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Berichterstattung Anti-Corona-DemoDie Sache beim Namen nennen

Viele Medien haben in ihren Berichten über die Proteste der Coronaleugner:innen rechtes Framing übernommen. Und die Demoteilnehmer:innen verharmlost.

Das Reichstagsgebäude am Tag nach den Demonstrationen gegen die Coronamaßnahmen Foto: Christoph Soeder/dpa

Die Bilder und Videos vom vergangenen Wochenende werden nicht so schnell verschwinden. Dutzende Menschen hatten sich am vergangenen Samstag illegalen Zutritt zu den Treppen des Sitzes des Deutschen Bundestages verschafft. Dort standen sie, riefen rechtsextreme Parolen, schwangen Deutschland-, USA- und Reichsflaggen. Laut Polizei sollen es 300 bis 400 Menschen gewesen sein. Die Bilder sind beängstigend. Sie sind ein Symbol für den bestehenden Rechtsextremismus in Deutschland. Klar also, dass in der deutschen Medienlandschaft ausführlich darüber berichtet wurde.

Viele Medien, beispielsweise der Tagesspiegel, die „Tagesschau“ oder der Spiegel schrieben von einem „Sturm auf den Reichstag“, teilweise sogar ohne die Formulierung in Anführungsstriche zu setzen. Problematisch ist das, weil damit das Framing der Rechten übernommen wird.

Die Formulierung legt nahe, dass in einem revolutionären Akt ein Regierungsgebäude eingenommen wurde. Schon in den Wochen vor der Demonstration wurde in rechten und verschwörungsideologischen Telegram-Channels zu einem „Sturm auf Berlin“ aufgerufen. In der Realität passierte nichts dergleichen; es wurde nichts gestürmt – auch wenn Rechtsextreme davon träumen. Dass der unberechtigte Zutritt zu den Stufen vor dem Bundestag durch Neonazis, Reichsbürgern und anderen Rechtsextremen für ikonische Bilder sorgte – allein das ist schlimm genug.

So groß die Gefahr ist, dass Medien rechtes Framing unkritisch übernehmen, genauso schwierig ist es, wenn sie die Vorkommnisse der Demo gegen die Coronamaßnahmen verharmlosen. Ein Beispiel dafür ist die Berichterstattung von Bild.de, in der die Demonstrant:innen vor dem Gebäude des Bundestags als „400 Chaoten“ beschrieben wurden.

Nazi, wo Nazi draufsteht

Wer mehrmals am Tag einer Demo sein Pappschild liegen oder seinen Kaffee im Rucksack auslaufen lässt, kann guten Gewissens als „Chaot“ bezeichnet werden. Rechtsextreme Parolen zu brüllen und Reichsflaggen zu schwenken, macht einen jedoch nicht zum Chaoten, sondern zum Rechtsextremen.

Auch andere Medien griffen auf verharmlosende oder scheinbar „lustige“ Umschreibungen für die Demonstrant:innen zurück. Doch selbst wenn nicht alle 38.000 Teilnehmer:innen Rechtsextremist:innen sind: Wer mit ihnen auf die Straße geht und ihnen nicht widerspricht, der ist kein „Covidiot“, kein „Schwurbler“ oder „Coronakritiker“. Auch nicht, wenn man Birkenstock und Dreadlocks dabei trägt.

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14 Kommentare

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  • Richtig!



    Nazi bleibt Nazi und FACHIST, auch wenn er /sie gegen Corona protestiert.



    Und wer mitläuft ist auch Sympatisant der Nazis.

  • Dieses Thema ist so durchgekaut und abgelutscht. Wie lange wollen wir das Framing noch erklären, als ob es niemand mitbekommen würde? Ich möchte lesen, wie dem Framing konstruktiv begegnet wird. Kann doch nicht sein, dass man sich bei diesem Thema seit Jahren im Kreis dreht.

  • generell ist ja die nazi präsenz in den tv sendern erschreckend und hat denke ich nichts mehr mit proporz zu tun!

  • Beim Namen nennen. Und die Veranstalter in Verantwortung nehmen. Und Vorschuss verlangen für eventuelle Polizeieinsätze. Nicht nur immer den Steuerzahler zahlen lassen. Dann würde sich das vielleicht von allein regeln!

    • @Gerdi Franke:

      Der Vorschlag scheint mir aber nicht besonders durchdacht zu sein. Demoanmelder zur Kasse zu bitten, kann´s nun wirklich nicht sein, weil damit das Demonstrieren, ein demokratisches Grundrecht immerhin, damit von der jeweiligen Finanzkraft abhängt. Insofern erinnert diese Idee schon etwas an Konzepte wie das Klassenwahlrecht. Demos gegen Hartz IV dürften sich damit dann jedenfalls erledigt haben.

  • Das Gerede vom "Sturm auf den Reichstag" ist in der Tat Quatsch.



    Eine Ballermann-Busladung mit Fähnchen ist gerade mal ein paar Treppenstufen im Eingangsbereich des Gebäudes heraufgetorkelt. Ganze drei Türsteher waren schon zuviel für die schwäbisch-sächsischen Reisekader.



    Meine selige Oma hätte gesagt: Mit denen kannste keinen Krieg gewinnen.

    • 0G
      03096 (Profil gelöscht)
      @Linksman:

      Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

  • Warum muss Frau Schwarz hier Tagesspiegel, Spiegel und Tagesschau zitieren?

    Nicht nur das Gute Frau Schwarz liegt so nahe:

    "Am Ende stürmten Neonazis die Treppen des Parlaments ..."

    "Zu einem Zeitpunkt beschützten nur drei Polizist*innen das Parlament vor der anstürmenden Horde der Faschisten."

    "Der Versuch von Rechtsradikalen, das Reichstagsgebäude in Berlin zu stürmen, hat breite Empörung ausgelöst."

    Das sind alles Zitate aus Taz-Artikeln.

    Ja, das ist problematisch, weil damit ein Framing der Rechten übernommen wird.

    Offenbar kommt auch die Taz ohne reißerischen Eskalationismus nicht aus.

  • "Die Sache beim Namen nennen"? Gerne doch. Aber dann bitte auch endlich aufhören, von "Corona-Demos" oder "Protest gegen die Corona-Maßnahmen" zu schreiben. Das war's nämlich nicht - und einfach mal so den Arbeitstitel der Initiatoren zu übernehmen ist auch ne Art von Whitewashing.

  • BILD nennt Rechtsextremisten gezielt Chaoten, um demnächst Rechte und Linke wieder gleichzusetzen. Und es werden genügend zustimmend mit dem Kopp nicken.

    • @Lieblich:

      Yo, die BILD passt schon auf, daß das Feuer nicht ausgeht. Daher motzt sie über "Chaoten" und gibt dem armen gebeutelten Volk gleich darunter Tips, wo man noch frei vom "Maskenzwang" Urlaub machen kann.

  • Selten so gelacht.

    • @einEntwickler:

      Worüber lachen Sie sonst so? Der Kommentar hat duchaus etliche Schwächen die Sie benennen könnten. Zu blöd dafür? Einfach 'mal so CO 2 über den Server verbrauchen.

      • @Siegfried Koslowski:

        Och, vielleicht hat er auch einfach nur einen der Artikel gelesen, wo die Taz selbst Framing der Rechten übernommen hat und vom "Stürmen" spricht.