Klein. Er handelte dabei stellvertretend für die Dorfbewohner und wurde von Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck und von dem European Centre for Constitutional and Human Rights (ECCHR) unterstützt. Das Oberlandesgericht Düsseldorf billigte die Einstellung 2011 jedoch, ebenso wie das Bundesverfassungsgericht vier Jahre später.

Im Jahr 2016 ging Hanan deshalb zum EGMR in Straßburg. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung wurde der Prozess direkt vor der 17-köpfigen Großen Kammer des Gerichtshofs geführt. Dort ging es nur noch um die Frage, ob Deutschland bei den strafrechtlichen Untersuchungen nachlässig oder einseitig agierte.

Der EGMR stellte nun einstimmig fest, dass die Bundesanwaltschaft den tragischen Vorfall „gründlich und zuverlässig“ untersucht habe. Hanan konnte die Einstellung sogar durch zwei deutsche Gerichte überprüfen lassen, obwohl das nach Straßburger Maßstäben nicht notwendig gewesen wäre.

Ein Bundestagsuntersuchungsausschuss habe für weitere „öffentliche Kontrolle“ gesorgt. Deutschland hatte bei der Untersuchung des Bombardements die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht verletzt, so das Gericht.

Am umstrittensten in dem Verfahren war die Frage, ob der EGMR hier Deutschland überhaupt überprüfen darf. Die Bundesregierung bestritt das. Schließlich sei es um einen Vorgang in Afghanistan gegangen, wo Deutschland keinerlei effektive Kontrolle ausgeübt habe.

Der Gerichtshof bejahte seine Zuständigkeit. Diese ergebe sich aus der Pflicht Deutschlands, mögliche Kriegsverbrechen seiner Soldaten auch in Afghanistan aufzuklären. Die afghanische Justiz hätte den Vorfall aufgrund der Stationierungsvereinbarung nicht untersuchen dürfen. Und innerhalb der internationalen Militärallianz sei jeder Staat für die eigenen Soldaten zuständig gewesen.

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4 Kommentare

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  • @Mowgli, Jeap, stimme voll zu. Klein soll nicht wirklich autorisiert gewesen sein und den Angriff ungenügend abgestimmt haben. Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit...das nächste Zivilist*innen, vor allem Frauen und Kinder. Dass sie auch gern von den Radikalen als menschliche Schutzschilde benutzt werden sollte ja bekannt gewesen sein. Aber Deutschland hat halt gegen sich selbst ermittelt und jetzt bestätigt bekommen, dass es das korrekt gemacht hat. Friede, Freude, Eierkuchen und die EU darf ihren Friedensnobelpreis behalten... Da hat es sich mal wieder mit der vielbeschworenen Unabhängigkeit der Gerichte. Auch wenn die ermordeteten Zivilist*innen Taliban-Sympathisant*innen gewesen sein mögen - oftmals haben sie keine andere Wahl haben sie die größtmögliche Aufklärung und "Entschädigung" für ihr Leid verdient. Was bleibt - der fahle Beigeschmack - dass die Mächtigen im Westen sich die Welt zurecht drehen, wie sie sie eben gerne hätten.

  • Tja, werter Christian Rath, so ist das halt: Im Zweifel muss auch in der besten aller Welten mit zweierlei Maß gemessen werden. Selbst vor Gericht. Die Staatsraison geht vor. Irrtum, jedenfalls, ist nicht gleich Irrtum für die EU-Richter. Whistleblower dürfen nicht einmal den guten Ruf ihres Arbeitgebers ungestraft gefährden, wenn sie nicht vor dem Gang an die Öffentlichkeit genauestens geprüft haben, ob ihre Schlussfolgerungen korrekt sind. Militärs hingegen dürfen straffrei afghanische Zivilisten bombardieren auf Basis der ungeprüften Aussage eines Informanten. Wie das in der Liebe ist, weiß ich zwar nicht genau, aber im Krieg scheint tatsächlich immer noch alles erlaubt zu sein. Danke, dass ihr das einmal mehr klar gestellt habt, liebe EU-Richter. Aber schon klar: Auf hoher See und vor Gericht... 🤷

  • "Er habe keinen Vorsatz für ein Kriegsverbrechen gehabt"

    Und trotzdem hat Klein in einem Land wo er und seine Leute freiwillig waren, in einem Land mit dem wir nicht im Krieg sind, völkerrechtswidrig Menschen abgeschlachtet. Aufgrund eines hätte, könnte vielleicht.

    Klein gehört mindestens unehrenhaft entlassen. Das wir für solche inkompetenten Mörder Rente zahlen sollen ruft bei mir einen Brechreiz hervor.

    Und Abdul Hanan schuldet dieser Staat wohl mehr als ein "Ups, sorry"

    • 1G
      17900 (Profil gelöscht)
      @danny schneider:

      "Klein gehört mindestens unehrenhaft entlassen."

      Vor allem alle Politiker, die ein weiteres Mandat in Afghanistan befürworten. Sind ja nur Steuergelder und ein paar Menschenleben. Was ist eigenlich das realistische Ziel?



      Dass die Taliban morgen die Demokratie einführen? Träumt weiter. Das kostet unsere Steuergelder!!!