piwik no script img

Gesetz gegen interreligiöse Ehen in IndienSpritze gegen den „Love Jihad“?

In Indien wird die Polizei verdächtigt, bei einer zum Islam konvertierten Schwangeren eine Fehlgeburt per Abtreibungsspritze verursacht zu haben.

Uttar Pradeshs Ministerpräsident Yogi Adityanath (links) spricht mit Indiens Premier Narendra Modi Foto: Altaf Qadri/ap

Mumbai taz | Wie weit darf sich der Staat in das Privatleben seiner Bürger:innen einmischen? Zur Abwehr der Gefahr eines sogenannten „Love Jihad“ darf der Staat im nordindischen Uttar Pradesh seit Ende November sogar in Ehen eingreifen.

Der angebliche „Love Jihad“ ist eine Verschwörungstheorie rechter Hindufundamentalisten. Demnach heiraten muslimische Männer Frauen hinduistischen Glaubens, damit diese zum Islam konvertieren und auch ihre gemeinsamen Kinder Muslime werden. Rechte Hindus sehen im „Love Jihad“ eine Strategie von Muslimen, um zu deren Gunsten in Indien die demografischen Relationen zu verändern.

Seitdem im bevölkerungsreichsten Bundesstaat Uttar Pradesh die Verordnung mit dem Titel „Prohibition of Unlawful Conversion of Religious Ordinance“ in Kraft ist, nehmen dort die Behörden die Wahl der Eheartner:innen ins Visier und veranlassten erste Festnahmen.

Unter den ersten festgenommenen Frauen war auch eine 22-Jährige im dritten Schwangerschaftsmonat. Sie war vom Hinduismus zum Islam konvertiert, als sie einen Muslim heiratete. Laut dem britischen Sunday Telegraph hatte sie jetzt im Gefängnis eine Fehlgeburt.

Auch der Ehemann der Frau soll sich in Polizeigewahrsam befinden. Das Paar hatte sich im benachbarten Bundesstaat Uttarakhand kennengelernt und dort geheiratet. Doch der Umzug nach Uttar Pradesh und die Registrierung der Ehe im 150 Kilometer östlich der Hauptstadt Delhi gelegen Moradabad wurde ihnen zum Verhängnis.

Laut Sunday Telegraph vermutet die Familie des Mannes gar, dass die Fehlgeburt der Frau von einer im Gefängnis verabreichten Abtreibungsspritze ausgelöst wurde. Auf eine Anfrage des Sunday Telegraph haben die Behörden nicht geantwortet.

Berichten zufolge wurden bereits mindestens zehn muslimische Männer innerhalb von zwei Wochen wegen des Verdachts auf „Love Jihad“ verhaftet. Erst kürzlich war ein 39-jähriger muslimischer Bräutigam in der Kleinstadt Kushinagar sogar während seiner Trauung von Polizisten abgeführt worden.

Dem Mann wurde unterstellt, eine geborene Nichtmuslimin heiraten zu wollen. Das stellte sich aber als falsch heraus, wie die Zeitung Indian Express berichtet. Während der Haft wurde der inzwischen verheiratete Mann nach eigener Aussage bedroht und gefoltert. Die Polizei bestreitet dies.

In Aligarh, ebenfalls in Uttar Pradesh, wurde ein 18-jähriges Mädchen von einer Frauengruppe der hindunationalistischen Regierungspartei BJP abgefangen und geohrfeigt, als sie ihren muslimischen Freund treffen wollte. Ein Video, das die Szene zeigt, ging viral. Aligarhs frühere BJP-Bürgermeisterin sagt, ihre Partei unterstütze Familien, „deren Töchter von muslimischen Männern in die Falle gelockt wurden“.

Mehrere BJP-regierte Bundesstaaten planen ähnliche Gesetze gegen den „Love Jihad“ wie Uttar Pradesh. Bei „erzwungenem Religionswechsel“ drohen dort bis zu zehn Jahre Haft. „Das neue Indien ist beängstigend“, kommentierte der Oppositionspolitiker P Chidambaram im Indian Express.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

17 Kommentare

 / 
  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Es gibt kaum ein anderes Land, in dem es so viele "Merkwürdigkeiten" gibt als Indien.



    Fahrt mal hin, wenn Corona vorbei ist!!

    Aberglaube und fortschrittliches Denken, enormer Reichtum und bitterste Armut - alles nebeneinander.



    Religion spielt eine unglaublich wichtige Rolle!

  • Nett von Ihnen, dass Sie uns die Verordnung mit dem Titel „Prohibition of Unlawful Conversion of Religious Ordinance“ benennen. Was steht da drin'?



    Und wenn ich den Titel mit meinen rudimentären Englischkenntnissen übersetze, steht da was von einer Religiösen Umwandlung, und nichts von einem Gesetz gegen interreligiöse Ehen.



    Interreligiös ist, wenn es veschiedene Religionen nebeneinander gibt, hier scheint es aber darum zu gehen, das die Frau zur Religion des Mannes konvertiert.

  • Wie eine Verordnung mit dem Titel "Prohibition of Unlawful Conversion" in der grössten Demokratie der Welt verfassungsrechtlich mit der Religionsfreiheit vereinbar sein soll, wird leider nicht erklärt. Da hätte ich mir etwas mehr Hintergrundinformationen gewünscht, wie es überhaupt zu so einem Gesetz kommen konnte - nach dem oft propagierten Selbstverständnis Indiens als säkularer Staat eigentlich undenkbar.

    • @Winnetaz:

      Ein oft propagiertes Selbstverständnis Indiens als säkularer Staat? Soll das ein Witz sein, wer sagt so etwas?

      • @Carl Fischer:

        "Der Laizismus, die Trennung von Staat und Religion, zählt zu den wesentlichsten Grundsätzen des indischen Staates und ist in seiner Verfassung verankert." (Wikipedia)

        • @Winnetaz:

          Steht bei uns auch irgendwo und trotzdem hängen/hingen jahrzehntelang Kreuze in Amtsstuben, staatl. Schulen und Krankenhäusern. Das insbesondere Muslims in unserem säkularen Staat benachteiligt werden, wissen Sie sicherlich.

          Was glauben Sie, wieso es Pakistan gibt? Wer in Indien kein Hindu ist hat kaum Möglichkeiten über seine Community hinaus, keine Karrierechancen, schon gar nicht im Staatswesen. Scheint mir irgendwie nicht sehr säkular.

          • Natalie Mayroth , des Artikels, Reporterin
            @Carl Fischer:

            Dass es Indien und Pakistan als getrennte Staaten gibt, liegt wohl auch zum sehr Großenteil am Ende der Kolonialzeit und den Briten...

  • Als ich in den späten 80 gern als Hippy durch Indien reiste, habe ich den Hinduismus als sehr offen gelebte Tradition geschätzt. Wirklich unsagbar, in welche Richtung die aktuelle Regierung grade geht...

  • Alle Religionen haben große Probleme: Vorurteile, Diskrimination, Hass, Verbrechen usw.



    Egal es geht um Buddhismus, Hinduismus, Islam, Christentum, Judentum und viele andere.

    • @H B:

      Dem möchte ich mich gerne anschließen. Mir ist noch keine Religion untergekommen, die nicht hierarchisch, gerne patriarchalisch, archaisch und missionarisch wäre und mit dem Anspruch auftreten würde, die einzig gültige Wahrheit zu verbreiten. Außer vielleicht dieser hier: de.wikipedia.org/w...s_Spaghettimonster

      • @1Mj3tI39F:

        Der Buddhismus missioniert, wo?

        • @Carl Fischer:

          Buddhismus missioniert auch natürlich, z.B. in armen Vierteln in Süd-Ost Asien..

          Aber noch schlimmer als Missionären, gibt es auch gewaltbereite oder massakierende Buddhisten, z.B. in Myanmmar gegen Minderheiten wie Rohingyas...

          • @H B:

            In süd-ost-asiatischen Armenvierteln? Soll das ein Witz sein? In welchem? Nennen Sie bitte Beispiele für diese Behauptung, den Rest google ich mir selber zusammen.

        • 1G
          17900 (Profil gelöscht)
          @Carl Fischer:

          Buddhisten haben in Myanmar Rhoingya massakriert.



          Das hätte ich nicht für möglich gehalten, zumal eine Friedensnobelpreisträgerin da nicht interveniert hat.

          • @17900 (Profil gelöscht):

            Ja, es gibt "nationalistische" Buddhisten, auch im Süden Thailands, aber auch die missionieren nicht.

          • @17900 (Profil gelöscht):

            Es gibt mittlerweile genug FriedensnobelpreisträgerInnen, die nicht gegen Krieg oder Verbrechen gegen Menschlichkeit halten.

            Oder sogar die selber so etwas führen.

  • Herrenreligion statt Herrenrasse... nettes Konzept