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Religionsstreit in IndienÄrger um Propheten-Schmähung

Eine hindunationalistische Politikerin hat eine abfällige Bemerkung über den Propheten Mohammed gemacht. Nun gerät Indiens Regierung unter Druck.

„Verhaftet Nupur Sharma!“: Muslimischer Protest gegen die BJP-Politikerin in Mumbai am Montag Foto: Francis Mascarenhas/reuters

Mumbai taz | Für viele Musli­m:in­nen gibt es eine rote Linie, die in Indien gerne als sogenannte Lakshman Rekha bezeichnet wird. Wortwörtlich ist es die Linie, die der Hindu-Krieger Lakshman zog und die nicht übertreten werden soll. Diese Grenze hat die hindunationalistische Politikerin Nupur Sharma nun für viele überschritten, als sie sich bei einer TV-Debatte über einen andauernden Moschee-Streit in Nordindien abfällig über den Propheten Mohammed äußerte. Sie griff das Narrativ auf, dass der Prophet eine Minderjährige geheiratet und mit ihr Verkehr hatte, was ihr nun mächtig Ärger und Empörung beschert.

Damit verletze sie nicht nur die Gefühle der Muslime, sondern schaffe auch Feindschaft zwischen verschiedenen Gesellschaftsschichten, äußerte sich der muslimische Oppositionspolitiker Asaduddin Owaisi. In seiner Polizeibeschwerde hieß es, Sharma habe „beleidigende, falsche und verletzende“ Worte verwendet.

Spätestens seit Sonntag sieht sich Neu-Delhi aufgrund der Aussagen der nun suspendierten BJP-Politikerin mit wachsendem diplomatischen Druck konfrontiert. Länder in der Golfregion, darunter der Iran, brachten ihre Besorgnis über den wachsenden „Extremismus und Hass“ zum Ausdruck. Katar und Kuwait bestellten die indischen Botschafter ein und forderten von Neu-Delhi eine „öffentliche Entschuldigung“ für die „islamfeindlichen“ Äußerungen.

Die Kontroverse vertiefte sich, als Vizepräsident Venkaiah Naidu zu Besuch nach Katar aufbrach. Der iranische Protest kam drei Tage vor dem Besuch des iranischen Außenministers in Delhi.

Regierung spielt ‚Guter Bulle – böser Bulle‘

Das indische Außenministerium distanzierte sich von den Äußerungen, nachdem die Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC), Katar, Kuwait und Pakistan diese scharf verurteilt hatten. Weitere muslimische Länder wie Saudi-Arabien zeigten sich empört.

Die OIC, der 57 Staaten angehören, kommentierte scharf und nannte es einen „Übergriff eines offiziellen Mitglieds der regierenden Partei Indiens (BJP)“ und brachten die Äußerungen in Verbindung mit dem Hijab-Verbot an Bildungseinrichtungen in bestimmten indischen Bundesstaaten, Gewalt gegen Minderheiten und Zerstörung ihres Eigentums.

Nupur Sharma sagte, es war nicht ihre Absicht, Gefühle zu verletzen. Die BJP suspendierte sie am Sonntag für sechs Jahre. Die Absolventin der London School of Economics sagt auch, dass sie nun bedroht werde. Dafür mitverantwortlich machte sie einen indischen Journalisten, der einen Videoclip ihrer Aussage aus der TV-Debatte im Netz teilte.

„Die BJP hat nach Protesten aus Katar zwei Sprecher suspendiert. Das ist das, was die Amerikaner eine ‚Guter Bulle – böser Bulle‘-Routine nennen. Zuerst bringen sie ihre Leute dazu, unausstehlich zu sein. Dann geht man unter Druck gegen sie vor, um gemäßigt zu erscheinen,“ schimpft der indische Kongresspolitiker Jairam Ramesh.

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21 Kommentare

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  • RS
    Ria Sauter

    Es wird oft die Frage gestellt, warum die Ukrainer/innen hier anders und freundlicher behandelt werden.



    Die Antwort liegt auch in der o.g.Religion und ihrer fanatischen Anhängerschaft begründet.



    Das ist eine Denk- und Handlungsweise die den Menschen hier immer fremder wird.



    Was die Anzahl der Kirchenaustritte beweist.

  • Auffällig an dem Bild ist, dass sich die muslimischen Frauen scheinbar nicht beleidigt fühlen. Kann mir das einer erklären?

    • RS
      Ria Sauter
      @Pepi:

      Das hängt mit der Rolle der Frau zusammen, die sie bei allen Religionen inne hat.



      Mund halten! Zuhause bleiben!

  • Der Gründer Pakistans, Muhammad Ali Jinnah, war ein kluger Mann. Für ihn war es vollkommen klar, dass Hinduismus und Islam nicht koexistieren können und inkompatibel sind. Man könnte viel von ihm lernen.

    „Any idea of a united India could never have worked and in my judgement it would have led us to terrific disaster. Maybe that view is correct; maybe it is not; that remains to be seen.“

    „Hindus and Muslims belong to two different religious philosophies, social customs, litterateurs“

    Ein Mann, der Frauen respektierte. Und mit einer sehr lebenslustigen Frau verheiratet war. Heute hätte er jede Menge Probleme damit.

    „No nation can rise to the height of glory unless your women are side by side with you. We are victims of evil customs.“

    Tja, die Männer Seite an Seite mit den Frauen. Bravo.

    Welche Religion ist übrigens kürzlich aus der Istanbul-Konvention zum Schutze der Frau ausgestiegen?

    Nupur Sharma hat im übrigen nur eine historische Tatsache (kein Narrativ) ausgesprochen.

  • "Sie griff das Narrativ auf, dass der Prophet eine Minderjährige geheiratet und mit ihr Verkehr hatte"

    Narrativ? Das ist eindeutig orthodoxe islamische Geschichtsschreibung und wird von niemandem bestritten. Es wird halt nur - typisch Religion halt - irgendwie als nicht so schlimm betrachtet; der Prophet und Aischa hatten eben eine göttliche Ausnahmegenehmigung, und im übrigen soll's bitte heutzutage niemand mehr so laut erwähnen.

    • @Suryo:

      Warum regen sich Braune eigentlich nie über die jahrhundertelange Praxis der Minderjährigen - und Inzestheirat in christlichen Herrscherhäusern Europas auf, sondern über einen Dude aus Mekka? Rassismuss oder einfache Islamfeindlichkeit plus meterdickem Balken im Auge?

      • @Bouncereset:

        Lynchen Braune heute noch Menschen, denen auch nur nachgesagt wird, sie hätten schlecht über einen der Hohenzollern geredet?



        Genau das passiert nämlich z.B. in Pakistan regelmäßig.

    • @Suryo:

      Das ist endeutig ein Narrativ. Das Konstrukt einer Minderjährigen nach unserem Verständnis gab es damals so einfach nicht. Die Tatsache, dass ein lokaler Kommandant offiziell die Tochter des reichsten Kaufmanns der Gegend zur Finanzierung seiner Kriegszüge ehelicht, ist nach damaligen Maßstäben einfach nur diplomatischer Usus und in allen möglichen Kulturen der gleichen Epoche überliefert. Das mit den heutigen moralischen Vorstellungen zu bewerten ist mutwillig bösartig. Das durchschnittliche Alter eines Mädchens bei der Hochzeit lag in der Spätantike und im Mittelalter bei vielleicht 12 Jahren? Besonders außergewöhnlich ist der Fall also nicht. Da kann ich Ihnen aus dem europäischen Kulturraum Eheschließungen nennen, bei denen die Ehepartner noch viel jünger waren als hier.

      • @Šarru-kīnu:

        Es gab damals auch kein "Konstrukt" von (universalen) Menschenrechten,die heute international verbindlichen Kriegsregeln ,anhand derer man Kriegsverbrechen definiert, sind auch erst ab dem 19. Jahrhundert entstanden. Obwohl Zerstörung,Plünderung ,Vergewaltigung,etc. zu den meist üblichen Begleiterscheinungen von Kriegen gehörte,heißt es nicht das diese früher weniger Leid verursacht haben ,"weil es üblich war". Es ist zwar andererseits auch nicht immer richtig heutiges Denken ,Sichtweisen ,etc auf andere Zeiten zu übertragen. Doch kann man sich auch ändern, schlechte Angewohnheiten ablegen ,aus alten Fehlern lernen. Und dafür neue machen :-)

      • @Šarru-kīnu:

        Aber würden Muslime denn heute noch sagen, dass es völlig in Ordnung ist, mit einer Neunjährigen Sex zu haben? Oder würden die meisten das nicht doch für ein Verbrechen halten und zwar auch in den Augen Gottes? Das eigentliche Narrativ ist doch, dass Muhammad damals sozusagen eine göttliche Ausnahmegenehmigung erhalten habe und es eine Beleidigung des Islam sei, das anzuzweifeln.

      • @Šarru-kīnu:

        Da haben sie schon recht. Aber ein Problem bleibt. Wenn man behauptet ein lokaler Kommandant der vor fast 1500 Jahren gelebt hatt, sei der perfekte Mensch, hatt nie Fehler gemacht und sein Verhalten sei auch heute eins zu eins Vorbild für alle Gläubigen. Dann hatt man halt ein Problem wenn diese Person etwas getan hatt was nach heutiger Sicht für denn größten Teil der Menschheit ein abartiges Verbrechen ist. Dieses Problem tritt übrigens auch mit jede Menge Personen aus der Bibel zu da werden Dinge als absolut super dargestellt ( Völkermord usw) die nach heutiger Sicht einfach Übel sind. Was wiederum nicht zu einer ewig gültigen Moral passt, die die Religionen für sich in Anspruch nehmen.

  • "Sie griff das Narrativ auf, dass der Prophet eine Minderjährige geheiratet und mit ihr Verkehr hatte, was ihr nun mächtig Ärger und Empörung beschert."

    Laut den Überlieferungen hat er das nunmal. Sich darüber aufzuregen, zeugt von einer ziemlichen Doppelmoral. Naja, Religionen sind grundsätzlich irrsinnig.

    • @Stefan L.:

      Doppelmoral?

      Ich würde sagen, es spricht doch eigentlich für die heutigen Muslime, wenn ihnen die Heirat ihres Propheten mit einer 6-Jährigen unangenehm ist.

      Es wäre nur schön, wenn sie mit der Kritik anders umgehen würden.

      Fehlende Kritikfähigkeit ist nun aber nichts, was nur Religionen vorbehalten ist.

      • @rero:

        Naja - einerseits soll es ihnen unangenehm sein, dass ihr Prophet Sex mit einer Neunjährigen hatte, aber wenn mal irgendwer wagt, eine Karikatur zu zeichnen, werden Menschen gelyncht und Städte verwüstet. Der Prophet kann leider nicht beides sei, fehlbar UND vollkommen. Und das ist dann doch so etwas wie Doppelmoral.

        • @Suryo:

          Für mich ist ja wirklich beides die gleiche Medaillenseite.

          Wenn ich Kritikfähigkeit mitbringe, kann ich auch mit Karikaturen so leben, dass ich nicht gleich lynchen gehe.

  • Wichtig wäre die Information gewesen, was Nupur Sharma denn konkret gesagt hat.

    Dass es das Hadith gibt, wonach Aisha bei ihrer Eheschließung 6 Jahre alt gewesen sein soll und 9 Jahre, als sie mit ihm Verkehr hatte, kann man schlecht bestreiten.

    Es soll von Aisha selbst stammen und wurde über 14 Jahrhunderte hindurch von allen Theologen als vertrauenswürdig eingestuft.

    Hat Frau Sharma dieses Hadith in einem beleidigenden Kontext erwähnt oder ist den Protestierenden ihr Prophet in diesem Punkt peinlich?

    • Natalie Mayroth , des Artikels, Reporterin
      @rero:

      Dieser Clip (solange er noch online ist) zeigt die „Debatte“. In einer alten Moschee in Nordindien soll es einen Shivling (Symbol des Hindu-Gottes Shiva) geben, sagen hinduistische Kläger; Muslime sprechen von einem Brunnen. Frau Sharma teilt ihren Point of view darüber mit lauter Stimme: twitter.com/hatede...zA-ks8WH-YQmpgzrjw

      • @Natalie Mayroth:

        Danke für den Link.

        Man muss sagen, die Diskusssionsführung hat einen gewissen Unterhaltungswert.

  • Darf man denn nicht sagen was wahr ist nur weil es einigen Menschen nicht gefällt ?



    Es ist ja im Koran genau beschrieben wie alt seine Frau war. Die Wahrheit muss gesagt werden dürfen - sonst ist man auf der falschen Seite liebe taz - wir sind nicht die katholische Kirche die verhindern will das die Erde rund ist.

    • @Timelot:

      Nur weil man nicht lügen soll ,muß man ja nicht gleich immer die Wahrheit sagen! ;-)

    • @Timelot:

      Die katholische Kirche hat das nie verhindert, das ist eine Erfindung der Aufklärung. Die katholische Kirche hatte ein Problem mit dem Heliozentrismus, aber nie mit der Kugelgestalt der Erde.