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Jann-Henning Dircks unter VerdachtGegen den Wutbauern wird ermittelt

Weil er zu drastischen Maßnahmen gegen Tierschützer aufgerufen hat, laufen nun Ermittlungen gegen einen Eiderstedter Bauernfunktionär.

Bessere Nachrichten: Jann-Henning Dircks, Bürgermeister, 2011 neben Firmenschildern Foto: Nicola Kabel/dpa

Hamburg taz | „Nehmt Vorschlaghammer, Akkuflex und Bolzenschneider mit. Und dann stehen wir zusammen und dann lassen wir uns das nicht gefallen und dann ist endlich mal gut in dieser Gesellschaft, in dieser Bananenrepublik.“

Jann-Henning Dircks ist gehörig in Rage in dem Video, das am 2. November auf auf Facebook auftauchte. Anlass der Erregung: rund 60 Tierschützer*innen, die seit jenem Montagmorgen die Zufahrten zum Schlachthof in Kellinghusen im Kreis Steinburg blockierten. Einige davon hatten sich an Toren festgekettet, andere von Gebäuden abgeseilt.

Gegen jenes „Pack“ nun mobilisierte Dircks, Landwirt – und ehrenamtlich Bürgermeister in Norderfriedrichskoog im Kreis Dithmarschen. Und weil er dabei Dinge wie die eingangs zitierten sagte, ist der verhinderte Selbstjustizler nun selbst Gegenstand von Ermittlungen.

Die Flensburger Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des öffentlichen Aufrufs zu Straftaten gemäß Paragraf 111 Strafgesetzbuch eingeleitet. „Es besteht der Anfangsverdacht, dass der Beschuldigte mit diesem Video zu Sachbeschädigungs- und Nötigungshandlungen auffordern wollte“, sagte Sprecherin Inke Dellius am Donnerstag zur taz.

Berichtet haben darüber unter anderem die Husumer Nachrichten und das „Schleswig-Holstein Journal“ des NDR. Für Dircks ist es aber längst nicht die erste mediale Beachtung: Nicht nur machte Norderfriedrichskoog lange als Briefkastenfirmen-Steuerparadies mit ungewöhnlich jungem Bürgermeister auf sich aufmerksam – als er das Amt 2004 übernahm, war Dircks gerade mal 30.

Nein, er war vor allem immer wieder Stimme und Gesicht bäuerlicher Wut. So auch im Sommer dieses Jahres: Da bedienten sich protestierende Landwirte im hohen Norden einer historisch, sagen wir: nicht unbelasteten Ikonografie. Sie formierten aus Hunderten Traktoren das Symbol der wenig demokratischen, völkisch-nationalistischen „Landvolk“-Bewegung der 1920er-Jahre.

Damals, im Juni, distanzierte sich Dircks „von jeglichem nationalsozialistischen Hintergrund und von jeglicher Gewalt“. Auch jetzt hat er einige seiner Äußerungen „unglücklich formuliert“ genannt.

Abzuwarten, wie viel ihm solche Beschwichtigung nützt. Neben den strafrechtlichen Ermittlungen läuft, so heißt es, auch eine Prüfung beim Kreis Nordfriesland. An deren Ende könnte ein Diziplinarverfahren gegen den Bürgermeister stehen.

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