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Black-Lives-Matter-Proteste in den USAAusschreitungen und ein Toter

Die Wut in den USA ist groß: Nach massiver Polizeigewalt brennen in Seattle die Geschäfte. In Portland greifen Demonstranten das Bundesgericht an.

Waffen im Anschlag gegen Demonstranten: vor dem Bundesgericht in Portland Foto: Daniel Kim/dpa

Am Samstagabend demonstrierten wieder tausende von Menschen in den USA gegen Polizeigewalt und systematischen Rassismus in der Gesellschaft. Ausgelöst durch den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd Ende Mai, gehen die Proteste auch inmitten der Corona-Pandemie ununterbrochen weiter. Vor allem in den liberalen Metropolen Seattle, Portland und Austin kam es am Wochenende zu Konfrontationen zwischen Demonstranten und Polizei.

In Seattle wurden am Samstag nach gewalttätigen Ausschreitungen mindestens 45 Demonstranten verhaftet. Die Proteste hinterließen ein Bild der Verwüstung auf den Straßen der im US-Bundesstaat Washington gelegenen Großstadt.

Zerbrochene Schaufensterscheiben und in Brand gesetzte Geschäfte waren das Ergebnis. Auf den Plakaten der etwa 5.000 Demonstranten waren die gleichen Aussagen zu lesen wie schon in den vergangenen Wochen: „Bundesbehörden geht nach Hause“ („Feds go home“) oder “Keine Gerechtigkeit, kein Frieden“ („No justice, no peace“).

Seattles Polizei verwendete Pfefferspray und Blitzgranaten und versuchte durch gezielte Vorstöße in die Menge, die Menschenansammlung aufzulösen. Dabei gab es auf beiden Seiten Verletzte. Die Polizei erklärte die Demonstrationen offiziell als Randale. Mehr als 20 Polizeibeamte wurden bei den Ausschreitungen verletzt.

Truppen in unmarkierten Fahrzeugen

Daryl Breaux, die im Jugendstrafvollzug des Landkreises King County arbeitet, musste mit ansehen, wie ihr SUV von Demonstranten angezündete wurde. „Ich verdiene das nicht! Ich bin eine junge, hart arbeitende Frau mit Universitätsabschluss. Eine schwarze Frau wohlgemerkt. Und in Seattle geboren und aufgewachsen“, sage sie dem lokalen TV-Sender KIRO7.

Dass sich die Ausschreitungen in Seattle vor allem gegen die Polizei richteten, liegt auch an den jüngsten Vorkommnissen in Portland. Vor ein paar Wochen entsandte das US-Justizministerium auf Beschluss von Präsident Donald Trump bewaffnete Bundesbehörden nach Portland, um Gerichtshäuser und andere bundesstaatliche Einrichtungen vor Beschädigung zu schützen.

Portlands Bürgermeister Ted Wheeler wurde Opfer eines polizeilichen Tränengaseinsatzes

Videoaufnahmen zeigten jedoch, dass diese Bundesbehörden auch Demonstranten verhafteten, die keine unmittelbare Gefahr für die Besitztümer der US-Regierung darstellten. Vor allem die Tatsache, dass die entsandten Truppen in unmarkierten Fahrzeugen in Portland unterwegs waren und Verhaftungen vornahmen, verärgerte die Bürger und Politiker in der Stadt. Portlands Bürgermeister Ted Wheeler, der den Bundesbehörden eine „Überreaktion“ unterstellte und bei Trump politische Motive vermutet, wurde vergangene Woche selbst zum Opfer eines polizeilichen Tränengaseinsatzes.

Auch am Samstag kam es in Portland erneut zu Ausschreitungen. Nachdem die Demonstrationen tagsüber friedlich geblieben waren, wurden sie im Verlaufe des Abends und der Nacht zunehmend aggressiver. Kurz vor Mitternacht hatten sich etwa 5.000 Demonstranten vor dem Bundesgericht in Portland versammelt und rüttelten am Zaun. Einige in der Menge schossen Feuerwerkskörper auf das Gebäude. Nachdem es einigen Demonstranten gelang, den Zaun zu überwinden, antworteten die Behörden mit Tränengas.

Kritik an Protesten der „weißesten“ Großstadt

Eine kleinere Gruppe von Demonstranten versammelte sich in Portlands Innenstadt. Ein Redeführer der Demonstranten erinnerte daran, dass sich die Demonstrationen gegen Portlands Polizeibehörde richteten. „Wir müssen der Polizei die Finanzmittel entziehen“, sagte er.

In den vergangenen Tagen sind jedoch auch Stimmen laut geworden, die die täglichen Demonstrationen in Portland infrage stellen. Portland ist eine der „weißesten“ Großstädte in den Vereinigten Staaten und trotzdem zu einem Aushängeschild der Black-Lives-Matter-Bewegung geworden. Nur etwa 6 Prozent der Einwohner in der Stadt sind Schwarz. „Wenn ich mir die Menge anschaue, dann sehe ich nicht viele Schwarze“, erzählte ein 21-jähriger afroamerikanischer Aktivist jüngst dem Guardian.

Führende schwarze Aktivisten fragen sich deshalb, ob die Demonstrationen in Portland nicht nur eine Fortsetzung der Dominanz der weißen Bevölkerungsschicht auf Kosten der schwarzen Einwohner darstelle.

Nicht nur im pazifischen Westen gab es am Samstag Demonstrationen. Im texanischen Austin kam ein Mann bei Ausschreitungen ums Leben. Laut Augenzeugen versuchte ein Fahrer mit seinem Auto in die Protestmenge zu fahren. Als einer der Demonstranten den Fahrer konfrontierte, feuerte dieser mehrere Schüsse ab und fuhr davon. Laut dem Austin American-Statesman hatten sich am Sonntagmorgen erneut etwa 50 Demonstranten vor dem Polizeihauptquartier versammelt, um gegen Polizeigewalt und Rassismus zu demonstrieren.

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3 Kommentare

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  • Ist es nicht eher positiv, dass in der „weißesten“ Großstadt, die BLM Bewegung so viel Zulauf hat? Das zeugt doch vielleicht von einer zunehmenden Solidarität der gesamten Bevölkerung mit BLM!

    Die Lage ist aber auch so unübersichtlich, dass es schwer ist, die Good Guys von den Bad Guys zu unterscheiden. Im Zweifel sympathisiere ich mit friedlichen Demonstranten, nicht mit den bewaffneten Randalierern. Anderen Medienberichten zufolge, hielt der Mann, der in Austin erschossen wurde, selbst ein Sturmgewehr in der Hand. Das mag in den USA legal sein bei einer Demo, aber von friedlichen Absichten zeugt es nicht.

  • Die Berichterstattung über die mittlerweile seit mehreren Wochen andauernden Proteste/ Randale werfen nicht zuletzt durch ihre nicht selten selbst offensichtlichste Widersprüche ignorierende Einseitigkeit zumeist mehr Fragen auf, als sie beantworten.

    Vielen Dank an die TAZ, dass hier zumindest versucht wird, ein etwas differenzierteres Bild der Lage aufzuzeigen.

    • @freidenkender:

      Das stimmt, einige würden sagen "ausgerechnet die taz" aber schon beim Brexit war das mit die beste Quelle, mal die andere Sichtweise kennen zu lernen, warum die Briten also Johnson gewählt haben, als es darauf ankam.