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Vorteile für Corona-Immunisierte„Derzeit“ gegen Impf-Privilegien

Die Bundesregierung diskutiert über ein Gesetz, das Vorteile für Geimpfte verbietet. Doch ist so ein Gesetz überhaupt nötig – und möglich?

Ist eine gesetzliche Regelung, die Vorteile für Coronageimpfte verbieten soll, sinnvoll? Foto: Matthias Bein/dpa

Freiburg taz | Die SPD-Bundestagsfraktion prüft ein Verbot von Privilegien für Coronageimpfte. Zuvor hatten sich bereits Innenminister Horst Seehofer (CSU) und Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gegen Vorteile für Geimpfte ausgesprochen.

Johannes Fechner, der rechtspolitische Sprecher der SPD, sieht zwei mögliche Ansätze für ein gesetzliches Verbot von solchen privilegien für Geimpfte. Zum einen könnte das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ergänzt werden. Bisher verbietet es im privaten Sektor nur die Benachteiligung wegen der „Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität“. Hier könnte eine „Impfung“ als neues Kriterium angefügt werden.

Möglich wäre es auch, so SPD-Mann Fechner, Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) zu verbieten, die eine Corona-Impfung zur Voraussetzung für bestimmte Dienstleistungen wie den Personentransport machen. Das Verbot würde dann bei der AGB-Kontrolle im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) stehen.

Viele, die sich derzeit gegen Impf-Privilegien aussprechen, versehen dies allerdings mit der Einschränkung, dass solche Unterscheidungen nur „derzeit“ nicht angebracht seien. Der erste Grund dafür ist naturwissenschaftlicher Art. Noch ist unklar, ob Geimpfte nur selbst gegen die Krankheit geschützt sind oder ob sie nach der Impfung das Virus auch nichtmehr an andere weitergeben können. Hier wird erst im Februar mit verläßlichen Erkenntnissen zur Infektiösität (Ansteckungsfähigkeit) der Geimpften gerechnet.

Eine „Phantomdiskussion“?

Der zweite Grund für ein nur temporäres Privilegienverbot ist die Logistik. Es können nicht alle Menschen auf einen Schlag geimpft werden. Gesundheitsminister Jens Spahn hat deshalb in seiner Corona-Impfverordnung von Mitte Dezember eine klare Reihenfolge festgelegt. Zuerst kommen die über 80-Jährigen, die BewohnerInnen von Pflegeheimen und die Personen die dort arbeiten. Dann die über 70-Jährigen, Personen mit Trisomie 21, Demente und PolizistInnen.

Wer jünger ist als 60 Jahre, kommt erst in der vierten Stufe zum Zug. Solange aber ein Großteil der Bevölkerung noch gar keine Chance zur Impfung hatte, sollen die bevorzugten Kreise nicht auch noch Vorteile im Alltag haben. Diese Phase wird voraussichtlich bis zum Sommer dauern. Dann soll, so hofft Minister Spahn, allen Impfwilligen auch eine Dosis zur Verfügung stehen.

Jan Marco Luczak, der rechtspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, hält den Vorstoß der SPD für eine „Phantomdiskussion“ ohne praktische Relevanz: „Denn einem Clubbetreiber bringt es gar nichts, wenn er Achtzigjährigen, die in den nächsten Wochen und Monaten geimpft werden, den Zutritt erlauben würde, den feierwilligen Zwanzigjährigen, die noch keine Impfmöglichkeit haben, dagegen nicht“. Das gleiche gelte für Restaurants oder Supermärkte die wohl kein Interesse hätten, einen Großteil ihrer bislang noch nicht geimpften Kunden auszusperren, so Luczak.

Für eine vorsorgliche Regelung spricht jedoch, dass Geimpfte gegen staatliche Einschränkungen klagen können. So könnten geimpfte PolizistInnen und AltenpflegerInnen verlangen, dass die Ausgangssperren für sie nicht gelten. Um eine Zwei-Klassen-Gesellschaft zu verhindern, müsste das Privilegienverbot deshalb vorher gesetzlich untermauert werden.

Allerdings werden die meisten Corona-Einschränkungen wohl ohnehin zurückgenommen werden, wenn es wieder wärmer wird und die vulnerabelsten Gruppen geimpft sind. Dann würde der Bedarf nach einer Vorzugsbehandlung für Geimpfte auch entsprechend zurückgehen.

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5 Kommentare

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  • Sollte es Sonderrechte für Geimpfte geben, ich aber als Ungeimpfte, die erst irgendwann überhaupt die Chance auf eine Impfung bekommt, weiteren Einschränkungen unterliegen, werde ich dagegen klagen. Oder mein Recht auf eine Impfung einklagen.

    • @Sandra Becker:

      Wenn als erstes Pflegebedürftige Menschen aus Heimen geimpft werden und die Infektionen bei Kontakten nicht mehr weiter antreiben können, gönnen Sie ihnen wirklich nicht in der knapperen Lebenszeit die ihnen noch bleibt als erste ihr Grundrecht auf uneingeschränkte Begegnungen mit anderen Geimpften zurück zu erhalten? Die Impfpriorisierung bevorzugt die am stärksten von der Pandemie betroffenen zuerst. Auch das Gesundheitspersonal ist am stärksten von Ansteckungen betroffen und könnte geimpft wegen mir gerne als erste wieder unbeschwerten Urlaub genießen. Die Einschränkungen die ich und Sie länger aushalten müssen werden ja nicht schlimmer nur weil bereits Geimpfte sie nicht mehr haben. Eine gesetzliche Grundlage gibts in Demokratien nicht Personen die keine Rolle mehr im Infektionsgeschehen spielen weiter nach Infektionsschutzgesetz in ihren Grundrechten einzuschränken.

  • Weiß Herr Fechner denn was seine Forderung in der Praxis bedeutet? Ein Beispiel: Wenn ein Pflegeheim nun komplett durchgeimpft ist muss die Cafeteria im Pflegeheim weiter geschlossen bleiben, dürfen auch Zimmernachbarinnen weiterhin nicht im Zimmer der anderen zusammen kommen und fallen alle gemeinschaftlichen Aktivitäten in Gemeinschaftsräumen sowie wählbare Freizeitangebote auch Gruppensport im ohnehin schon isolierenden Heimleben weiterhin aus. Denn die da draußen dürfen ja auch nicht ... Also lieber eine Regel weiter anwenden die zuvor Ausbrüche in Heimen mit oft vielen Todesfällen verhindern sollte. Nur vor diesem Hintergrund - der akuten Gefahr für alle konnte gesetzlich begründet werden dass Heimbewohner:innen zusätzlich isoliert wurden und jene am Ende ihres Lebens sogar alleine sterben mussten ohne Abschied von ihren Angehörigen. Hier mit dem Argument einer Zweiklassengesellschaft zu kommen ist Realitäts und Menschenfeindlich. Apropos Klassengesellschaft. Heimbewohner:innen die auf Pflege angewiesen sind leben ohnehin kein eigenes selbstbestimmtes Leben mehr. Im Pflegeheim richtet sich auch ohne Pandemie schon alles nach kostensparendem Personalengpässen da gibt's im nach Dienstplan getakteten Tagesablauf nicht mal mehr die Freiheit selbst zu entscheiden wann oder gar was man frühstücken will. Die wenigen Freizeitangebote die es in Heimen gibt sind nun Pandemiebedingt geschlossen und sollen es im Ernst weiter bleiben? Das war vorher schon Dritte Klasse jetzt Kellergeschoss.

    • @Nina Janovich:

      "Nur vor diesem Hintergrund - der akuten Gefahr für alle konnte gesetzlich begründet werden dass Heimbewohner:innen zusätzlich isoliert wurden und jene am Ende ihres Lebens sogar alleine sterben mussten ohne Abschied von ihren Angehörigen."



      Genau andersrum: Corona/ Covid ist "für alle" keine so besonders große und /oder "akute Gefahr". Die vielfältigen Maßnahmen, die alle betreffen,sind hauptsächlich mit dem Schutz der "Risikogruppen" begründet. Speziell zum letzten Lockdown wurde ja noch mal ganz deutlich auf "Oma und Opa " hingewiesen.



      Ich verteidige, diese Maßnahmen nicht weil ich sie selber teilweise für unlogisch halte,nur ist ihre Darstellung in meinen Augen falsch.Irrtum vorbehalten.



      Ansonsten sind die Zustände in den "normalen", den Pflege- und Altersheimen für Kassenpatienten,der krasseste Ausdruck für die Krise,Vernachlässigung, Herunterwirtschaftung,... des gesamten Gesundheitswesens in unserer Gesellschaft. Corona hat es für alle sichtbar gemacht. Ob sich daran allerdings was ändern wird ist fraglich. Nach der ökonomischen Denk-und Sichtweise ist das Gesundheits- und Sozialwesen ein unproduktiver Bereich ,der keinen direkten Gewinn erwirtschaftet. Um die wirtschaftlichen Einbrüche durch die Coronamaßnahmen aufzufangen,wird Geld erstmal in ganz andere Bereiche gepumpt. "Soziales Gedöhns" kommt ganz zum Schluß!



      Das sagt jedenfalls mein innerer Pessimist.

  • Himmel! Wenn es doch endlich eine zuverlässige Impfung gegen die grassierende Verbieteritis gäbe! (Nicht, dass ich eine große Impfbereitschaft vorhersehe...)

    Das Autoritätsgehabe der Hinterbänkler nicht nur aus der SPD nimmt manchmal echt skurrile Züge an. Es verkehrt etwa den Sinn rechtsstaatlicher Regelungen in ihr exaktes Gegenteil, nur um der fünf Minuten Aufmerksamkeit willen, die das den Irgendwie-zu-kurz-Gekommenen einbringen kann. Als hätten die Verbitetitis-Infizierten nie kapiert, worin der „Witz“ des Rechtsstaats eigentlich besteht.

    Aber womöglich ist es ja tatsächlich wahr: Manch ein Machthaber begreift einfach nicht, dass er nicht König ist oder Gittkaiser, sondern von Volkes Gnaden herrscht. Kann er nicht Willkür walten lassen, fühlt er sich nicht als ganzer Mann. Erst nimmt er einem ganzen Volk kollektiv wichtige Freiheitsrechte, obwohl es dafür keine Rechtsgrundlage gibt, dann gibt er ein Gesetz in Auftrag, das jede Klage dagegen verhindern soll, und schließlich will er das dämliche Prinzip dadurch für alle Zeiten zementieren, dass er zur Unzeit drüber diskutieren lässt, ob nicht doch besser die Freiheiten der Einsichtigen beschnitten werden sollen mit polizeistaatlichen Mitteln, als die der tatsächlich Gefährlichen. Tsss!

    Ich frage mich ja nicht zum ersten Mal, wie schräg man eigentlich drauf sein kann als Abgeordneter des deutschen Volkes. Aber jedes Mal, wenn ich mir (ziemlich) sicher bin, dass es dümmer nun bald echt nicht mehr geht, muss ich erkennen: Doch, dümmer geht ümmer.

    Zum Beispiel finde ich es relativ dämlich, aus einer (Schnaps-)Laune heraus ein Privilegienverbot gesetzlich untermauern lassen zu wollen, wenn die Möglichkeit dazu bereits ein Privileg ist. Sein wir doch ehrlich: Eine Zwei-Klassen-Gesellschaft ist gar nicht zu verhindern derzeit. Es gibt sie nämlich schon. Aber das wollen sich manche Menschen offenbar nicht einmal vor sich selbst eingestehen.