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SPD-Kanzlerkandidat zu Cum-Ex befragtDer vergessliche Olaf Scholz

In der Cum-Ex-Affäre soll er einer Bank eine Millionenzahlung erspart haben. Bei der Befragung im Bundestag sagt Scholz wenig.

Trägt – freundlich gesagt – nichts zur Aufklärung bei: Olaf Scholz Foto: Michael Kappeler/dpa

Berlin taz | Die Warburg-Cum-Ex-Affäre sieht für die Hamburger SPD nicht gut aus. Die alteingesessene Hamburger Warburg Bank war an Cum-Ex Geschäften beteiligt. Cum-Ex war organisierter, krimineller Betrug. Zehn Milliarden Euro stahlen Banken dem deutschen Staat.

Im Jahr 2016 und 2017 rollten Forderungen von bis zu 90 Millionen Euro wegen alter Cum-Ex-Deals auf die Warburg-Bank zu. Die Geschäfte liefen damals für die Bank mies. Warburg-Chef Christian Olearisus versuchte die Zahlung zu vermeiden. Der in Hamburg bestens vernetzte Banker antichambrierte bei der SPD, traf sich mit dem Haushaltspolitiker Johannes Kahrs und spendete 45.000 Euro an die Genossen in Hamburg.

Alle anderen Beteiligten an der Affäre – das Finanzministerium in Berlin und Steuerfahnder aus NRW – beharrten darauf, dass die Bank 47 Millionen Euro in Hamburg zahlen muss, ehe die Forderung verjährte. Nur die Hamburger Finanzbehörde sah das anders. Olearius hatte Erfolg. Warburg zahlte nicht.

Olaf Scholz, damals Bürgermeister in Hamburg, traf Olearius 2016 und 2017 dreimal. „Ein guter Bürgermeister führt viele Gespräche“, so Scholz am Mittwoch im Bundestag. Verdächtig wirkte indes, dass Scholz sich bei einer früheren Befragung im Finanzausschuss nur an ein einziges Mal erinnert hatte. Im Finanzausschuss am Mittwoch räumte der SPD-Kanzlerkandidat nun auch die anderen, bereits dokumentieren Treffen ein.

Scholz: Immun gegen Lobbyismus?

Ansonsten könne er sich allerdings wie gehabt an nichts erinnern. Im Übrigen sei die Entscheidung Sache des Finanzamtes gewesen, auf das Politiker keinen Einfluss hätten. Gegen Beeinflussung durch Interessenvertreter sei er immun. „Ich kann sehr störrisch sein“, so Scholz im Bundestag. Das ist die Verteidigungslinie.

Die Grüne Lisa Paus hält dies für wenig glaubhaft. Dass Scholz drei Treffen, ein Telefonat und einen Brief von Olearius einfach vergessen habe, sei wenig plausibel. Immerhin ging es um Cum-Ex und eine renommierte Hamburger Bank am Abgrund. Scholz telefonierte am 9. November 2016 mit Olearius. Der hatte ihm zuvor ein Papier zukommen lassen, eine Rechtfertigung, warum die Bank nicht zahlen brauche. Scholz empfahl dem Banker, den Brief ohne weitere Bemerkung an Finanzsenator Peter Tschentscher weiterzuleiten. Am 17. November entschieden Hamburger Finanzbeamte und die Steuerverwaltung, die Causa Warburg verjähren zu lassen.

Das könne doch kein Zufall sein, so Paus im Bundestag. Der Linkspolitiker Fabio De Masi, der in der Cum-Ex-Affäre durch Scharfsinn glänzt, fragte im Bundestag, wieso Scholz überhaupt riet, den Warburg-Brief weiterzuleiten, wenn alles doch nur Sache des Finanzamts war.

Eine Erkenntnis am Mittwoch lautet: Scholz weiß, was Teflon ist. „Man kann Erwägungen anstellen“, antwortet er vage. Aber er habe als Bürgermeister viele Gespräche geführt. Zu dem Tipp, den Brief an den Finanzsenator weiterzuleiten, sagt er schmallippig: „Es ist auf den Dienstweg verwiesen worden. Das ist immer die richtige Vorgehensweise.“ Es gibt in den Sätzen des Finanzministers oft kein Subjekt und keinen Autor. Die politische Verantwortung wird in Passivkonstruktionen entsorgt.

Verdächtig – aber Handfestes gibt es nicht

Wenn wir Scholz’ Version folgen, so hatte er als Bürgermeister auch nichts mit der Spende an die SPD zu tun. In Hamburg werde strikt zwischen Regierung und Partei getrennt, um Bestechung von Amtsträgern möglichst auszuschließen. Allerdings war Scholz auch bis 2018 SPD-Chef in Hamburg.

Laut Scholz’ Version muss für die Warburg-Entscheidung vor allem eine Finanzbeamtin verantwortlich gewesen sein – eingedenk der Tatsache, dass Cum-Ex ein hochpolitisierter Fall war, wirkt das unwahrscheinlich. Dass Scholz, freundlich gesagt, nichts zur Aufklärung des Falls beiträgt, verstärkt den Verdacht, dass es etwas zu verheimlichen gibt.

Nämlich dass Scholz, um die mögliche Bankenpleite und den Jobverlust zu vermeiden, beide Augen zudrückte, obwohl es Beweise gab, dass die Bank sich auf Staatskosten dreist bereichert hatte. Aber zwischen wenig wahrscheinlich und erwiesen falsch gibt es einen Unterschied.

In den Finanzausschuss wird Scholz, so die Grüne Lisa Paus, wohl nicht mehr geladen. Das mache bei jemand, der sich an nichts erinnern könne, keinen Sinn. Oder nur, wenn es neue Fakten gibt.

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9 Kommentare

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  • Fragen als Scholz werden wirklich immer mehr

    Hätte damaliger Hamburger Bürgermeister heutiger SPD Bundesfinanzminister Olaf Scholz in Kenntnis M.M. Warburg CEO Olearius Steuergeheimnis Offenbarungsschreiben 9. Nov 2016 an ihn, dass Warburg in finanzielle Schieflage gerät, aufgrund auf Wiedervorlage gesetzt drohenden Steuerrückzahlungen in 47 Millionen € Höhe an Hamburger Finanzverwaltung nach rechtskräftigem NRW Urteil gegen Warburg AG wg Cum EX Steuerbetrugs, Olearius nicht nur telefonisch, sondern belegbar unverzüglich schriftlich darauf verweisen müssen, dass diese Nachricht aktienrechtlich relevant als Ad Hoc Meldung Hamburger Börsenaufsicht anzuzeigen ist, um SPD, ihn Scholz, u. a. Eingeweihte SPD MdB Johannes Kahrs, SPD Graue Eminenz Alfons Palwelzyk, Hamburger Finanzsenator heutigen Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher nicht in Verdacht von Insiderwissen gar Insiderhandel zu bringen?

    taz.de/Cum-Ex-Affa...-Hamburg/!5709374/

  • Scholz zeigt Wirkung, er macht Fehler.

    Folgende Scholz Einlassungen waren n. m. E. Fehler:

    „Scholz telefonierte 9. Nov 2016 mit Olearius. .., …. Scholz empfahl ihm, Brief ohne unkommentiert an Finanzsenator ..Tschentscher weiterzuleiten…Im Übrigen sei Entscheidung Finanzamt Sache .., auf das Politiker keinen Einfluss hätten. …. „

    „Zum Tipp, Olearius Brief an Finanzsenator weiterzuleiten, sagt Scholz ..: „Es ist auf den Dienstweg verwiesen worden. Das ist immer die richtige Vorgehensweise.“

    Tatsächlicher Dienstweg wäre, Scholz Büro hätte ohne Scholz Olerarius Schreiben vorzulegen, Schreiben zurück an Olerarius mit Vermerk geschickt, er solle Dienstweg einhalten, nicht wie Scholz empfahl sondern direkt an Finanzverwalter schicken, damit die Akte „Warburg in Not“ anlegen könne, sich gegebenenfalls mit Tschentscher unter Rechtslage Wahrnehmung, die aus Warburg Cum-Ex Betrug erfolgt, berate. Scholz nährt mit Telefonat Verdacht, dass das Olerarius Schreiben persönlich an ihn ging, ohne in seinem Büro als Eingang registriert zu sein, damit keine Spur zu Scholz gelegt wird, damit nicht Scholz sondern Tschentscher, sein Rivale in Hamburger SPD, in Vorgang eingebunden ist? Denn Scholz konnte nicht ahnen, dass Olearius Tagebuch schreibt, das bei Hausdurchsuchung in Behörden Hände fiel.



    Frage; wo ist Olearius Exemplar an Scholz verblieben? wurde es an Olearius zurückgesandt, mit oder ohne Verweis auf Dienstweg? wenn ja, warum fand Scholz es dann nötig, Oelarius anzurufen?

    War es nach Entscheidung der Finanzverwaltung 17.Nov. 2016, Warburg Causa verjähren zu lassen, trotz Warburg Cum Ex Betrugs, sowohl MdB Kahrs, Finanzsenator Tschentscher als auch Bürgermeister Scholz Pflicht, gegen Finanzverwaltung Disziplinarverfahren einzuleiten, Bundestag, Bürgerschaft zu informieren, Sachverhalt zu klären, um nicht selber in Anfangsverdacht zu geraten der Untreue im Amt, Begünstigung der Veruntreuung von 47 Millionen € Steuergeldern, Beihilfe zur Rechtsbeugung im Finanzamt?

  • Mit dem vergesslichen Herrn Scholz kann die SPD nennenswerte Stimmenanteilsteigerung bei der Bundestagswahl 2021 vergessen ...



    NOlaf eben ....



    Die SPD hat ihn nach Kriterien des öffentlichen Dienstes zum Kandidaten gemacht: er war jetzt zur Beförderung dran .... ;-)

  • Prima recherchiert Herr Reinecke!

    Besonders das Versprechen maximaler Transparenz ist hier nichts wert, weil niemand, auch nicht der Minister, etwas sagen darf, was nur im Entferntesten, einen Hinweis über die Straftäter und ihre Machenschaften geben könnte (§ 30 Abgabenordnung).



    Wo war das Amt 5 mit seiner Dienst und Fachaufsicht, die eine gleichmäßige Rechtsanwendung bei der Besteuerung "gewährleistet", als die untergeordnete Behörde, -das Finanzamt- "entschieden haben soll", 47 Mio sausen zu lassen??



    Entscheidend ist, wäre das Besteuerungsverfahren durchgezogen worden, hätte das unweigerlich zahlreiche Strafverfahren zur Folge gehabt. So mancher hätte seinen nicht nur hanseatischen "guten Namen" verloren.



    Über die Hackordnung, die hier definitiv in der Politik beginnt, ordnet niemand an: "lassen sie 47Mio verjähren".



    Ab hier können wir



    SteuerzahlerInnen nur noch spekulieren, warum?...na..wegen § 30 AO, womit die Rhetorik wieder in's Spiel kommt. Man spricht von oben nach unten in rhetorischen Grauzonen, etwa "handeln sie verantwortungsvoll und begrenzen sie den Schaden". Dann kann das Finanzamt "verantwortungsvoll" interpretieren, der ganze Wirbel vorher hatte den Interpretationsrahmen erahnen lassen. Man hat's kapiert, man lässt den Steueranspruch verjähren.



    By the Way, Aufgabe des Ministeriums über das Amt 5 bis zum Finanzamt wäre es, alle Kräfte zu bündeln, um hier ein Zeichen gegen die organisierte Kriminalität zu setzen.

    Zitat aus www.hamburg.de/steuern/



    "Das Amt 5 der Finanzbehörde (Steuerverwaltung) nimmt die Dienst- und Fachaufsicht über die Finanzämter wahr und betreut diese. Dadurch wird eine gleichmäßige Rechtsanwendung bei der Besteuerung gewährleistet."



    Aufgaben der Finanzbehörde -Steuerverwaltung-:



    ..fachliche und organisatorische Steuerung und Kontrolle (Aufsicht) der nachgeordneten 14 Hamburger Finanzämter



    Wenn die schon ihren eigenen Online- Auftritt nicht kennen..

  • Ein Kanzlerkandidat mit Erinnerungslücken scheint schon von vornherein keine gute Wahl.

    Sehen wir es positiv - er war stets bemüht.

  • Scholz hat ja noch nicht mal den Mut wirklich zu leugnen. Stattdessen schwafelt er von irgendwelchen Charaktereigenschaften die er sich zugeordnet wissen möchte. Das ist so peinlich und butterweich wie es überhaupt nur geht.

    • @Benedikt Bräutigam:

      Eine andere Art von Mut wäre es, offen zu der Entscheidung zu stehen, der Warburg-Bank die Millionen zu lassen. Etwa mit der Begründung, dass etwaige Prozesse die Stadt Hamburg mehr gekostet hätten. Aber selbst dazu fehlen ihm die E**r.

  • "Der in Hamburg bestens vernetzte Banker antichambrierte bei der SPD..."



    Schön, dass der Begriff noch nicht ausgestorben ist.



    Dadurch bekommt selbst Olaf Scholz etwas von Marie Antoinette!

  • "Erspart" hat er der Warburg Bank eher nichts. Er hat die Geschichte, wie so vieles, an sich 'abtropfen' lassen. So reagiert Scholz bei heiklen Themen, un das war extrem heikel.