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Einstufung durch VerfassungsschutzVerdachtsfall AfD

Seit zwei Jahre prüft der Verfassungsschutz, nun will er die Partei offenbar zum rechtsextremen Verdachtsfall erklären. Die kündigte Klagen an.

Obacht, Alexander Gauland: Der Verfassungsschutz hat euch im Visier! Foto: Kay Nietfeld, dpa

BERLIN taz | Der Verfassungsschutz will die AfD in der kommenden Woche offfenbar als rechtsextremen Verdachtsfall einstufen. Das erfuhr die taz aus Sicherheitskreisen. Der Geheimdienst halte Rechtsextreme in der Partei inzwischen für derart prägend, dass eine Beobachtung der Gesamtpartei gerechtfertigt sei.Der Geheimdienst hält Rechtsextreme in der Partei inzwischen für derart prägend, dass eine Beobachtung der Gesamtpartei gerechtfertigt sei. Gegen die AfD können dann auch nachrichtendienstliche Mittel wie Telefonüberwachung oder V-Leute eingesetzt werden.

Bereits vor zwei Jahren hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Prüffall eingestuft. Den rechtsextremen „Flügel“ um Björn Höcke und Andreas Kalbitz sowie die AfD-Jugend stufte der Geheimdienst damals bereits als Verdachtsfall ein, eine Stufe höher. Im März 2020 erklärte der Verfassungsschutz den „Flügel“ dann sogar zum vollen Beobachtungsobjekt: Dieser sei eine „erwiesen extremistische Bestrebung“.

Der „Flügel“ löste sich in der Folge offiziell auf. Seine Anhänger um Björn Höcke aber blieben in der AfD weiter aktiv. Lediglich Co-Führer Andreas Kalbitz wurde aus formellen Gründen aus der Partei ausgeschlossen. Die Frage war seitdem: Wie groß ist der Einfluss der Rechtsextremen auf die Gesamtpartei?

Der Verfassungsschutz prüfte das seit der ersten Einstufung 2018 und gab sich dafür zwei Jahre – die nun vorbei sind. Das Bundesamt soll Bundesinnenminister Horst Seehofer nun ein rund 1.000-seitiges Gutachten vorgelegt haben. Darin wird offenbar festgehalten, dass die einstigen „Flügel“-AnhängerInnen weiter prägend in der Partei aktiv seien. Anfang kommender Woche trifft sich der Verfassungsschutz zu einer Amtsleiter-Runde, nach der die Einstufung verkündet werden könnte.

Seit zwei Jahren geprüft

Die AfD hatte ebenfalls vor Monaten eine Arbeitsgruppe gegründet, um eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz abzuwehren. Für den Fall einer Einstufung kündigte sie Klagen dagegen an. Parteichef Jörg Meuthen hatte sich auf dem vergangenen Bundesparteitag zudem markig gegen rechtsextreme Töne in seiner Partei ausgesprochen. Ein letztes Ausweichmanöver – vergebens.

Zur Meldung über die nahende Einstufung sagte AfD-Chef Tino Chrupalla der taz: „Wir werden uns, wie wir wiederholt angekündigt haben, juristisch dagegen wehren.“ Auch Parteivize Stephan Brandner betonte: „Das ist alles schon vorbereitet. Wir haben damit ja gerechnet. Der Verfassungsschutz wird im Jahr der Bundestagswahl politisch instrumentalisiert.“ Die Brandenburger AfD geht bereits juristisch gegen ihre Beobachtung vor. Am Dienstag wollte sie ein Organstreitverfahren beim Landesverfassungsgericht und eine Klage vor dem Verwaltungsgericht einreichen. Wie der Landesverband mitteilte, wird auch eine einstweilige Anordnung angestrebt, die dem Brandenburger Innenministerium untersagen soll, dass es über die Einstufung berichtet.

Der Brandenburger Landesverband wird bereits seit vergangenem Juni vom Verfassungsschutz beobachtet. Zuvor hatte bereits der Thüringer Geheimdienst den dortigen Landesverband von Björn Höcke als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft.

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13 Kommentare

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  • 0G
    02612 (Profil gelöscht)

    ... was lange ...wird endlich ... oder so

  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Diese Partei braucht kein Mensch, sofern die anderen etwas mehr zu bieten hätten. Leider ist das nicht der Fall.

  • Die Reaktionen der AfD zeigen, dass sie beginnt, den VS ernst zu nehmen.



    Nachdem dem VS insbes. unter Leitung von Herrn Maaßen immer wieder Blindheit auf dem „rechten Auge“ bescheinigt wurde, sollte nunmehr anerkannt werden, dass nach dem Führungswechsel ein Heilungsprozess in Gang kommt!

    Wichtig wäre, dass die Stärkung des „rechten“ Auges nicht auf Kosten des „linken“ Auges geht. Wer sich mal etwas genauer bei Indymedia umtut, sollte wissen, was ich meine!

  • 0G
    06438 (Profil gelöscht)

    Muß mit dem Verschwinden von Hans - Georg zusammen hängen, das 71 Jahre nach Einführung des GG auch der Verfassungsschutz nun plötzlicherweise entdeckt hat welche Verfassung er schützen muß.

    1931 besetzten hunderte SA-Männer das Parteigebäude NSDAP in der Hedemannstraße/Berlin. Ziel dieser Aktion war es, den von Hitler eingesetzten Nachfolger von Walther Stennes am Zutritt zu hindern.

    Hierbei kam es zu Rangeleien mit der vor Ort eingesetzten SS-Wache. Im Laufe des Tages erklärte Stennes Hitler für abgesetzt. Hinter ihm, so Stennes, stehe die gesamte ostelbische SA und angeblich auch der Gauleiter von Berlin Joseph Goebbels.

    Merkwürdigerweise gelang es Hitler mit Hilfe der Berliner Polizei die Entsetzung der Räumlichkeiten der NSDAP. Obwohl Stennes die Unterstützung von Teilen der SA in Berlin, Schleswig-Holstein, Schlesien und Pommern genoss, kam es nicht zu einem regelrechten Aufstand. Der „Putsch“ war gescheitert; es folgten Parteiausschlüsse.

    Worum ging es?

    Stennes wollte mit allen Mitteln der Gewalt die Weimarer Republik unmittelbar beenden - wobei Hitler darauf bestand, die rechtlichen Lücken in der Weimarer Verfassung auszunutzen um die Demokratie mit den eigenen Mitteln zu schlagen.

    Hoffen wir mal das der Verfassungsschutz nach dem Abgang von Hans Georg nicht an Alzheimer leidet und geschichtliche Zusammenhänge deuten und ableiten kann - neben der mathematischen Begabung, 1 + 1 zusammen zählen zu können.

    Wie auch immer - das nun der Verf. Schutz tätig wird ist eine gute Nachricht.

    • @06438 (Profil gelöscht):

      Auch mir scheint es an der benötigten Addierkompetenz zu mangeln um den von ihnen insinuierten historischen Vergleich nachvollziehen zu können. Verfügt die AfD über paramilitärische Verbände und setzt sie diese ein um innerparteiliche Richtungsstreitigkeiten zu entscheiden? Die Feststellung, dass AfD wie NSDAP (auch) mit demokratischen Mitteln gegen die Demokratie vorgehen ist zwar richtig, scheint mir aber allein noch keine Parallele zum Stennes-Putsch zu begründen.

      • 0G
        06438 (Profil gelöscht)
        @Ingo Bernable:

        Es geht darum historisch begründet nachzuvollziehen wie offen agierender gewalttätiger Rechtsextremismus und Rechts(radikal)populismus eine untrennbare Einheit bilden. (radikal deswegen, weil Rechtspopulisten in Netzwerken untrennbar mit Rechtsextremisten verbunden sind)

        Bisland war die vorherrschende Auffassung immer die, das wenn man rechtsextremistische Flügel erfolgreich bekämpft - man den Rest der Rechtspopulisten erfolgreich re-integrieren könne.

        1. Historisch ist diese Annahme falsch. Die Spaltung zwischen offen agierenden gewalttätigen Rechtsextremisten vor 1933 (Stinnes) und denen, welche die Republik von innen zunächst mit parlamentarischen Mitteln aushöhlten (Hitler) ist völlig unerheblich für den Ausgang der Geschichte.

        2. Im Jahr 2021 noch immer bei rechtsextremistischen Gewaltexzessen von verblendeten Einzeltätern zu sprechen reflektiert meiner Meinung nach nicht die Strukturen von rechtsextremistischen Terror.

        Die Todesliste von sogenannten "Linken" auf einer aufgetauchten Liste in Mac - Pom beweist nicht nur historische Bezüge. Feindbilder von Rechtspopulisten wurden von Rechtsextremisten entsprechend bearbeitet.

        3..Rechtsradikalpopulisten und Populisten, der sich zwar auf den Konservativismus beziehen, aber Extremisten in der Partei dulden sind demnach lediglich der verlängerte bürgerlich kaschierte Arm im Bundestag der gleichen braunen Suppe die ein gemeinsames Ziel eint:

        Umsturz der Republik und Abschaffung der parlamentarischen Demokratie.

        Die Unterscheidung ob die sich nun öffentlich dazu bekennen - oder gewaltätig verborgen im Untergrund an diesem gemeinsamen Ziel arbeiten, ist unerheblich - weil es sich um ein Bündnis handelt, sich für alle Spektren der Gesellschaft attraktiv machen zu wollen.

        4..Offensichtlich hat der Verfassungsschutz (bisher 2-jährige Prüfung/Zwischenergebnis) genug Indizien für das Motiv, Zusammenhänge sichtbar zu machen.

        Ohne Zweifel ist das ein Paradigmenwechsel in die richtige Richtung.

  • Nun, das kommt nicht wirklich überraschend.



    Eine gewisse Häme kann ich nicht abstreiten; macht mich das zu einem schlechten Menschen?

  • ...aber nett, dass der VS der AfD das mitteilt. Fast schon rührend!

  • "Das erfuhr die taz aus Sicherheitskreisen. Der Geheimdienst..."



    Wofür steht eigentlich das 'Geheim' bei 'Geheimdienst'? Die können ja noch nicht einmal ihren eigenen Outlook-Kalender geheim halten...

  • Komisch... das zweitehöchste Gütesiegel das wir für Naziparteien haben... und die freuen sich gar nicht.

    • @danny schneider:

      Was ist das höchste Gütesiegel?

  • RS
    Ria Sauter

    Wenn denn der Verfassungsschutz seine Aufgabe erfüllt, ist diese Entscheidung sehr gut.

    • 0G
      02612 (Profil gelöscht)
      @Ria Sauter:

      ... eben, wir wollen doch mal was "geliefert " bekommen ...