Christian Linder und Friedrich Merz: Ganz nah beieinander
Christian Lindner stellt das Buch von Friedrich Merz vor. Die beiden sind sich weitgehend einig. Das könnte für einen von beiden zum Problem werden.
Lindner gönnt sich ein, zwei Sticheleien. So sei bei dem Kapitel über Steuerpolitik „der frühere Fachpolitiker“ Merz zu hören. Das ist eine zweite zarte Andeutung, dass der CDU-Mann doch recht lange auf der Ersatzbank saß. Ansonsten ist Lindner voll des Lobes für das Werk, das er für authentisch hält – was heißen soll, dass er vermutet, dass Merz es selbst geschrieben hat.
Solche Nettigkeit ist dem Format der Buchvorstellung geschuldet – aber nicht nur. In zentralen Fragen sind die beiden sich einig. Etwa, dass man die Klimakrise mit Marktmechanismen schon in den Griff bekomme und dass es falsch sei, sich von dem Verbrennungsmotor zu verabschieden.
Merz fordert „mehr Technikbegeisterung“, Lindner will die „Selbstbürokratisierung“ überwinden. Merz findet, dass wir in einem tollen Land leben, Lindner kritisiert, dass wir zu wenig über das Erwirtschaften und zu viel über Verteilung redeten. Für Technik und Markt, gegen Bürokratie und Umverteilung, das sind liberal-konservative Evergreens.
Merz nickt, Lindner nickt
Fridays for Future lobt Merz als erfreuliches Engagement junger Menschen, denen man freilich die Segnungen der Marktwirtschaft noch nahebringen müsse. Lindner sagt indes gereizt, er habe einfach keine Zeit für solche Bewegungen und mache lieber Sachpolitik. Er hatte FFF schon mal erklärt, dass sie die Weltrettung Profis überlassen sollen. Merz nickt oft, wenn Lindner spricht, Lindner nickt oft, wenn Merz spricht.
Beiden fällt auf, dass diese traute Eintracht suboptimal ist. Man vertritt ja verschiedene Parteien. Da macht der fast fugenlose Konsens keinen guten Eindruck. „Was wird da die CDA, was soll da meine Partei sagen?“, so Lindner mit Blick auf den Arbeitnehmerflügel der CDU. Das ist eine gute Frage. Dem FDP-Chef fällt zum Glück noch ein, dass er mit einer europäischen Arbeitslosenversicherung nicht einverstanden ist, die Merz freilich nur als Ziel in ferner Zukunft skizziert.
Dass sich so gar kein brauchbarer Dissens findet, ist für Lindner, falls Merz CDU-Chef wird, eine trübe Aussicht. Denn der spricht weitgehend den Text der FDP, die sowieso schon ausgemergelt wirkt.
Allerdings tut Merz derzeit viel dafür, der FDP diese Verlegenheit zu ersparen. Seine markige Ankündigung vom Donnerstag, mit Trump würde er schon klarkommen, wirkte mal wieder breitbeinig und kurzsichtig. Bei der Buchpräsentation betont er hingegen, dass Merkels Abgang „eine Zäsur, aber kein Bruch“ sei. Das ist als Beruhigung gedacht und als Ansage, nicht den Anti-Merkel zu geben.
Mit Trump klarkommen? Breitbeinig und kurzsichtig
Lindner fällt doch noch ein kritischer Punkt ein. Der CDU-Mann erwähne die SPD-Entspannungspolitik und die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze nicht. „Das mach ich in der zweiten Auflage“, sagt Merz munter – eine angesichts des phrasenhaften Stils des Buches kühne Ankündigung.
Nach einer Stunde zeigt Lindner demonstrativ auf seine Uhr. Er ist ja aktiver Politiker und hat Verpflichtungen im Bundestag – anders als Merz.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um Termin für Bundestagswahl
Vor März wird das nichts
Bewertung aus dem Bundesinnenministerium
Auch Hamas-Dreiecke nun verboten
SPD nach Ampel-Aus
It’s soziale Sicherheit, stupid
Wirbel um Berichterstattung in Amsterdam
Medien zeigen falsches Hetz-Video
Energiepläne der Union
Der die Windräder abbauen will
Einigung zwischen Union und SPD
Vorgezogene Neuwahlen am 23. Februar