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Bundeshaushalt in der CoronakriseGigantische Löcher in Aussicht

Der Bundeshaushalt 2021 wächst auf fast eine halbe Billion Euro an. Umstritten ist, wie mit den Schulden umzugehen ist.

Gigantische Löcher müssen gestopft werden, so die Kritiker des neuen Bundeshaushalts Foto: jondpatton/getty images

Berlin taz | „Noch nie habe er „so große Veränderungen im Bundeshaushalt“ erlebt, sagte Eckhardt Rehberg am Freitag. Der Unions­politiker sitzt seit fast 12 Jahren im Haushaltsausschuss des Bundestages. Im Vergleich zu ihrem ersten Entwurf für 2021 hatte die Bundesregierung kürzlich schon 70 Milliarden Euro Ausgaben draufgepackt. Und in der Nacht zum Freitag kamen nochmal 20 Milliarden dazu – die Folgen der Finanzhilfen in der zweiten Coronawelle.

Knapp 500 Milliarden Euro Ausgaben soll der Etat nun im kommenden Jahr umfassen. Das sind etwa 150 Milliarden mehr als im normalen Vor-Corona-Jahr 2019. Im Gegensatz dazu können die Ausgaben 2021 aber nicht durch Steuereinnahmen gedeckt werden. Die Koalition aus Union und SPD plant rund 180 Milliarden Euro zusätzliche Schulden ein. Das ist etwa das Doppelte dessen, was Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) anpeilte, bevor die zweite Welle rollte.

Große Summen der Mehrausgaben werden beispielsweise in die November- und Dezemberhilfen für Unternehmen fließen. Zusätzliche Milliarden sind für Impfstoffe, Atemmasken und Krankenhausfinanzierung gedacht. Ob das Zahlenwerk so Bestand habe, sei aber unklar, sagte Rehberg. Das hänge wesentlich davon ab, ob und wann Impfungen die Pandemie beenden könnten.

Nachtragshaushalte mit noch mehr Ausgaben sind also nicht ausgeschlossen. Aber auch ein günstigerer Verlauf ist möglich. 20 Milliarden Euro für die Coronavorsorge habe der Haushaltsausschuss grundsätzlich genehmigt, aber vorläufig gesperrt, sodass die Abgeordneten im Einzelfall zustimmen müssen, erklärte SPD-Haushälter Dennis Rohde.

Sparen? Mehr Einnahmen? Schulden?

Die Opposition beschwerte sich unterschiedlich scharf. 25 Milliarden Euro Schulden würden reichen, würde der Lockdown beendet, sagte Peter Boehringer (AfD). Ausgaben und Verschuldung gingen „weit über das Notwendige hinaus“, so Otto Fricke (FDP), der Steuersenkungen für Unternehmen und Mittelstand forderte.

Laut Gesine Lötzsch (Linke) arbeitet Finanzminister Scholz „mit ungedeckten Schecks“. „Wir wollen vor der Wahl wissen, wer hinterher die Rechnung bezahlt“, sagte sie, warnte vor Kürzung der Sozialausgaben und verlangte eine Vermögenssteuer für Milliardäre.

In der Tat ist eine entscheidende Frage bisher unbeantwortet: Wie kann die neue Bundesregierung es schaffen, die gigantischen Löcher nach Corona zu stopfen? Weniger Ausgaben, höhere Einnahmen, mehr Schulden, als die Schuldenbremse erlaubt? Für diese Variante sprach sich Sven-Christian Kindler (Grüne) aus, plädierte unter anderem für „längere Tilgungsfristen“, für die Coronaschulden und forderte zusätzliche „kreditfinanzierte Investitionen“.

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6 Kommentare

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  • Die Vermögenssteuer hätte nie abgeschafft werden dürfen. Sie trug eindeutig und sichtbar zu Verteilung von unten nach oben bei. Nicht mehr hinnehmbar ist auch der Fakt dass die öffentlichen Sozialsysteme und das Gesundheitswesen alleine von Menschen in Sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bezahlt werden und alle Selbstständigen, Firmeneigner:innen und "Privatiers" in private Versicherungen gelockt werden. Letztere gehören abgeschafft und jeder Mensch sollte ganz einfach in den staatlichen Sozial- und Gesundheitspool einzahlen müssen. Zugleich muss die Gesundheitsversorgung vom Top Krankenhaus bis zum Nullachtfuffzehn Pflegeheim verstaatlicht werden da es nicht sein kann dass diese enorme Gemeinschaftsleistung aller die das Gesundheitswesen solidarisch finanzieren dann als Privatgewinne von privaten Krankenhausbetreiber:innen und Pflegeanbieter:innen abgezogen werden. Dann wäre genügend Geld für bessere Bezahlungen und damit auch mehr Berufseinsteiger:innen in Gesundheitsberufe kein Problem mehr. Ebenfalls endlich nutzen: Besteuerung von globalen Konzernen. Digitalkonzerne (Google, Amazon und co) profitieren von der Pandemie enorm durch die stark gestiegene Onlinenutzungen privat wie beruflich. Wann wenn nicht jetzt muss endlich das Prinzip umgesetzt werden: Besteuerung anteilig dort wo Gewinne erzielt werden. Nicht länger in Steueroasen in der globale Firmen bevorzugt ihren Firmensitz anmelden und (keine) Steuern zahlen weil sie frei einen Ort wählen können an dem sie keine Gewinne machen. Das dauert länger aber die Weichen können jetzt ganz einfach gestellt werden die Gründe dafür sind aktuell noch offensichtlicher und die Gegenargumente einleuchtend falsch.

  • Moment mal, wir wollen doch nicht ans Geld der Superreichen, die bedürfen doch der vom Mittelstand fürs Alter angesparten Pfründe. Also hilft nur ein Corona-Soli, den Alle bezahlen die „Reicher“ als Grundsicherung sind und ganz Oben argumentieren wir wieder mit trickle-down, das passt schon. Da sind so viele faule Kredite und Zentralbankgeld in Investorenhand, das sich nur mäßig rentiert, da muss endlich der letzte Sauber-Geld Bestand für geopfert werden und was böte sich hier besser an, um den Mittelstand im Namen des großen Ganzen zu opfern, als die Pandemie?

  • Sven-Christian Kindler (Grüne) scheint dann wohl die einfach Lösung anzupeilen.

    Einnahmen sinken, ausgaben explodieren, dann erhöhen wir einfach die Schuldenbremse und alles sieht wieder normal aus.

    Kurz noch am Rande, nach Korona werden Millionen Jobs wegfallen, die keinen Steuereinnahmen mehr bringen. Dazu der digitale Wandel, mehrere hunderttausende Jobs.

    Um das ganze abzurunden, gehen die geburtenstarken Jahrgänge in den kommenden Jahren in Rente (die weißen, verhassten alten Männer). Problem ist, diese Generation hatte überproportional viel verdient, es fehlen wieder Steuereinnahmen. Hinzukommt, dass diese Menschen sich nun völlig zu Recht vom Rententop bedienen, bzw. von dem was noch übrig ist.

    Parallel zu all dem haben wir Sozialausgaben auf einem noch nie dagewesenen Rekordhoch. Gekürzt wird beim Bildungsetat, dann macht einfach jeder sein Abitur wie in Berlin mit 1.0 und fühlt sich gut. Quantität statt Qualität.

    Spätestens 2025 wird unser System kollabieren.

    • @Sivan Shahaz:

      Auf die Idee jene zur Kasse zu bitten die sich aus der Solidargemeinschaft herausgezogen haben und schamlos Kapital anhäufen und es der Gemeinschaft entziehen kommen sie nicht. Die Alten sind schuld. Neoliberales Denken. Das Problem ist, dass 45 Superreiche in Deutschland soviel besitzen wie ärmere Hälfte der Bevölkerung.

      • @Andreas J:

        Ganz genau.

  • Von denen hohlen die zuviel haben, fertig. Die Konzentration von Reichtum auf einige wenige ist eh nur demokratiegefährdend. Als erstes Stefan Quandt und Susanne Klatten. Die haben für das abgelaufene Geschäftsjahr eine Dividende von 425 Millionen Euro bekommen, während BMW Kurzarbeit beantragt hat. Insgesamt hat BMW 1,6 Milliarden ausgeschüttet. Amazon und co. auch richtig rannehmen!